
Als der Krieg eigentlich schon längst verloren war und die Alliierten von beiden Seiten immer weiter vorrückten, wurde befohlen, die Konzentrationslager (KZ) zu räumen und die Häftlinge abzutransportieren. Es wird vermutet, dass mit diesen Todeszügen und -märschen verhindert werden sollte, dass Häftlinge lebend als Zeugen der Verbrechen in die Arme der Alliierten fallen. Die noch nicht befreiten Lager wurden durch die Ankunft solcher Transporte völlig überfüllt.
Am 4./5. April 1945 befahl Himmler, die Anzahl Gefangener im KZ Buchenwald auf die Mindeststärke zu reduzieren und die Überzähligen nach Flossenbürg und Dachau zu verlegen. In Buchenwald hatten sich Gefangene jedoch bereits in einem illegalen Lagerkomitee organisiert und heimlich bewaffnet. Als der SS-Kommandant Hermann Pister 6.000 Juden für den Abtransport am 4. April anforderte, wurde dies vom illegalen Lagerkomitee verweigert. Sie versuchten, auf Zeit zu spielen. Die Amerikaner waren nicht mehr weit.
Der Weg war mit Leichen übersät
Unter der Drohung der schwerbewaffneten SS, die mit 200 Mann und Maschinengewehren ins Lager einrückte, wurden dann am 7. April 4.500 Gefangene bereitgestellt. Da sich das illegale Lagerkomitee auf einen Aufstand vorbereitete, wurden für den Transport Häftlinge ausgewählt, die erst kurz vorher im Lager eingetroffen oder für den Kampf nicht hilfreich, weil nicht zuverlässig oder zu schwach, waren. Mehrere Zugtransporte und Fußmärsche mit 28.000 Gefangenen verließen zwischen dem 7. und dem 10. April Buchenwald. Einer dieser Züge ging unter Führung des SS-Obersturmführers Hans Merbach über Nammering (Gemeinde Fürstenstein).
Am 7. April 1945 begann der Transport mit dem Abmarsch von vermutlich 5.080 Gefangenen aus dem KZ Buchenwald zum Bahnhof in Weimar. Der Weg war mit Leichen übersät – aufgrund eines vorangegangenen Todesmarsches von 4.000 Juden. Viele Häftlinge des Transports waren zuvor bereits eine lange Strecke nach Buchenwald marschiert und zu Beginn schon nicht mehr transportfähig. 71 Mann sind deshalb auf dem Weg zum Bahnhof zusammengebrochen und wurden von den SS-Wachen ermordet.
Sieben Mann pro Quadratmeter
Ein Teil der Häftlinge ist wohl von Buchenwald nach Weimar mit dem Zug gefahren. Zwischen 4.500 und 5.000 Häftlinge – Juden, Russen, Ukrainer, Franzosen, Italiener, Polen, Tschechen, Österreicher, Deutsche und andere – sollten in 59 geschlossenen und offenen Lastwaggons ins KZ Flossenbürg gebracht werden. Es kamen 105 Mann in jeden offenen Waggon und um die 70 bis 80 Mann in jeden geschlossenen, was sieben Mann pro Quadratmeter entspricht.

Transportiert wurden fast nur Männer. Es sollen aber wohl auch wenige Frauen und Kinder dabei gewesen sein. Bewacht wurde der Zug laut Transportbefehl von zehn SS-Unterführern und 120 Männern des SS-Totenkopf-Wachsturmbann Buchenwald. Die meisten waren deutscher, slowakischer und ungarischer Nationalität. Es gab aber auf dem Transport auch Wachmannschaften, die nicht der SS angehört haben, sondern „einfache“ Soldaten waren. In Nammering sind in der letzten Nacht des Aufenthalts auch Mitglieder des Volkssturmes zur Verstärkung der Aufsicht aufgefordert worden.
