Bad Füssing. Ein hohes Maß an Resilienz, Kreativität und Engagement war in den vergangenen fünf Jahren gefragt, um die Krisen – hervorgerufen etwa durch die Corona-Pandemie und den Angriffskrieg auf die Ukraine – zu bewältigen und die Haushaltslage der fünf Heil- und Thermalbäder zu stabilisieren. Trotz eines prognostizierten Gesamtdefizits von 11,31 Millionen Euro in 2024 zogen die Verantwortlichen bei den Sitzungen der Bäderzweckverbände Bad Füssing, Bad Birnbach, Bad Griesbach, Bad Abbach und Bad Gögging eine verhalten optimistische Bilanz, wie einer Pressemitteilung zu entnehmen ist.

Zu den größten Herausforderungen würden die Kostensteigerungen bei Energie und Personal zählen. Alleine die Kosten zu reduzieren, sei jedoch nicht ausreichend, um eine „schwarze Null“ zu schreiben, wie Franz Altmannsperger, Geschäftsführer der Niederbayerischen Thermengemeinschaft, die Situation beschreibt. Auf der Haben-Seite stehe die strategische Neuausrichtung, die 2020 gestartet wurde und die inzwischen Früchte trage.
Um die vielen Herausforderungen weiß auch Bad Füssings Kur- und Tourismusmanagerin Daniela Leipelt. Im folgenden Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n blickt sie noch einmal auf die eher schwierige Anfangsphase in einem der größten Kurorte Europas zurück, betont die künftige Bedeutung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Tourismus und beantwortet die Frage, wo der „Füssinger Schuh“ derzeit drückt:
„Corona hat vieles verändert“
Frau Leipelt: Unser letztes Interview ist fast vier Jahre her. Damals herrschte große Verunsicherung aufgrund der Corona-Krise. Und Sie sind frisch nach Bad Füssing gekommen als neue Tourismusmanagerin. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit zurück?
Die Anfangszeit war für mich persönlich sehr herausfordernd. Ich kam im April 2021 bei bestem Wetter in einen nahezu menschenleeren Kurort. Der Kontrast zwischen der idyllischen Kulisse und der pandemiebedingten Stille war beklemmend. Gerade zu Beginn einer neuen Aufgabe wünscht man sich doch einen lebendigen Kurort und einen guten Austausch mit Gästen und Partnern – stattdessen war Bad Füssing wie ausgebremst. Die Corona-Pandemie und die langen Phasen der Lockdowns hat vieles im Tourismus verändert, insbesondere im Bereich der Digitalisierung: Der Tourismus hat hier einen großen Sprung nach Vorne gemacht und vieles ist inzwischen etabliert.

Hat man in Bad Füssing das Gefühl, dass sich der Tourismus nach Corona wieder dahin entwickelt hat, wo er vor Corona stand? Ist man wieder auf gleichem Level angekommen?
Wir haben erfreuliche Entwicklungen, sind jedoch noch nicht ganz auf dem Vor-Corona-Niveau. Die Übernachtungszahlen überstiegen 2024 wieder die Zwei-Millionen-Marke, dennoch wünschen wir uns eine stärkere Steigerung. Positiv ist die wachsende Zahl an Gästeankünften – das zeigt, dass sich unsere Gästestruktur verändert: Wir sehen vermehrt Wellness- und Gesundheitstouristen, viele davon jünger als früher. Unsere Herausforderung liegt nun darin, aus diesen neuen Gästen nun wieder Widerholungsgäste und Stammgäste zu machen und eine moderne und jüngere Community rund um Bad Füssing aufzubauen.
„KI als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit“
Der Bad Füssinger Tourismustag fand vor Kurzem im Großen Kurhaus statt. Wesentliches Thema dabei war auch die Künstliche Intelligenz in der Tourismusbranche. Wie wichtig ist die KI für den Kurort Bad Füssing?
Tatsächlich ist die Zahl der klassischen Stammgäste weiter rückläufig. Das erfordert neue Ansätze zur Gästebindung, insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Wir setzen daher auch viele neue Marketingstrategien und Digitalkampagnen um und planen einen umfassenden Website-Relaunch. Ziel ist es, entlang der Customer Journey die Bedürfnisse unserer Gäste noch besser zu erkennen und gemeinsam mit unseren Leistungsträgern maßgeschneiderte Angebote entlang der Kundenreise zu entwickeln. Letztere sind vor Ort oft näher am Gast als wir – diesen Vorteil möchten wir künftig gezielter nutzen.

