Einmal im Leben auf das „Dach Afrikas“ steigen, hinauf auf knapp 6.000 Meter Meereshöhe – davon träumen viele bergbegeisterte Naturfreunde. Einer, der sich diesen Traum von der „Kilimandscharo„-Begehung bereits erfüllt hat, ist Ludwig „Lui“ Ratzesberger aus der Gemeinde Mauth-Finsterau. Ein Unterfangen, das seitdem zu den schönsten Momenten seines Lebens zählt.

„Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, wusste schon Liedermacher Reinhard May. Fotos: Ludwig Ratzesberger

Im ersten Teil seines Erlebnisberichts hat er den Hog’n-Leserinnen und -Lesern von den Vorbereitungen im „Bayerwald-Trainingslager“, der Anreise nach Tansania und dem ersten Treffen mit den Weggefährten erzählt. Im nun folgenden Teil beschreibt Ludwig Ratzesberger die unterschiedlichen Vegetationszonen, die einem auf dem Weg nach oben begegnen, und schildert die Strapazen der ersten Aufstiegsetappen, die vor allem seinen Mitstreitern zu schaffen machen…

„Da marschieren wir ja ewig bis zum Ziel“

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… ohne viel Schlaf und tausend Gedanken im Kopf ging es dann am nächsten Tag mit einem Kleinbus zum Eingang „Marangu Gate“, wo noch einmal die Personalien überprüft wurden. Ich habe mich für die „Marangu Route“ entschieden, bei der man in den Camps in kleinen Holzhütten – diese sehen aus wie kleine Hexenhäuschen – nächtigt. Deswegen wird dieser Weg auch als vermeintlich leichteste Art der „Kibo“-Besteigung beworben. Ob dies tatsächlich stimmt, ist schwer zu sagen – aber das sieht wohl jeder etwas anders…

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Das „Marangu Gate“, das auf 1.830 Metern Meereshöhe liegt, war unser Ausgangspunkt, von dem aus wir zu unserem ersten Zwischenziel, der „Mandara Hütte“ (2.740 Höhenmenter), wanderten. Ich habe mich zunächst sehr darüber gewundert, warum unser Guide derart langsam losgegangen ist. Ich dachte mir: „Na, da marschieren wir ja ewig bis zum Ziel.“ Später sollte ich dann verstehen, warum er dieses gemächliche Tempo angeschlagen hatte…

An jenem ersten Tag waren es insgesamt „nur“ 910 Höhenmeter, die wir zu bewältigen hatten. Ich fühlte mich angenehm angespannt und bewunderte die unglaubliche Schönheit der Natur. Mich beeindruckte vor allem, dass man bei dieser Tour so gut wie alle Vegetationszonen durchschritt:

Von „ganz unten“ nach „ganz oben“

Von „ganz unten“ bis zum „Marangu Gate“ herrscht die Kulturzone, in der etwa Ackerbau und Viehzucht betrieben wird – und wo es gerne mal bis zu 40 Grad Celsius heiß werden kann.

Zwischen 1.800 und etwa 3.000 Höhenmetern liegt der tropische Bergregenwald, der einem Urwald gleicht und in dem sehr viele Tiere zu sehen sind. In dieser Zone, die aufgrund ihrer wunderbaren Flora und Fauna für mich eine der beeindruckendsten war, werden bis zu 25 Grad erreicht.

Am Ausgangspunkt: Vom „Marangu Gate“ auf 1.879 Höhenmetern geht’s hinauf auf den „Kibo“.

Zwischen 3.000 und 4.000 Höhenmeter (Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad) beginnt das Moorland mit seinen Graslandschaften und Hochmooren. Von da an kann man bereits teils fantastische Ausblicke auf die Bergwelt und das Umland genießen.

Zwischen 4.000 und 5.000 Höhenmeter (zehn bis 15 Grad) beginnt die Steinwüste mit ihren zum Teil riesigen Felsblöcken, Lavagestein und „richtiger“ Wüste – die jedoch mit schwarzem Sand überzogen ist. Ab dieser Höhe geht es mit dem Schöpfen von Trinkwasser zu Ende. Apropos Trinkwasser: Anfangs habe ich mich sehr darüber gewundert, weil das Wasser, das wir bekommen haben, sehr gelblich erschien (und somit Urin ähnelte). Ich habe mir später erklären lassen, dass die Färbung mit dem hohen Schwefelgehalt zusammenhänge, jedoch problemlos getrunken werden könne.

Die letzte Zone „ganz oben“ beherbergt das „ewige Eis“ mit seinen über 5.000 Höhenmeter gelegenen Gletschern – und Temperaturen von bis zu minus 25 Grad. Während unseres Aufstiegs tobte tags zuvor ein starker Schneesturm mit viel Schneefall – und wir hatten das Glück, eine sehr bizarre Schneelandschaft mit dem bis dato schönsten Ausblick überhaupt erleben zu dürfen.

Erste Kopfschmerzen und Übelkeit

Die erste Etappe bis zur „Mandara Hütte“ (2.720 Höhenmeter) verlief für alle Beteiligten (noch) relativ entspannt. Wie erwähnt, mutet der umliegende Ur-Regenwald mit seinen unzähligen Tieren (tropische Vögel, Affen, Chamäleons etc.) und riesigen, zum Teil recht bizarren Bäumen, sehr besonders, ja sogar mystisch an.