Für diese Fahrt wurde Verpflegung für nur zirka Tage mitgegeben. Die Nahrungsmittelrationen werden unterschiedlich beschrieben, aber es handelte sich um wenige gekochte Kartoffeln, 190 bis 500 Gramm Brot, manche erhielten 50 Gramm Wurst und etwas Margarine. Von dieser Verpflegung hat nicht jeder etwas erhalten. In die Waggons wurden Brote und Margarine einfach hineingeworfen, die man sich im engen Gedränge erkämpfen musste. Während der Fahrt wurden immer wieder kleine Menge Lebensmittel verteilt. Es sollen durchschnittlich insgesamt weniger als 100 Kalorien pro Tag gewesen sein.
Plattlinger Bahnhof wurde bei einem Luftangriff zerstört
Kurz nach Beginn der Fahrt wurde die Route verändert und nicht mehr das KZ Flossenbürg angesteuert, sondern das KZ Dachau. Zugführer Mermann behauptet, es sei ihm gesagt worden, das KZ Flossenbürg sei schon befreit worden. Das ist jedoch nicht korrekt, da dieses erst am 23. April von den Amerikanern erreicht wurde. Aber der Abtransport der Häftlinge aus Flossenbürg hatte zu diesem Zeitpunkt schon begonnen. Vielleicht ist Mermann dieses mitgeteilt worden. Die Fahrt ging dann nach Leipzig und Dresden, von dort über das Gebiet der früheren Tschechoslowakei, und dann von Eisenstein nach Deggendorf. In Pilsen seien Leichen der Polizei übergeben worden.

Am 16. April ist der Plattlinger Bahnhof bei einem Luftangriff zerstört worden. Dabei wurde auch ein anderer Zug mit 514 Häftlingen aus dem KZ Buchenwald getroffen. Aufgrund dieser Zerstörung wurden Züge von Deggendorf auf dem Nebengleis über Eging und Kalteneck nach Passau geleitet. Am 18. April erreichte der KZ-Zug Deggendorf. Es gab dort die ganze Nacht über Schüsse.
Ebenfalls am 18. April ist der Passauer Bahnhof bombardiert worden. Daher wurde am 19. April ein Wehrmachtszug mit Eisenbahnpionieren von Deggendorf über die Nebenstrecke nach Passau zur Reparatur der Gleise geschickt. Bei einem dieser Transporte haben jedoch die Bremsen versagt und er ist bei Witzmannsberg nachmittags oder abends die Böschung hinabgestürzt – und blockierte die Strecke für mehrere Tage. Wahrscheinlich hatte dieser Zug den KZ-Zug auf der Strecke überholt.
Massaker in Pankofen mit 88 Opfern
In Deggendorf standen noch weitere Züge mit KZ-Häftlingen. Ein Zug, der ebenfalls aus dem KZ Buchenwald stammte und zum KZ Dachau fahren sollte, blieb zwei Tage dort. Dieser Transport war wohl kürzer als sein Nammeriner Pendant. Er fuhr dann bis kurz vor Plattling. Dort mussten alle aussteigen, bis Otzing laufen und wurden dann in einem dort bereitstehenden Zug steigen, der bereits 15 Tote mit nach Deggendorf gebracht hatte.
Die Anzahl der Toten, die in Deggendorf beerdigt worden sind, stieg noch auf über 30. Zwei weitere Züge, es waren SS-Bauzüge mit KZ-Häftlingen, kamen am 19. April in Deggendorf an. Sie fuhren nahe an den Bahnhof Plattling heran, um dort die Gleise instand zu setzen. Beide Eisenbahnen fuhren mehrmals wieder nach Deggendorf, um dort Wasser zu fassen. In Pankofen wurde am 20. April ein Massaker verübt und 88 Leichen vergraben.
Hog’n-Gastbeitrag von Toni Schuberl
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„Das Blut rann durch den Holzboden und am nächsten Tag wurden die Verwundeten erschossen oder erschlagen“ – im zweiten Teil dieser kleinen Hog’n-Serie ist der Aufenthalt des Todeszuges in Nammering Thema…