Es zeigt sich aber auch, dass die Tourist-Information trotz Digitalisierung ein wichtiger Anlaufpunkt für die Gäste vor Ort bleibt. Vor allem Erstbesucher suchen wieder aktiv und verstärkt den persönlichen Kontakt und schätzen die Beratung vor Ort. Gleichzeitig sehen wir den Bedarf an digitalen Helfern – etwa Chatbots oder Reiseassistenten – um häufige Fragen bereits im Vorfeld zu beantworten und Buchungsbarrieren abzubauen.
Ein aktuelles Thema war auch Künstliche Intelligenz. Wie wichtig ist KI für Bad Füssing?
KI ist aus unserer Sicht ein Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit im Tourismus. Sie ermöglicht personalisierte Gästebetreuung, effizientere Prozesse und innovative Produktentwicklungen. Wir arbeiten aktiv mit der Persona-Methode, um unsere Zielgruppen präziser zu verstehen. Aktuell setzen wir vier unterschiedliche Persona-Typen ein und bieten dazu im Rahmen unsere Tourismustages 2025 Workshops und Kooperationsmöglichkeiten für unsere Gastgeber und Leistungsträger an.
„Das WIR-Gefühl ist spürbar“
Fühlen Sie sich persönlich mittlerweile angekommen in Bad Füssing und in ihrer Position?
Ja, absolut. Ich fühle mich sehr wohl in Bad Füssing – sowohl beruflich als auch persönlich. Ich habe hier ein engagiertes, kompetentes Team im Kur- & GästeService an meiner Seite, mit dem die Zusammenarbeit große Freude macht. Auch der Austausch mit dem Bürgermeister, dem Gemeinderat und unseren touristischen Partnern ist von Vertrauen, Offenheit und einer gemeinsamen Zielorientierung geprägt. Das ist nicht selbstverständlich und eine wichtige Grundlage für nachhaltige Entwicklung.

Insgesamt habe ich das Gefühl, angekommen zu sein und aktiv gestalten zu können – genau das ist mir wichtig. Bad Füssing ist ein bekannter und besonderer Ort mit weiterhin großem Potenzial als moderne Gesundheitsdestination. Es erfüllt mich mit Stolz und Verantwortung, diesen Weg als Kur- und Tourismusmanagerin mitgestalten zu dürfen.
Sie hatten damals gesagt, dass das WIR im Vordergrund stehen und die der Schlüssel für die weitere Entwicklung sei. Wie stark ist das WIR-Gefühl derzeit in Bad Füssing?
In einem großen Kurort wie Bad Füssing ist es nicht einfach, alle Betriebe gleich stark zu erreichen. Doch viele Unternehmen sind offen für Kooperationen und gemeinsame Kampagnen. Das WIR-Gefühl ist spürbar. Es freut mich, dass wir als neues Projekt unser neuen Image-Magazin herausgeben konnten, in dem wir lokale Persönlichkeiten und Betriebe durch Storytelling für den Gast und Leser sichtbar machen konnten.
„Als Heilbad haben wir hohe laufende Kosten“
Ganz offen gefragt: Wo drückt der Bad Füssinger Schuh derzeit? Oder läuft eh alles perfekt?
Perfekt ist natürlich nichts – es gibt immer Optimierungspotenzial. Eine wichtige Voraussetzung für unsere Arbeit bleibt ein stabiler Etat und die politische Rückendeckung durch den Gemeinderat. Als traditionsreicher Kurort tragen wir zudem eine besondere Verantwortung für die Gäste und Einheimischen: Viele kurortspezifische Leistungen verursachen aber auch hohe Kosten, die wir dauerhaft stemmen müssen. Die stabilen finanzielle Rahmenbedingungen sind wichtige Grundlage. Als Heilbad haben wir hohe laufende Kosten – von der Erhaltung und Weiterentwicklung der Infrastruktur bis hin zu den Betriebskosten zur Sicherung der kurortspezifischen Angebote.

