Bayerischer Wald. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, hat in der vergangenen Woche eine Neubewertung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) auf Bundesebene vorgenommen. Seitdem gilt die Partei als „gesichert rechtsextremistisch“. Als Grundlage für die Entscheidung dient ein über 1.000 Seiten umfassendes Gutachten des BfV, das Medieninformationen zufolge nicht veröffentlicht werden soll.

Der Verfassungsschutz erachtet die nun gesamte AfD als gesichert rechtsextrem. In der Folge werden Forderungen nach einem Parteiverbot laut. 

Die Gründe teilte die Sicherheitsbehörde jedoch mit, wie unter anderem die Online-Ausgabe der „tagesschau“ berichtet: Die Einstufung erfolge „aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei“. Und: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar.“ Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen.

Debatte um AfD-Verbotsverfahren neu entfacht

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Die Reaktionen seitens der Hog’n-Leserschaft auf die Neu-Einstufung der AfD viel sehr unterschiedlich aus – und wurde u.a. auf dem Hog’n-Facebook-Kanal kontrovers diskutiert. Die Aussagenspanne reichte von einem ironischen „Endlich, wurde ja Zeit. Jede/r AfD-Wähler/in ist somit jetzt Rechtsradikal. Sehr schön!“ über „Wähler der AfD werden das selbstverständlich gaaanz anders sehen. Welcher konservativ-bürgerliche Wähler der AfD will sich selber schon eingestehen, Extremisten zu wählen“ bis hin zu „Und, was sagt nun der Herr Spahn dazu? Für den ist doch die AfD eine ‘ganz normale’ Partei. Selbst die Merz-CDU hat keine Berührungsängste mit der AfD.“

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Der designierte Bundesinnenminister (hier bei einem einstigen Pressetermin mit dem designierten Bundeslandwirtschaftsminister) ist der „Überzeugung, man muss die AfD nicht wegverbieten, man muss sie wegregieren“. Foto: Hog’n-Archiv

Auch die Forderungen nach einem AfD-Verbot sind in diesem Zuge wieder lauter geworden. Während führende Unionspolitiker bei ihrer ablehnenden Haltung zu einem Verbotsverfahren bleiben (Dobrindt: „Um die AfD zu verbieten, müsse als Wesensmerkmal das Aggressiv-Kämpferische gegen die Demokratie nachgewiesen werden„) und auch SPD-Chef Lars Klingbeil nicht daran glaubt, „dass ein mögliches Verbotsverfahren, was jahrelang dauern könnte, das alleinige Instrument ist, um die AfD kleinzukriegen“, sehen Grüne und Linke sehr wohl die Zeit gekommen, dass ein AfD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht geprüft werden solle.

Und natürlich erreichten die Hog’n-Redaktion dazu auch diverse Pressemitteilungen regionaler und überregionaler Politiker. Zwei davon sollen im Folgenden wiedergegeben werden. Zum einen die Mitteilung des Ersten Vorsitzenden der Jungen Freien Wähler Niederbayern (JFW), Florian Mies. Zum anderen die der Grünen-Bundestagsabgeordneten Marlene Schönberger.

Mies: „Verfassungsschutz darf kein Erfüllungsgehilfe sein“

„Man kann zwar Parteien verbieten, aber keine enttäuschten Wähler. Wer glaubt, die Probleme durch ein Verbot einfach abschalten zu können, der verkennt die eigentliche Herausforderung: das tief sitzende Misstrauen vieler Menschen gegenüber Politik, Institutionen und Medien“, so Mies. Ein AfD-Verbot allein sei kein Garant für die Rückkehr zur politischen Stabilität. Im Gegenteil – ein solcher Schritt könne das Misstrauen in staatliche Institutionen sogar noch vertiefen und Emotionen befeuern.

Auch die Diskussion über AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst sieht Mies differenziert: „Staatsdiener, die aktiv gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeiten, haben im öffentlichen Dienst nichts verloren. Das gilt unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Das kann sich ein demokratischer Staat nicht leisten. Es braucht klare Kriterien, keine Gesinnungstests.“

JFW-Niederbayern-Vorsitzender Florian Mies warnt vor politischen Kurzschlussreaktionen. Foto: privat

Besonders besorgniserregend sei die zunehmende Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes. Was ursprünglich als Schutzorgan der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gedacht war, dürfe nicht zum politischen Spielball verkommen: „Wenn der Verfassungsschutz zu einem Werkzeug zur Meinungskontrolle für politische Lagerkämpfe wird, verlieren wir etwas sehr Wertvolles: das Vertrauen in staatliche Neutralität. Der Verfassungsschutz darf kein Erfüllungsgehilfe der Tagespolitik sein – er braucht Unabhängigkeit, Objektivität und Glaubwürdigkeit. Was der Verfassungsschutz bislang vorgelegt hat, reicht bei Weitem nicht für ein Parteiverbot – und überrascht niemanden, der sich mit der Partei zuvor ernsthaft beschäftigt hat.“

Statt sich auf Verbote und Ausgrenzung zu verlassen, fordert Mies eine klare politische Erneuerung aus der Mitte der Gesellschaft heraus: „Populismus bekämpft man nicht mit moralischer Überheblichkeit, sondern mit besseren und konsistenten Antworten, die eine Koalitionsverhandlung überleben.“

Schönberger: „Normalisierung ist eindeutig der falsche Weg“

Die Bundestagabgeordnete Marlene Schönberger (Bündnis 90/Die Grünen) hält die Neubewertung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ für folgerichtig: „Die Hochstufung der AfD durch das zuständige Bundesamt für Verfassungsschutz hatte sich lange abgezeichnet. Ich denke: Sie war längst überfällig. Die Partei steht in ihrer Programmatik den Prinzipien unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entgegen. Über die letzten Jahre hat sie sich und haben sich ihre Spitzenfunktionäre immer weiter radikalisiert.“

MdB Marlene Schönberger (Buendnis 90/Die Grünen) fordert ein AfD-Verbotsverfahren als nächsten Schritt. Foto: Pressefoto

„Dies gilt gerade auch für unsere Region“, so die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Rottal-Inn weiter. Niederbayern habe sich inzwischen zu einer AfD-Hochburg entwickelt. Die AfD pflegt hier gute Kontakte ins rechtsterroristische Milieu: „Man denke beispielsweise an Maximilian Eder aus dem Landkreis Freyung-Grafenau, der zusammen mit einer ehemaligen AfD-Abgeordneten in der Gruppe um Prinz Reuss einen Angriff auf den Bundestag vorbereitete. Die AfD ist eine für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat brandgefährliche Partei. Die Sicherheitsbehörden in Deutschland sind verpflichtet, alles rechtsstaatlich Mögliche zu tun, um solche antidemokratischen Entwicklungen zu erkennen und ihren Teil dazu zu leisten, sie aufzuhalten.“

Aber auch die politischen Entscheidungsträger seien nun gefordert, so Schönberger weiter: „Mit dem Eintritt in die neue Legislaturperiode muss der Prozess zur Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens wieder aufgenommen werden. Leider scheiterte es in der Vergangenheit an der fehlenden Zustimmung von CDU/CSU. Ich hoffe, dass dort jetzt endlich klar ist: Normalisierung dieser gesichert rechtsextremen Partei ist eindeutig der falsche Weg.“

Stephan Hörhammer


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