Viechtach. Wenn dich das Kinofieber packt, lässt es dich nie mehr los. Diesen Satz sagte einst ein Kinokollege zu Melanie Reil. Und was ihr damals noch befremdlich erschien, kann sie heute nur bestätigen. In ihr Kino steckt sie Leidenschaft und Herzblut – auch wenn Filmtheater in Zeiten von Netflix & Co sowie Corona-Nachwehen einen schweren Stand haben. Also sind Mut und Kreativität der Kinobetreiber gefragt, um das Publikum in die Filmsäle zu locken. Eine, der das gelingt, ist Melanie Reil, die 2024 ihr zehnjähriges „Bühnenjubiläum“ feierte.

Melanie Reil ist glücklich, mit dem Kino im Herzen von Viechtach ihre berufliche Bestimmung gefunden zu haben.

Ihren ursprünglichen Beruf als Bundespolizistin mit Wochenend-Diensten konnte Reil mit einem Familienleben nicht in Einklang bringen. Doch zu Hause sitzen war keine Alternative. So überlegte die umtriebige Mama, wie sie sich beruflich neu definieren könnte. Schließlich ergab sich Ostern 2014 aufgrund eines tragischen Todesfalls die Gelegenheit: Der Sohn von Elisabeth Pittasch, Betreiberin der „Neue Post Lichtspieleseit 1934, starb. Um den Fortbestand des Kinos zu sichern, wandte sich die damals 90-jährige Pittasch an Viechtachs Bürgermeister. Und so kam eins zum anderen: Im Sommer 2014 übernahm Melanie Reil als neue Pächterin das Kino, das sie bereits im November desselben Jahres wiedereröffnen konnte.

Aller Anfang ist nicht immer schwer

Ich ging schon immer gern ins Kino, aber selbst eines zu führen, war natürlich eine ganz andere Hausnummer. Ich hatte keine Ahnung, wie das funktionieren soll“, erinnert sie sich. Doch bei einigen Kollegen aus der Region fand sie tatkräftige Unterstützung. „Das Kino ist eine große Familie“, sagt die 48-Jährige.

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Das CinVit ist nicht nur ein Kino, sondern ein Ort der Begegnung.

Will man ein Kino erfolgreich in einer Kleinstadt betreiben, muss man sich schon einiges einfallen lassen, um punkten zu können. „Es war für mich klar, dass ich kein Blockbuster-Kino sein will. Dafür gibt’s andere. Mir war wichtig, Nischenfilme zu zeigen: Arthaus-Kino, großartige Filme, die jedoch aufgrund eines geringen Budgets niemals mit den Kassenknüllern mithalten könnten. Ich möchte Geschichten auf die Leinwand bringen, die berühren, die zum Lachen, Weinen und Nachdenken anregen, die Botschaften vermitteln. Und auch Themen, die weh tun, bearbeiten. Filme, die nachklingen“, beschreibt sie ihr Konzept.

Und es geht auf! Bereits seit 2015 darf sich das „CineVit„, wie es seit 2021 heißt, in die Riege von Deutschlands und Bayerns besten Filmtheatern einreihen. Selbst bei einer Google-Umfrage zu den besten Kinos der Republik landete das Filmtheater auf Platz 60 von 1.600.

Das CineVit heißt alle willkommen

Ich möchte mit meinem Kino alle Generationen und Menschen aller Art ansprechen“, sagt Reil. Dass das nicht nur leere Phrasen sind, beweist ihr Jahresprogramm. Alleinstellungsmerkmal ist, dass sie nicht nur besondere Filme zeigt, sondern es rund um den jeweiligen Film auch Veranstaltungen und Aktionen gibt. So ist ihr zum Beispiel die Benachteiligung von Frauen ein besonderes Anliegen. Der Weltfrauentag wird mit einem besonderen Film inklusive Sekt gefeiert.

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Internationale Filme gepaart mit regionalen Produkten – so macht Kino Spaß.

Der One Billion Rising Day, eine globale Initiative gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, ist ebenso ein wichtiger Termin im Kinokalender. Ein Teil der Einnahmen wird an das Frauenhaus Deggendorf und den Frauennotruf gespendet. Gerne und oft arbeitet die umtriebige Kino-Betreiberin auch mit dem Viechtacher Verein Beste Freundinnen zusammen.

Für Jung und Alt

So organisiert man gemeinsam beispielsweise eine Kleidertauschbörse oder ein Frauenfrühstück. Zum Fashion Revolution Day organisierte sie eine Modenschau mit fairer Mode in Kooperation mit den „Besten Freundinnen“, einem Viechtacher Modehaus und dem Bioladen – passende filmische Begleitung natürlich inklusive.

Für die Kleinen gibt’s das Kinder-Kino-Festival im Herbst, für Harry Potter-Fans die „HP-Party„, zu der die Zuschauer entsprechend gewandet in das dekorierte Kino kommen – ein echter Besuchermagnet. Für die Senioren läuft viermal pro Jahr der Silberstreifen: In Zusammenarbeit mit der Seniorenbeauftragten des Landratsamtes werden Kaffee und Kuchen mit einem filmischen Sahnehäubchen serviert. Eine beliebte Veranstaltung, bei der Melanie Reil und ihre Mitarbeiter zuletzt 117 Begeisterte im komplett barrierefreien CineVit begrüßen durften.

„Schenke Freude, gute Zeit und Gänsehautmomente“

Das schwere Thema Cybergrooming mit Gratis-Vorführungen für Schulklassen oder Filme für Menschen mit Behinderung in Gemeinschaft mit der lokalen Behinderteneinrichtung sind nur eine kleine Auswahl der Vielzahl an Aktionen rund ums Thema Film. „Ich schenke Freude, eine gute Zeit und Gänsehautmomente. Das ist für mich die beste Bezahlung“, sagt sie.

Zwei Kinosäle stehen für die Besucher in Viechtach bereit.

Das positive Feedback gibt ihr Recht – immer wieder hört sie von Besuchern, wie sehr sie die Kino-Oase schätzen und teilweise lange Fahrtstrecken in Kauf nehmen. Kino in Viechtach ist so viel mehr als nur Filme schauen, ist Melanie Reil überzeugt. „Es sind die unvergesslichen Momente und das Zusammenkommen von Menschen – das ist das Herzstück des CineVit.“

Blick in die Zukunft

Sie möchte ihr Kino weiterhin wie bisher führen und immer wieder neue Ideen umsetzen. Wie zuletzt eine Autorenlesung oder die beliebten Kneipen-Quizze, die von den britischen Inseln nach Deutschland herübergeschwappt sind. Allerdings bereiten ihr die staatlichen Sparmaßnahmen zunehmend Kopfschmerzen. „Die Fördergelder fürs Kino wurden schon um einiges gekürzt und wenn – wie angekündigt – zusätzliche Kürzungen erfolgen, dann mache ich mir Sorgen um das CineVit.“ Gerade jetzt, wo das Kino top renoviert und ein zweiter Saal eröffnet wurde.

Auf die Frage hin, ob die Kinobetreiberin selbst auch Lieblingsfilme habe, antwortet sie nach kurzer Überlegung wie folgt: „Da gibt’s so viele unglaublich tolle Filme, aber Stolz und Vorurteil und Top Gun: Maverick würde ich auf alle Fälle dazuzählen“, sagt sie. Und fast jeder Franzose gefällt ihr – Filme wohlgemerkt!

Melanie Zitzelsberger

(Erstveröffentlichung in: Schöner Bayerischer Wald)


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