Lindberg. Schloss Buchenau ist ein Schloss wie aus einem Märchen. Doch es dient nicht nur als Kulisse. Seine eigene Geschichte ist das eigentliche Märchen. Und die Tatsache, dass es heute noch in solcher Pracht erhalten ist, grenzt schon fast an ein Wunder. Möglich gemacht wurde dies durch großes Engagement von Menschen mit dem Herzen am rechten Fleck. Ob das Märchen vom Schloss mit Zukunft wahr wird? Das wird sich in diesem Jahr zeigen…

Es war einmal ein Schloss, das lag tief im Bayerischen Wald, am Fuße eines der fantastischsten Orte, die die Waldeinsamkeit hierzulande zu bieten hat: den Schachten. Einst erbauten es die Glashüttenherren, die durch große Kunstfertigkeit nicht nur zu Weltruhm gekommen waren, sondern auch zu Reichtum. Die gewöhnlichen Menschen konnten das Schloss nicht betreten, es wohnte ja „die Herrschaft“ darin. Und als sich die große Zeit der Glashütten im Bayerischen Wald dem Ende zuneigte, stand es zehn Jahre lang leer.
Erna Horn: erfolgreiche Schriftstellerin und Geschäftsfrau
Recht untypisch für ein Märchen, in dem meist männliche Helden die Hauptrolle spielen, war es ab 1942 eine Frau, die dem Schloss neuen Ruhm verleihen sollte: Erna Horn. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Verlagsleiter Dr. Julius Arndt, zog sie vom Chiemgau in die Waldidylle und eroberte als Fach-Schriftstellerin und erfolgreiche Geschäftsfrau den deutschen Buchmarkt. Obwohl ihr Mann wegen eines jüdischen Großvaters auf Anweisung der Nazis den Betrieb des Erna-Horn-Verlags einstellen musste, gelang seiner Frau der schriftstellerische Durchbruch.

Sie schrieb über die „Hohe Schule der Lebensart“ (1954 in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erschienen), über den „neuzeitlichen Haushalt“ (1930 erschienen, immer wieder aktualisiert; Auflage von 270.000 Exemplaren) oder über „100 bayerische Gerichte, die jeder kennen sollte“ – ein Buch, das zum 100. Geburtstag der Bayerischen Verfassung aufgelegt wurde und rund die Hälfte an Rezepten aus ihrer Feder aufweist. Kurzum: Sie war eine erfolgreiche Schriftstellerin und einflussreiche Geschäftsfrau mit einem hohen Bekanntheitsgrad in ganz Deutschland und darüber hinaus – immerhin wurden ihre insgesamt 69 Bücher drei Millionen Mal verkauft und in sechs Sprachen übersetzt.
Das Geheimnis ihres Erfolges war der professionelle Einsatz der Fotografie gepaart mit dem gekonnten Arrangement der Speisen – und Erna Horns richtiger Riecher, was die Leute (meist Frauen natürlich) an Ratschlägen zu welcher Zeit am Nötigsten brauchten. In den Hungerjahren nach dem Krieg waren die Tipps reduziert auf die verfügbaren Grundnahrungsmittel, mit zunehmendem Wohlstand wurden sie ausgefeilter und exotischer.
Das Schloss gehört dem Förderkreis
Würde Erna Horn heute noch leben, sie hätte wohl auf Instagram zehntausende Follower, würde als bekannteste Food-Bloggerin Deutschlands in Talkshows auftreten oder über den ökologischen und ökonomischen Wert von regional-saisonaler Küche referieren. Sie würde zeigen, mit wie wenig (Bürger-)Geld man ein ausgewogenes Drei-Gänge-Menü hinkriegt und wie man die Kräuter im eigenen Garten am zeitsparendsten pflegt.
Was also, wenn sie genau das tun könnte? Wäre es nicht geradezu märchenhaft, wenn man Erna Horn wieder auferstehen ließe? Im Schloss, wo ohnehin noch fast alles so ist, wie sie es 1981 nach ihrem Tod hinterlassen hat? Eine scheinbar verrückte Idee, die Dr. Roman Eder, der Vorsitzende des Förderkreises Schloss Buchenau als Erster zu formulieren wagte. Und doch sollte er damit genau ins Schwarze treffen. Naheliegend. Genial. Trifft den Zeitgeist. Des moch ma!
Schön und gut, im Märchen mag das genügen – „die Herrschaft“ hat ja das nötige Kleingeld. In der Realität im Jahr 2025, in der das Schloss aber einem Verein gehört, ist das nicht mit einem Absatz zu schaffen. Also ein kurzer Schritt zurück: Wie kam es, dass der Förderkreis das Schloss heute besitzt?
Es wurde schon vieles gemacht, aber…
„Als Dr. Julius Arndt gestorben war, hat Erna ihre beiden Angestellten, die Küchenleiterin Theresia Dengler und die Sekretärin Emilie Meislinger, adoptiert. So konnten sie das Schloss von ihr erben, denn eigene Nachkommen hatte sie nicht“, erklärt Roman Eder. Er selbst ist seit seinen Kindertagen dem Zauber des Schlosses erlegen. Als Sohn des letzten Schullehrers von Buchenau ging er hunderte Male daran vorbei. „Manchmal durfte ich sogar hinein, wenn die Herrschaft im Urlaub war und Frau Meislinger meine Mutter und mich zum Tee einlud“, erinnert sich Eder. Für die allermeisten anderen aber war es ein unereichbarer Traum, das Schloss einmal von innen zu sehen.

