Hohenau. Erst vor Kurzem hat sie das neueste Abstrich-Ergebnis von ihrem Frauenarzt mitgeteilt bekommen. „Leider nach wie vor keine Besserung“, kommentiert Birgit Weinert das Resultat ernüchtert. Der neuerliche Gang ins Klinikum Passau in ein paar Wochen, bei dem überprüft wird, wie weit die Zellveränderung fortgeschritten ist, bleibt der 46-Jährigen somit nicht erspart.
„Sie dringen in die Haut oder Schleimhaut ein“
Im Alter von 22 Jahren hat die heute in Saulorn in der Gemeinde Hohenau beheimatete Frau zum ersten Mal die Diagnose einer HPV-Infektion erhalten. Die Abkürzung steht für Humane Papillomviren.

Birgit Weinert während eines Klinik-Aufenthalts mit ihrem Mann Frederik, der ihr unterstützend zur Seite steht. Fotos: Weinert
„Das sind Krankheitserreger, die Entzündungen und Hautveränderungen hervorrufen können“, weiß Birgit Weinert und ergänzt: „Sie dringen in die Haut oder Schleimhaut ein – vermutlich durch Mikro-Risse – und vermehren sich dort im Inneren der Zellen. Humane Papillomviren sind weltweit die häufigsten durch Intimkontakte übertragbaren Viren.“ Und – was viele nicht wissen – sie können Krebs auslösen.
Als unmittelbar Betroffene, die bis heute mit den Folgen der HPV-Infektion zu kämpfen hat, ist es der Justizfachwirtin am Amtsgericht ein großes Anliegen, Menschen über HPV und mögliche Krebserkrankungen aufzuklären und sie dafür zu sensibilisieren. Dies hat sie unter anderem in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Krebsgesellschaft, für die sie als „HPV-Botschafterin“ im vergangenen Sommer eine Mini-Serie zum Thema in den Sozialen Medien startete und der Initiative entschiedengegenkrebs.de bereits gemacht.
Im folgenden Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n informiert Birgit Weinert über die Virus-Infektion, spricht über die persönlichen Folgen, mit denen sie sich bis heute konfrontiert sieht und erklärt, warum HPV als gesellschaftliches Tabu-Thema gilt.
„Ich hatte keinerlei Symptome oder Beschwerden“
Frau Weinert: Sie sind von HPV betroffen – wie fing dies alles bei Ihnen an?
Bei mir liegt eine persistierende HPV-Infektion mit High-Risk-HPV-Typen vor, das heißt: Die Infektion besteht dauerhaft fort, kann zu Zellveränderungen führen und trägt ein hohes Risiko für eine Karzinom-Entstehung.

Als HPV-Betroffener ist es Birgit Weinert besonders wichtig, auf die Möglichkeit zur Krebsfrüherkennung hinzuweisen.
Festgestellt wurde die Infektion bei mir eher zufällig durch eine Routine-Vorsorgeuntersuchung während meiner ersten Schwangerschaft 2001. Ich hatte keinerlei Symptome oder Beschwerden – und auch auf meine Schwangerschaft hatte es keinerlei Einfluss. Mir wurde damals nicht gesagt, dass es Krebs auslösen könnte. Lediglich die Möglichkeit von Viruswarzen wurde erwähnt, von denen ich aber verschont blieb. Und da ich in einer festen Beziehung war, machte ich mir weiter keine Gedanken.
2011 dann, im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt, wurde bei mir ein sogenannter Pap-III-D-Befund, eine Zellveränderung, festgestellt. Nach einem Jahr Kontrolle und keiner Besserung folgte meine erste Konisation, also eine OP, bei der ein Gewebekegel aus dem Gebärmutterhals entfernt wird. Das Gewebe wurde „im Guten entfernt“ und es hieß, ich sei sozusagen „geheilt“.
Wer ist für HPV besonders anfällig?
Am häufigsten tritt eine HPV-Infektion bei jungen und sexuell aktiven Menschen bis 25 Jahren auf. Gerade Rauchen kann das Risiko einer anhaltenden Infektion erhöhen. Fakt ist: Fast jeder Mensch infiziert sich im Laufe seines Lebens mindestens einmal mit HPV. Obwohl Frauen öfter erkranken, sind heutzutage auch immer mehr Männer betroffen.
„Deshalb sollte man nicht gleich in Panik verfallen“
Wie kann man sich überhaupt infizieren?
Humane Papillomviren werden über den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Die Ansteckung erfolgt über Haut- und Schleimhautkontakt. Dies geschieht in erster Linie durch intime Haut- und sehr enge Körperkontakte. In seltenen Fällen kann HPV auch durch eine Schmierinfektion – z.B. durch Kontakt mit Toiletten, Handtüchern – übertragen werden.
Und wie kann man sich vor einer Infektion schützen?
Den bestmöglichen Schutz vor einer Infektion bietet die HPV-Impfung. Die Ständige Impfkommission, kurz: STIKO, empfiehlt die Impfung im Alter von 9 bis 14 Jahren seit 2007 für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen. Aber auch bei Erwachsenen kann eine Impfung individuell noch sinnvoll sein, um bestimmten HPV-assoziierten Krankheiten vorzubeugen.