Die erste Etappe bis zur „Mandara Hütte“ verlief für alle Beteiligten (noch) relativ entspannt

Konnten meine Mitstreiter diese Etappe noch problemlos meistern, gestaltete sich unsere nächste Tagestour bis zur „Horombo Hütte“ (3.720 Höhenmeter) schon etwas schwieriger. Auf dieser Passage konnte man bei guter Sicht bereits die beiden beeindruckenden Gipfel „Uhuru Peak“ und „Gilman’s Point“ bewundern. Wir blieben eine Nacht länger in der „Horombo Hütte“ und sind zwischendurch auch mal auf über 4.000 Höhenmeter hoch- und wieder runtergestiegen – zum Zwecke der Akklimatisierung. Von da an waren der „Kibo“ und der „Mawenzi“, beides Vulkane im Kilimandscharo-Bergmassiv, unsere ständigen „Begleiter“.

Überaus imposant war auch der Weg zum sogenannten Zebra-Gestein, ein Massiv mit Längsstreifen, die einem Zebra-Fell ähneln. Auch an diesem Tag bereitete mir die Höhe keinerlei Probleme. Meine Mitwanderer hingegen hatten bereits mit Kopfschmerzen und Übelkeit zu kämpfen, konnten die Etappe jedoch noch einigermaßen unbeschadet vollenden.

Doch Davids Zustand verschlechterte sich zusehends…

Am nächsten Tag ging es noch eine Zone höher, über Lavagestein und Felswüste führte der Weg hinauf zur „Kibo-Hütte“ auf rund 4.800 Metern Meereshöhe. Rein landschaftlich hat diese Umgebung nicht mehr viel zu bieten – bis auf riesige Gesteinsbrocken und schwarzen Lavasand, die hauptsächlich das Bild prägen. Und natürlich fängt die Luft an, da oben etwas dünner zu werden…

Wir blieben eine Nacht länger in der „Horombo Hütte“ und sind zwischendurch auch mal auf über 4.000 Höhenmeter hoch- und wieder runtergestiegen…

Meine Begleiter – vor allem David und Patricia – hatten von nun an massive Probleme mit der Höhe. Patricia blieb mit unserem zweiten Guide vorerst zurück, um etwas langsamer voranschreiten zu können. Wir wussten nicht, ob sie das nächste Ziel („Kibo Hut“) erreichen würde. David hatte bereits sehr blutunterlaufene Augen und ihn plagten massive Kopfschmerzen. Ich dachte nicht, dass er es bis zur Hütte schaffen würde. Marion waren die Anstrengungen ebenfalls anzumerken, doch sie schien diese besser zu verkraften.

Mehr schlecht als recht schaffte es David schließlich bis zur Unterkunft – und wir kümmerten uns darum, dass er schnellstmöglich in ein Bett kommt, um sich auszuruhen. Was man uns allen geraten hat, weil ja der Aufstieg zum Gipfel des nächtens geplant war. Doch Davids Zustand verschlechterte sich zusehends. Er machte einen immer verwirrteren Eindruck und sprach fast nur noch unzusammenhängende Sätze. Seine Kopfschmerzen schienen unerträglich zu sein.

Plötzlich hörte ich sie laut aufschreien…

Ich ging hinüber zur Hütte der Guides, um unseren Bergführer über seinen Zustand zu informieren. Er kam, sah Davids Verfassung und entschloss sich sofort, ihn mit unserem zweiten Guide, der zwischenzeitlich mit Patricia angekommen war, um einige Höhenmeter tiefer zu schicken.

„Fußballverrückt“: Als treuer Anhänger von Borussia Dortmund hat Lui Ratzesberger eine BVB-Fahne in 4.720 Metern auf der „Kibo Hut“ gehisst.

Marion war kurzzeitig eingeschlafen – doch plötzlich hörte ich sie laut aufschreien. Sie erwachte und klagte über unerträgliche Kopfschmerzen. Auch sie musste dringend in tiefere Gefilde gebracht werden. Wir verabschiedeten uns – und die beiden Engländer sagten unter Tränen zu mir: „Lui, du gehst auf diesen Berg – auch für uns!“ Das war ein sehr emotionaler Moment – und stellte für mich eine zusätzliche mentale Belastung dar. Denn man glaubt es nicht, wie schnell man in nur wenigen Tagen eine Verbindung zu Menschen aufbauen kann, die man erst vor Kurzem kennengelernt hat. Am meisten belastete mich jedoch, dass ich – zumindest vorerst – nicht wusste, wie es den beiden von da an ergehen sollte…

Eigentlich hätte auch Patricia, nachdem sie mit dem zweiten Guide in der „Kibo Hut“ angekommen war, sofort wieder einige Höhenmeter hinuntergehen müssen. Doch sie war dermaßen erschöpft, dass sie nur noch ins Bett fallen konnte, um sich auszuruhen und zu schlafen. Sie war mit mir und mehreren anderen Teilnehmern in einem Zimmer untergebracht.

Doch ich verstand kein Wort…

Am späten Abend sprach sie mich an – doch ich verstand kein Wort von dem, was sie sagte, was sie von mir wollte. Wie sich nachher herausstellte, hatte sie auf Niederländisch mit mir geredet – und sie bat mich um meinen Schlafsack, den ich ihr dalassen sollte, wenn ich in der Nacht Richtung Gipfel aufbreche. Natürlich gab ich ihn ihr. Wie ich später erfuhr, ist sie gleich am nächsten Tag ins Tal abgestiegen…

Ludwig „Lui“ Ratzesberger

Im dritten (und letzten) Teil der Hog’n-Serie berichtet Ludwig Ratzesberger von seinem Gipfel-Erlebnis, dem darauf folgenden Abstieg und dem Wiedersehen mit seinen Weggefährten…


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