Die Schule wurde geschlossen, Roman Eders Familie zog weg, doch er blieb dem Schloss immer verbunden. Als auch die beiden (mittlerweile alten) Damen, die wie Erna Horn kinderlos blieben, daran dachten, wie es nach ihrem Ableben mit dem Gebäude weitergehen soll, adoptierten sie wiederum Roman Eder – und hinterließen es ihm.
„Ich selbst wollte das Schloss nicht für mich. Der Gedanke war immer, dass man es erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen muss.“ Also gründete Eder den Förderkreis Schloss Buchenau, der nun seit 2006 der Eigentümer ist. Ohne auf ein Wunder zu hoffen, gingen er und seine ihm Gleichgesinnten ans Werk und haben seither einiges bewegt: „Wir haben die freistehende Kegelbahn saniert, die ursprüngliche Auffahrt nach alten Plänen neu angelegt, den zentralen Springbrunnen wiederhergestellt, den historischen Nutzgarten neu angelegt, den Bereich vor dem Kontorhaus kultiviert und mit einem geschmiedeten Zaun versehen. Zudem haben wir die Ölheizung im Schloss durch eine Pelletsheizung ersetzt, mehrere verwahrloste Zimmer restauriert, den Innenbereich der Orangerie renoviert, im Kontorhaus das Dach erneuert, eine Toilettenanlage und eine Ferienwohnung eingebaut. Und nicht zuletzt haben wir Schloss Buchenau mit unseren Veranstaltungen zu einem kulturellen Geheimtipp im Zwieseler Winkel gemacht“, zählt er nicht ohne Stolz auf.
… eine Sanierung ist unaufschiebbar
Es war also doch noch ein männlicher Ritter im Spiel, der für den Erhalt des Schlosses unverzichtbar werden sollte. Doch ob Mann oder Frau: Die Bausubstanz ist längst in die Jahre gekommen – und nun stehen unaufschiebbare, zum Teil sehr teure Maßnahmen an. Sowohl das Schloss als auch das benachbarte Kontorhaus (das einstige Verwaltungsgebäude der Glashütte) müssen komplett ertüchtigt werden – von der Außenmauer über die Fenster bis hin zu Elektrik, Heizung und Sanitär.