Bei der Infoveranstaltung im Haus der Generationen in Passau (v.l.): HPV-Botschafterin Birgit Weinert, Psycho-Onkologin und Leiterin der Krebsberatungsstelle Passau Martina Oswald und Ärztin Dr. Emese Balogh. Foto: Krebsberatungsstelle Passau
Wie wahrscheinlich ist es, dass sich aus einer Infektion ein Krebserkrankung entwickelt?
Nur weil der HPV-Test positiv ausgefallen ist, bedeutet das nicht, dass man an Krebs erkranken wird. Deshalb sollte man nicht gleich in Panik verfallen, aber man darf es auch nicht bagatellisieren, denn HPV ist tückisch und fies. Überwiegend verlaufen Infektionen relativ harmlos. Betroffene wissen daher oft gar nicht, dass sie eine HPV-Infektion haben.
Meist ist das körpereigene Immunsystem stark genug, um das Virus erfolgreich zu bekämpfen, und die Infektion heilt innerhalb eines Jahres ohne gesundheitliche Probleme wieder ab. Es sind mehr als 200 verschiedene HPV-Typen bekannt. Derzeit werden von der WHO etwa zwölf Typen sicher als Hochrisiko-Typen für Krebs eingeordnet. Bei einer anhaltenden Infektion mit diesen können sich über viele Jahre bestimmte Dysplasien, also Krebsvorstufen, oder Krebsarten entwickeln. Zu den häufigsten durch HPV ausgelösten Krebserkrankungen gehören Gebärmutterhalskrebs, Scheidenkrebs, Analkrebs, Mund- und Rachenkrebs sowie Peniskarzinome.
„Zum einen hat es mit Unwissenheit zu tun“
Mit welchen Folgen haben Sie persönlich bis heute zu kämpfen?
Ich hatte im April 2024 bereits meine zweite OP, weil wieder Zellveränderungen und erneut eine höchstgradige Krebsvorstufe bei mir festgestellt wurden. Ohne Behandlung würde sich dies sehr wahrscheinlich zu Gebärmutterhalskrebs entwickeln. Das Ergebnis der ersten Abstrichkontrolle nach der OP beim Frauenarzt im September war dann niederschmetternd, denn die Zellveränderungen sind erneut zurück. Deshalb werde ich nun engmaschig kontrolliert – und wenn keine Besserung eintritt, sollte über die Entfernung der Gebärmutter nachgedacht werden.

„Ich bin leidenschaftliche Natur- und Sonnenuntergangs-Fotografin“: Birgit Weinerts Hobbys helfen ihr dabei, mentale Stärke gegen die HPV-Betroffenheit zu entwickeln.
Natürlich stellt diese Situation auch eine psychische Belastung dar. Ich versuche deshalb größtmöglich mein Immunsystem zu stärken durch gesunde Ernährung, frische Luft und Bewegung, Fitness und Yoga, Vitamin D etc. – und mich durch meine Hobbys abzulenken und mental zu stärken. Ich bin leidenschaftliche Natur- und Sonnenuntergangsfotografin, besuche Rockkonzerte und habe meine Freude an Komparserie und Modeln entdeckt. Eine große Stütze ist natürlich auch mein Mann, der mir bei all dem immer zur Seite steht.
Warum gilt das Thema HPV Ihrer Meinung nach (immer noch) als gesellschaftliches Tabu-Thema?
Zum einen hat es mit Unwissenheit zu tun. Viele Menschen wissen gar nicht, was das Virus eigentlich ist, wie gefährlich es sein kann oder dass es nicht nur Frauensache ist. Es mangelt an Aufklärung über die Entstehung, Gefahr und Vermeidung einer Infektion. Zum anderen handelt es sich um Viren, die durch Intimität übertragen werden. Bei Betroffenen herrscht Scham, darüber zu sprechen. Frauen haben Angst als „leichtes Mädchen“ abgestempelt zu werden. Das trifft aber keinesfalls zu. Eine HPV-Infektion kann auch in einer langjährigen Partnerschaft festgestellt werden, denn die Ansteckung kann bereits lange, teilweise Jahre her sein, bevor etwa der sogenannte Pap-Abstrich auffällig wird bzw. kann das Virus lange latent im Körper schlummern.
„Wünsche mir mehr Raum in der Öffentlichkeit“
Sie setzen sich als Betroffene gemeinsam mit der Bayerischen Krebsgesellschaft für die Aufklärung/Sensibilisierung zum Thema HPV ein – wie machen sie das konkret?
Um andere Betroffene zu finden und mich zum Thema HPV austauschen zu können, habe ich meine Geschichte auf meinem Instagram-Account @bibiana.nature öffentlich gemacht. Die Resonanz war durchwegs positiv. Dadurch ist auch die enge Zusammenarbeit mit der Bayerischen Krebsgesellschaft entstanden. Wir haben zusammen für Social Media Erklärvideos produziert und einen Info-Abend in Passau zusammen mit der Psychosozialen Krebsberatungsstelle und einer Gynäkologin aus dem Klinikum veranstaltet.

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Krebsgesellschaft geht Birgit Weinert mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit.
Im September letzten Jahres war das Thema der alljährigen Spendenaufruf-Mailings, die an 18.000 ausgewählte Briefkästen in ganz Bayern gingen, HPV und meine Geschichte. Weitere Info-Abende in Form von Online-Webinaren sind nun in Planung. Und: Ein renommiertes Frauen-Magazin möchte mit mir zusammen an einem Artikel zum Thema HPV arbeiten. Auch ein Buch-Projekt ist aktuell im Gespräch.
Abschließend: Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Umgang mit HPV?
Allen voran möchte ich Betroffenen ans Herz legen, die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen beim Frauenarzt wahrzunehmen. Etwaige Veränderungen können so frühzeitig erkannt, beobachtet und sogar behandelt werden. Ich würde mir wünschen, dass das Thema HPV noch mehr Raum in der Öffentlichkeit gewinnt und enttabuisiert wird. Dies könnte von entsprechenden Institutionen in Form von weiteren Info-Veranstaltungen oder auch bereits durch Aufklärung in Schulen geschehen. Gerne auch durch Unterstützung meinerseits.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen – und weiterhin alles Gute für Sie.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer