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St. Englmar. Motorradfahrer aufgepasst: Bei der nächsten Bayerwald-Tour sollte das Motorradmuseum in St. Englmar fix miteingeplant werden. Und auch alle anderen, die sich für Oldtimer unter den Motorrädern interessieren, dürften auf ihre Kosten kommen. Denn wer wissen möchte, wie die motorisierten Zweiräder im vorigen Jahrhundert aussahen, welche Form und Geschwindigkeit sie hatten, welche Hersteller es gab und was Motorräder damals kosteten, ist beim Museum von Inhaber Stefan Dorfner an der richtigen Adresse.

Der Blick in die Ausstellung im Motorradmuseum St. Englmar: Auch ein Hochrad darf neben den vielen Zweirädern nicht fehlen. Fotos: Anna Diller

Die leichteren sogenannten Kraftfahrräder ähnelten optisch den E-Bikes von heute. Motor und Benzintank waren damals schon am Sattel- bzw. Unterrohr angebracht, Schnelligkeit und Reichweite waren ebenfalls vergleichbar. „Es konnte auch nachträglich an einem Fahrrad ein Hilfsmotor angebracht werden“, erklärt Museumsinhaber Stefan Dorfner und ergänzt: „Denn ein Fahrrad hatte damals jeder, Autos hatten nur die wenigsten.“

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Insofern gab es nach dem Krieg – zwischen 1950 und 1955 – einen Bausatz zu erwerben, der entweder auf dem Schutzblech am Vorderrad oder unten beim Tretlager angebaut werden konnte. Mit einem Hebel wurde der Motor ausgelöst, an dem wiederum eine Walze befestigt war, die auf den Reifen drückte und diesen antrieb. „Für 100 bis 200 DM gab es die 25 bis 30 km/h Höchstgeschwindigkeit dazu.“

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Hier darf in Nostalgie geschwelgt werden

Ein früher Vorläufer der motorgestützten Fahrräder – und damit auch ein besonderes Exponat im Museum – ist die „Flottweg“, Baujahr 1922. Sie hatte den Hilfsmotor (ebenfalls mit einem PS) im Lenkrad und der Lenkradstange fest integriert; gebaut worden war der Viertakt-Motor in den Otto-Werken in München von Gustav Otto, dem Sohn des Erfinders der Otto-Motoren; und „gegen einen kleinen Aufpreis konnte man das Motorfahrrad samt Holzkiste geliefert bekommen und hatte dann gleich eine Kleingarage für das Gefährt dazu“, zeigt sich Dorfner erfreut über das komplett erhaltene Originalstück.

Besonders angetan, weil besonders alt und rar, hat es ihm auch die „Wanderer G200“ aus dem Jahr 1927, eine der ersten größeren Maschinen des gleichnamigen Chemnitzer Herstellers. Als Rarität bezeichnet Dorfner auch eine Chopper aus dem Jahr 1952, in ihrem Erscheinungsbild unverkennbar im „Harley Davidson“-Stil. Wie es der aus Kalifornien stammenden Bezeichnung des ‚Frisierens‘ entspricht, wurde auch sie „gebraucht gekauft und zwischen 1970 und 1972 von jemandem aus der Rockerszene umgebaut“. Nach 1973 wurde die Maschine wieder verkauft und kam von Norddeutschland in den Bayerischen Wald, wo Dorfner auf sie aufmerksam wurde und sie vor drei Jahren kaufte, wie er nicht ohne Stolz erwähnt.

Ansonsten darf man im Museum in Nostalgie schwelgen und sich auf „alte Bekannte“ wie die Hercules-Mopeds aus den 1970er Jahren oder die im wahrsten Sinne des Wortes schweren, weil knapp 300 Kilogramm wiegenden und 100 PS starken schnittigen BMW-Maschinen aus den späten 80ern und frühen 90ern freuen. Und man darf Erinnerungen an möglicherweise eigene unvergessene Fahrräder aus der Jugend- und Erwachsenenzeit lebendig werden lassen – Bonanza-Rad und „Adler“ lassen grüßen.

„Sir Quickly“ hätte seine Freude daran gehabt

Alle bekannten deutschen Fahrrad- und vor allem Motorradmarken sind im Museum vertreten: Neben Hercules und BMW sind es DKW, Simson, Zündapp, NSU, Dürkopp, Phänomen, Victoria, Miele, Triumph und Express. Und mit ihnen vertreten sind viele ihrer Aushängeschilder: Legendär sind die Motorräder aus den 30er Jahren von DKW (Dampf-Kraft-Wagen), aber auch dem österreichischen Hersteller Puch, genauso die Mofas und Mopeds der 30er bis 70er Jahre von Hercules und dem Neckarsulmer Werk NSU sowie die hellblauen motorisierten Fahrräder der Serie „Vicky“ des Herstellers Victoria aus den 50er Jahren.

BMW-Motorrad, Bauzeit 1988 bis 93, 100 PS, 987 ccm, in 3,9 Sekunden von null auf 100.

Von DKW stammt auch ein doppelsitziger roter „Hobby-Roller“, Baujahr 1956, mit drei PS. Und von Zündapp ein hellgrün-beiger Roller, Baujahr 1955, mit erstaunlichen 10,7 PS. Zündapp, neben erschwinglicheren Preisen auch für jene Farbe bekannt, die einem Motorradmodell einst den Beinamen „Grüner Elefant“ einbrachte, warb sogar selbstbewusst mit dem Slogan „Für Ihr Geld den vollen Gegenwert!“ – so ist es auf einer Kopie des Werbeplakats für das Motorrad „DB 201“ von 1951 an der Wand des Museums zu lesen. Und natürlich hat das Museum auch eine „NSU Quickly L(uxus)“. Seinerzeit ist Schauspieler Ottfried Fischer in der bayerischen Fernsehserie „Irgendwie und Sowieso“ (1986) auf dem Moped umhergefahren und bekam deshalb als jugendliche Filmfigur den Spitznamen „Sir Quickly“.

Welcher Junge hat sich nicht gefreut, wenn er mit 15 ein Mofa bekam oder sich selbst finanzierte oder herrichtete, mit 16 dann eine 50er oder 80er (also ein Moped mit 50 oder 80 ccm Hubraum) – und sich mit 18 dann vom ersten Gehalt ein Motorrad (ab 125 ccm) leisten konnte. So war es auch bei Stefan Dorfner, wie dieser berichtet. Und doch lief bei ihm etwas anders: „Mit einer hat es ganz harmlos angefangen, dann hat es seinen Lauf genommen – es ist halt seine Leidenschaft“, erzählt Ehefrau Claudia Dorfner und lacht. Und der passionierte Biker bestätigt: „Ich bin schon immer Motorrad gefahren. Oldtimer sammle ich erst seit gut 25 Jahren, weil ich ein älteres Modell auch einmal haben wollte – und dann ging es so dahin.“ Schließlich sind aus dem einen mehr als 200 Stück geworden, fast ausschließlich deutsche Fabrikate. Hinzu kommen noch die Fahrräder.

„Eine bessere Lage gibt es nicht!“

So stellte sich irgendwann die Frage: Wohin mit den vielen Einzelstücken? Denn gelagert hatte Dorfner immer alles bei sich zu Hause in Neukirchen. Vor drei Jahren habe sich dann die Chance ergeben, ein leerstehendes, früheres Bäckereigebäude im benachbarten Englmar zu kaufen, das er daraufhin ein Jahr lang renoviert und umgebaut hat. „Eine bessere Lage gibt es nicht – und Urlauber sind auch da“, erläutert der Sammler. Und da er gemeinsam mit seiner Frau ohnehin kurz zuvor entschieden hatte, seine Fahrzeuge im Zuge der Unterstellung auch gleich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, zögerte er nicht lange und setzte den Plan in die Tat um.

BMW von 1952 (24 PS, 494 ccm), Anfang der 70er Jahre umgebaut auf Chopper.

Als zusätzlicher Faktor bzw. Pluspunkt kam hinzu, dass Dorfner sich vor über fünf Jahren – nach 37 Jahren als Kfz-Elektriker bei BMW – in den Vorruhestand verabschiedet hatte – und nun ausreichend Zeit für ein Projekt dieser Dimension gegeben war: „Ich bin ja sowieso den ganzen Tag daheim, am Wochenende ist meine Frau zusätzlich mit dabei“, berichtet Dorfner über die Museumstätigkeit.

„Daheim“ heißt bei dem Sammler in diesem Fall die Werkstatt, die sich gleich neben dem 400 Quadratmeter großen Museum befindet. Denn Dorfner richtet alle Oldtimer selbst her – und ist daher „so gut wie immer in der Werkstatt“ anzufinden. „Die Leute sind die meiste Zeit bei mir und schauen beim Restaurieren zu“, schildert der 60-Jährige mit einem Augenzwinkern. Freudig gibt er dabei Auskunft zu allen ausgestellten Maschinen. Am 18. Mai feierte er das zweijährige Bestehen des Museums – mit einem sehr zufriedenen Resümee: „Ich bin positiv überrascht. Es sind immer Leute da, unter der Woche fast mehr als am Wochenende.“ Deswegen ist jetzt auch das ganze Jahr über geöffnet.

Die Sammel-Reise geht noch weiter…

Und für Stefan Dorfner ist noch lange nicht Schluss mit dem Sammeln: „Ich bin immer auf der Suche nach neuen Objekten, ich will auch noch weiter aufkaufen.“ Schließlich weiß er sich von Berufs wegen bei der Restaurierung zu helfen und ist vom Sammlervirus infiziert – die besten Voraussetzungen also für neue historische, außergewöhnliche Exponate und die Erweiterung seiner Spezialsammlung, die selbst manch große Verkehrsmuseen vor Neid erblassen lassen…

Text und Fotos: Anna Diller

Das Motorradmuseum in St. Englmar (Galgenberg 1) hat von Dienstag bis Sonntag von 9.30 bis 17 Uhr geöffnet; montags ist (außer an Feiertagen) geschlossen. Parkplätze sind reichlich vor dem Haus vorhanden. Der Eintritt beträgt fünf Euro. Das Motorradmuseum ist auch bei Facebook zu finden.

 


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