Die Schätzung geht von einem Millionenbetrag aus. Wie viel genau, das kann erst beziffert werden, wenn die Voruntersuchung abgeschlossen ist, die derzeit noch läuft. Liegt eine Zahl auf dem Tisch, beginnt das Werben um Fördermittel, die jedoch maximal 90 Prozent der Investition betragen – im Idealfall, „aber ohne das geht es sowieso nicht“, wie Eder betont. Zehn Prozent Eigenanteil wird der Verein immer noch zu tragen haben. Ein enormes Risiko. Es braucht wahrlich ritterlichen Mut, um sich auf diesen Weg zu begeben. Doch vielleicht ist gerade eine gute Zeit für Helden? Zumindest für jene, die nicht aufhören zu träumen und gleichzeitig hart daran arbeiten, diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
In einem Nutzungskonzept, finanziert durch den Bezirk Niederbayern und erstellt von Heimatentwicklerin Lisa Späthe, sind diese Träume niedergeschrieben. Da wäre einmal der Traum vom Seminarhaus (im jetzigen Kontorhaus, mit vier Doppelzimmern und Nasszelle) und von der Kult(ur)küche, in der modernes Kochen mit regionalen und saisonalen Zutaten im Mittelpunkt steht und in der traditionelle bayerische, ja waldlerische Küche gelebt wird. Ein Ort, an dem der Beweis geführt wird, dass gesunde Ernährung kein Privileg der Reichen ist, sondern mit Wissen, Handwerk und natürlich eigener Arbeit zu tun hat. Ein Ort, an dem sich Menschen über das gemeinsame Essen begegnen und im Garten lernen, wie man sich ganz umsonst die Natur zum Freund und Ernährer machen kann.
Der Traum von Zukunft
Dann der Traum von einem Schloss, das aussieht wie im Märchen: im Erdgeschoss original Erna Horn aus den 50er Jahren, im ersten Stock original Poschinger mit entsprechender Einrichtung. Dazu ein bisschen klassisches Museum mit ansprechend aufbereiteten Informationen über zwei Besitzerfamilien, die von diesem unscheinbaren Dorf im Bayerischen Wald aus Großartiges und Bleibendes für ganz Deutschland und darüber hinaus erschufen.
Dann noch der Traum von einem herrlichen Biergarten bei schönem Wetter und einem Bewirtungsraum im Gewölbe des Kontorhauses bei Regenwetter – wie gut das angenommen würde, zeigt sich schon jetzt beim Kult(ur)café, das immer am ersten Wochenende im Monat jeweils Samstag und Sonntag offen hat. Es wird von Einheimischen und Wanderern begeistert angenommen.
Es geht um den Traum von Zukunft. Und einem damit einhergehenden, innovativen Marketing-Konzept mit Erna-Horn-Schürzen und Bärlauchnudeln, mit Teezeremonie und Kräuter-Yoga sowie vielen weiteren verrückt erscheinenden Ideen, die sich in Zukunft als grandios herausstellen könnten. Es geht um die Freude, die Menschen beim Anblick all des Schönen an diesem Ort empfinden. Schönes, das wie durch ein Wunder die Zeit überdauert hat.
Wird das Märchen wahr?
Andernorts, in Oberfrauenau zum Beispiel, wird noch heute dem in den 50er Jahren gesprengten Schloss nachgetrauert – zurecht, denn heute hätte es für die Region einen unschätzbaren Wert. Viel zu viel ist bereits abgerissen und unwiederbringlich verloren – für die aktuelle genauso wie für die nachfolgenden Generationen. Mit Schloss Buchenau hat man nun die Chance, ein bedeutendes Kulturgut zu bewahren und es gleichzeitig zum Zentrum einer hippen Bewegung zu machen, die sich nach Ursprünglichkeit und Extravaganz gleichermaßen sehnt.

„Wo wenn nicht hier?“ oder „Wann, wenn nicht jetzt“ lauten die Aussagen der vielen Unterstützer. Darunter etwa der niederbayerische Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, der Regener Kulturbeauftragte Roland Pongratz sowie Christian Loibl, der Behördenleiter und stv. Bereichsleiter Landwirtschaft am Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten in Regen.
Ob das Märchen vom Märchenschloss in Zukunft wahr werden wird, muss sich erst zeigen. Sicher aber ist, dass es nur geht, wenn sich nicht nur die wenigen Mitglieder des Förderkreises engagieren, sondern viele mehr. „Für mich ist der Förderverein des Falkenstein-Schutzhauses ein großes Vorbild. Hier wurde mit vielen kleinen Spendenbeträgen erreicht, den Eigenanteil zu stemmen“, sagt Roman Eder. Sobald klar ist, wie es weitergeht und welche Summe man braucht, will er in die Offensive gehen und um Spenden werben.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Schloss Buchenau soll ein Ort für die Gemeinschaft, ein „Schloss des Volkes“ werden. „Und wenn sie nicht gestorben sind...“ so heißt es im klassischen Märchen am Schluss. Sterben kann das Schloss nicht, wohl aber verfallen. Und im besten Falle weiterleben – damit auch die nächste Waidler-Generation darauf stolz sein kann.
Manuela Lang
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Eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischer Wald-Verein, dem Verein für Heimat- und Volkstumspflege, Kulturarbeit, Natur- und Landschaftsschutz sowie Wandern im Bayerischen Wald, der auch für das Projekt „WanderKultur“ verantwortlich zeichnet.