Stichwort „Ausbau des Füssinger Radsektors“: Was hat sich hier getan?
Einige Radwege sind derzeit durch den Bau der A94 stark beeinträchtigt, insbesondere die Radwege Richtung Pocking und Kirchham Hier stehen wir mit den zuständigen Stellen bereits im Dialog, um alternative Routen und neue Routen zu entwickeln. Sobald neue Wege festgelegt sind, werden wir auch eine überarbeitete Radkarte veröffentlichen.
Wie schafft man es, die jüngere Zielgruppe nach Bad Füssing zu locken? Welche Ideen gibt es?
Wir arbeiten hier an der Seite des Bayerischen Heilbäderverbandes e.V. an neuen und innovativen Produktideen nach einem 3-stufigen Aufbau, je nach Intensität der Heilmittelanwendung. Unter der Dachmarke „Gesundes Bayern“ entstehen so auch neue buchbare Schnupperangebote für gesundheitsaffine Gäste zu entwickeln und damit niedrigschwellige Angebote in den Baukasten aufzunehmen. Es ist sehr wichtig, hierbei auch neue innovative Ansätze für jüngere Gästegruppen zu verfolgen.
Verbindung der Heilkraft von Wald und Wasser
Besonders spannend ist auch das europäische Interreg-Projekt „WiWa²“ – es verbindet die Heilkraft von Wald und Wasser. Bad Füssing ist einer der drei Pilotorte/Regionen. Am 6. Mai veranstalten wir hierzu einen Workshop für unsere Betriebe.

Besonders für junge Gästegruppen ab 30Plus sind die Themen Gesundheit und Work-Life-Balance, Nachhaltigkeit und selbstbestimmte Auszeiten immer wichtiger, dies belegen auch aktuelle Studien. Dem Wunsch nach einem gesunden Lebensstil kommen unsere Angebote in den Kurorten sehr entgegen – etwa mit sanften Gesundheitsprogrammen in der Natur.
Vom 27. April bis 13. Mai finden in Bad Füssing die „Aktiv-Wochen“ statt, in deren Rahmen eine Vielzahl an Gesundheits- und Aktivprogrammen für alle, die Spaß und Freude an gesunder Bewegung haben, angeboten werden. Was genau erwartet die Kurgäste da?
Wir möchten den Frühling aktiv begrüßen – mit Outdoor-Yoga, Waldgesundheitsangeboten und Bewegungsprogrammen in Kombination mit unserem Heilwasser. Es geht darum, Körper und Geist nach dem Winter zu aktivieren – sanft, gesund und naturnah.
„Verstehen uns als Initiator und Kümmerer“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft Bad Füssings, Frau Leipelt?
Ich wünsche mir weiterhin ein starkes Miteinander – sowohl im Team als auch mit unseren Partnern im Kurort Bad Füssing. Nur gemeinsam können wir Bad Füssing als moderne Gesundheitsdestination erfolgreich weiterentwickeln.
Unsere Aufgabe als Kur- und GästeService ist heute nicht mehr nur ein reines Destinationsmarketing, sondern inzwischen ein aktives Destinationsmanagement. Dabei verstehen wir uns als Initiator und Kümmerer, der die touristische Entwicklung unseres Kurortes Bad Füssing vorausschauend mitgestaltet und voranbringt. Dies ist eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Interview: Stephan Hörhammer