Bayerisch Eisenstein. Die Seebachhütte an der Einmündung des Arberseebachs (daher auch der Name) wurde 1790 durch Franz Ignaz von Hafenbrädl gegründet – als klassische Glashütte, die Rohglas produzierte. Im Laufe der Jahrzehnte kamen mehrere Hüttenhäuser hinzu. 1814 begann der Bau der Seebachschleife durch den Glasfabrikanten Wilhelm Abele. Er hatte den Grund von seinem Schwager Franz Ignaz von Hafenbrädl jun. geschenkt bekommen. Abele wollte sich die Wasserkraft zunutze machen, um die in der Glashütte Ludwigsthal hergestellten übergroßen Spiegeltafeln zu schleifen und zu polieren.

Rund 200 Jahre später erwarb Familie Pfeffer aus Großloitzenried schließlich das Wasserkraftwerk – und die Seebachschleife, die mittlerweile sehr baufällig geworden war, gab es quasi mit dazu. 2012 begann man mit Hilfe von Fördermitteln das Gebäude zu sanieren. Tragwerk, Außenhülle, Statik und Dach waren die wichtigsten Maßnahmen zu Beginn. Außerdem investierte die Familie in die Modernisierung und Optimierung der Stromgewinnung. Heute betreiben Christoph und Michael Pfeffer das Kraftwerk.
Eisenstein ist bilanziell überversorgt
Zehnmal so viel Strom wie zuvor wird aktuell von der Anlage produziert, während sich im gleichen Zeitraum der Fischbestand verdreifacht hat. Sie ist ein Musterbeispiel dafür, dass sich die Nutzung von Gewässern für die Energiegewinnung und die Fischökologie durchaus in Einklang bringen lassen – was gerade vor dem Hintergrund der Energiewende, bei der es alle Ressourcen zu nutzen gilt, ein vieldiskutiertes Thema in der Region ist. Die Seebachschleife zeigt, welches Potential auch in kleinen Anlagen schlummert.
Als der Standort für das Glasschleifen aufgegeben wurde, sorgte bereits in den 30er-Jahren das Kraftwerk für CO2-freien Strom. „Aus der Not heraus“, wie Pfeffer erklärt, „da es früher im Bayerischen Wald noch keine Fernleitungen gab und die Wasserkraft aus der Seebachschleife für die Versorgung von Bayerisch Eisenstein gebraucht wurde.“ Heute noch sei die Gemeinde allein mit ihren Wasserkräften bilanziell sogar um über 30 Prozent mit Strom überversorgt. „Wenn man nur den Haushaltsstrom bilanziell betrachten würde, könnte die lokale Wasserkraft das Gemeindegebiet sogar mehr als dreifach versorgen“, erläutert der 42-Jährige. „Als wir die Anlage übernommen haben, hatte sie nach fast 70 Jahren Laufzeit noch eine Leistung von ca. 60 Kilowatt, heute sind es in der Spitze beinahe 1.000 Kilowatt.“

Geschafft hat man diese enorme Leistungssteigerung aber nicht mit neuen Querbauwerken im Gewässer (die für die Fische problematisch sein könnten), sondern durch konsequente Nachrüstung und Erweiterung der vorhandenen Anlage, durch verschiedene technische Optimierungsmaßnahmen sowie die Verwendung zusätzlicher Wassermengen und Gefällestufen. Mehr als 700 kW stammen dabei allein aus der Nutzung des Arberseebachs. Vom Überlauf am Großen Arbersee fließt seit dem Bau in den Jahren 2013/2014 das abgeleitete Wasser durch eine in der Forststraße verlegte Druckrohrleitung 3,5 Kilometer und 300 Höhenmeter abwärts ins Tal.
Die Anlage erfüllt dabei auch ökologisch höchste Ansprüche: Zum Beispiel wurde ein spezieller Fischschutzrechen eingebaut. Auch die Mindestwassermenge wurde ausreichend bemessen und liegt im Bereich des mittleren Niedrigwasserabflusses. Im Zuge des Umbaus wurde zudem die alte Wehrstelle im unteren Bereich des Arberseebaches und die dort angeschlossene Wasserentnahmestelle rückgebaut und renaturiert. Das bei der Genehmigung geforderte Fischmonitoring ergab, dass sich der Fischbestand im Arberseebach seit der geänderten Wasserkraftnutzung sogar deutlich verbessert hat. „Der Bestand an Bachforellen hat sich verdreifacht und die Mühlkoppe, die es davor im Arberseebach nicht mehr gab, kam sogar wieder zurück und bildet heute eine stabile Population“, weiß Pfeffer und fügt hinzu: „Die ökologischen Maßnahmen und Vorkehrungen greifen. Wasserkraft muss also nicht per se fischschädigend sein.“
Sehr komplexes Genehmigungsverfahren
Obwohl der Umbau der Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energiequellen eilt, sind gerade bei der Wasserkraftnutzung die Genehmigungsverfahren sehr komplex und zeitintensiv. Wasserkraft versus Gewässerschutz ähnelt in Bayern einem ewigen Kampf, der sich in den vergangenen Jahrzehnten noch verschärft hat. Jene Komplexität von Wasserrechtsverfahren kennt Christoph Pfeffer gut. Denn er betreibt nicht nur selbst einige Wasserkraftwerke im Landkreis Regen, sondern berät mit seinem Ingenieurbüro für Energie- und Umwelttechnik auch andere Anlagenbetreiber.

„Wasserkraft gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als ausgeschöpft, was aber nicht stimmt. Wasserkraft könnte noch viel mehr“, ist er überzeugt. In Genehmigungsverfahren zur Wasserkraftnutzung gehe es heute kaum um Technik, Energieeffizienz, Krisensicherheit oder Klimaschutz. Vielmehr steht die Frage im Mittelpunkt, wie die Gewässerökologie, wie der Fischbestand durch die Anlage negativ beeinträchtigt werden könnte. Dabei habe sich in den letzten 20 Jahren enorm viel getan: Fischschutzsysteme wurden verfeinert, Fischwanderhilfen für die Auf- und Abwärtswanderung etabliert.
Zudem wurden neue Richtlinien für die Mindestwasserführung erarbeitet. „All diese Punkte sind wichtig und richtig, aber es braucht keine weitere Verschärfung mehr – und vor allem braucht es deutlich weniger Bürokratie und Formalismus, sondern ein konstruktives Miteinander in den Genehmigungsverfahren, bei dem nach Lösungen gesucht wird und nicht nach Verhinderungsgründen“, betont Pfeffer, der durch seine Planungstätigkeit zahlreiche Beispiele von Genehmigungsverfahren in ganz Bayern kennt und dabei insbesondere die Verfahrensdauer von rund zehn Jahren sowie die enorme Bringschuld für ökologische Individualgutachten für die Antragsteller kritisiert, mit Nachdruck.
Vorteile der Wasserkraft
Wasserkraft biete große Vorteile gegenüber anderen Techniken, wie etwa die bedarfsgerechte Stromerzeugung, sprich: die Erzeugen von Energie zu dem Zeitpunkt, an dem sie gebraucht wird: „In den vergangenen Jahrzehnten ging man den bequemen Weg und ließ die Anlagen einfach dauerhaft laufen. Regelenergie war Sache der Großanlagen. Gerade die Wasserkraft würde sich aber flächendeckend als riesiger dezentraler Energiespeicher eignen“, zählt Pfeffer auf. Derzeit sei der dabei unter bestimmten Umständen auftretende „Schwallbetrieb“ jedoch rechtlich verboten.

Dass diese Form der Energiespeicherung aber nicht immer problematisch sein muss, zeigt Pfeffer an einem Beispiel auf: 800 Meter vor dem Kraftwerk Seebachschleife wird durch einen Triebwerkskanal Wasser vom Großen Regen abgezweigt und darin mit ganzjährig exakt gleichem Wasserpegel zur Anlage geführt.
„Dieser Kanal ist quasi ein Speicherbecken. Man könnte darin geringfügig aufstauen und allmählich Wasser sammeln – was ökologisch relativ unbedenklich ist, schließlich hat ein Platzregen in einem natürlichen Gewässer vielfach im Jahr denselben Effekt – und dann erst z.B. am Montagmorgen, wenn die Industrieproduktion beginnt und mehr Strom gebraucht wird als am Sonntagnachmittag, durch die Turbinen leiten, um bedarfsgerecht zu produzieren. Natürlich muss es für so einen Betrieb auch Regeln und Standards geben, um schädliche Umweltauswirkungen zu vermeiden. Aber der Diskussion einer solchen Nutzung sollten wir uns heute nicht mehr verschließen und stattdessen nach Standorten suchen, an denen ein solcher Betrieb geringe Auswirkungen auf die Umwelt hat.“
Kombination aus PV und Wasser
Gerade auch die Kombination aus Photovoltaik und Wasserkraft als Energiespeicher sei sinnvoll – und beides könnte auch noch mit Hochwasserschutz kombiniert werden, indem man sogenannte Retentionsbecken geschickt in Wasserkraftanlagen als Energiespeicher einbindet. Der Vorteil: Solche kleineren Maßnahmen sind viel schneller umsetzbar als riesige Pumpspeicheranlagen. Und auch die Eingriffe wären minimal. „Es braucht für eine bedarfsgerechte Energiebereitstellung an vielen Anlagen – insbesondere bei Hochdruckanlagen – gar keine zusätzlichen Eingriffe in die Natur, weil die Strukturen schon da sind und mitgenutzt werden können. Wenn ich dürfte, könnte ich mit einer bedarfsgerechten Energielieferung morgen beginnen“, sagt der Umweltingenieur und Kraftwerksbetreiber.

Gerade vor dem Hintergrund befürchteter Energieengpässe bei Dunkelflauten (wenn im Winter wenig Sonne scheint), lägen die Vorteile von Wasserkraft auf der Hand: Wasserkraft ist über ganz Bayern dezentral verteilt vorhanden und oft noch schwarzstartfähig, wodurch sie bei einem Netzausfall schnell eigenständig hochgefahren werden oder unabhängig von Fremdenergiezufuhr dauerhaft weiterlaufen kann. Viele Anlagen sind heute noch inselfähig oder können für einen Inselbetrieb rasch nachgerüstet werden. Das heißt, sie wären in der Lage sich – wie es früher ohnehin oft der Fall war – vom großen Stromverbundnetz abzukoppeln und kleinteilige Netze oder wichtige Infrastruktur vor Ort weiter zu versorgen.
Außerdem kann Wasserkraft bestimmte Netzdienstleistungen wie Blindleistung, gesicherte Leistung oder Momentanreserve vorhalten, welche andere Erneuerbare Energien wie die Photovoltaik oder die Windkraft wegen des naturbedingt deutlich mehr wechselnden Energiedargebots nicht jederzeit leisten können. „Aktuell können nach den Zahlen aus dem Energieatlas Bayern mit Strom aus Wasserkraft bilanziell etwa 89 Prozent der bayerischen Haushalte versorgt werden. Wasserkraft kann somit noch heute kontinuierlich eine Basisversorgung liefern und in Krisenzeiten zumindest eine Notversorgung der Bevölkerung sicherstellen“, erklärt Pfeffer. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien schreitet voran. Doch weil die Sonne eben nicht das ganze Jahr über kontinuierlich scheint, braucht es künftig noch mehr Möglichkeiten, um die Energie zu speichern und sie netzdienlich dann abzugeben, wenn sie gebraucht wird.
Zukunft: Energiemix und Speicherung
Da die natürlichen Ressourcen in Schleswig-Holstein ganz andere sind als im Bayerischen Wald, macht es auch Sinn, die natürlichen Gegebenheiten vor Ort stärker zu nutzen und einen sinnvollen Mix aus verschiedenen Energiequellen anzuwenden. Gerade der wasserreiche Bayerische Wald mit seinen großen Höhenunterschieden könnte als Energiespeicher in Zukunft dabei eine besondere Rolle spielen.
Etwa durch Genossenschaftsmodelle kann es dann gelingen, die Bevölkerung an dieser Entwicklung auch ökonomisch zu beteiligen. So könnte aus dem Bayerischen Wald eine Gewinner-Region der Zukunft werden – denn dass die Energieversorgung immer stärker zum zentralen Thema und Standortfaktor werden wird, liegt auf der Hand.
Manuela Lang
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Eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischer Wald-Verein, dem Verein für Heimat- und Volkstumspflege, Kulturarbeit, Natur- und Landschaftsschutz sowie Wandern im Bayerischen Wald, der auch für das Projekt „WanderKultur“ verantwortlich zeichnet.
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