Lindberg. Genau an diesem Ort und nirgendwo anders möchte sie leben und arbeiten. Magdalena Paukner braucht den Wald, die Natur, das Farbenspiel der Jahreszeiten, die frische Luft, Blüten, Kräuter und Früchte, um sie selbst zu sein, frei atmen zu können, als Quelle der Inspiration. Hier in Lindberg, im Herzen des Bayerischen Waldes, hat sie ihre Wurzeln. Hier ist sie aufgewachsen, hier lebt ihre Familie, die wie viele andere in der Region eng mit dem Thema Glas verbunden ist.

Künstlerin und Woid-Liebhaberin: Für Magdalena Paukner ist ihre Heimat nicht nur Wohnort, sondern auch Kraftquelle. Foto: Die Baumgartnerin
Ein Urgroßvater war Glasmachermeister, ein Großvater und ihr Vater arbeiteten als Glasschleifer. Ziemlich früh hat sich auch die junge Frau mit dem Glasvirus infiziert. „Glas ist für mich Heimat“, sagt sie, und man spürt, wie sehr sie dafür brennt. Nach dem Abschluss der Realschule machte Paukner an der Glasfachschule Zwiesel eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Glasbildnerin und erlernte danach das Glasmacherhandwerk.
„Das Stadtleben ist auf Dauer nichts für mich“
Nach den Lehrjahren folgten fünf Jahre in Nürnberg als Assistentin in der renommierten Glaswerkstätte von Cornelius Réer. Dort konnte sie all ihr Wissen praktisch anwenden und noch einiges dazulernen. Die Sehnsucht nach dem geliebten Wald wurde allerdings immer größer. Sie kehrte heim nach Lindberg. Heute spricht sie von ihrer Nürnberger Zeit fast wie von einem Aufenthalt in einer Mega-Metropole: „Eines steht fest: Das Stadtleben ist auf Dauer nichts für mich. Ich kann nicht inmitten von Häusern, Straßen, Hektik, Lärm und Verkehr leben. Für einen Tag fahre ich gerne mal in eine Stadt, und das Kontrastprogramm gefällt mir sogar sehr gut, aber nicht für immer.“
In Lindberg umgibt sie das genaue Gegenteil. Dort lebt die 38-Jährige ruhig und idyllisch in einem Häuschen am Waldrand. Die Geräusche macht die Natur.
Dass sie ihren Glas-Weg konsequent weitergehen wollte, daran hatte sie allerdings keine Zweifel. Und so machte sie sich 2013 mit dem Meisterbrief in der Tasche als freischaffende Künstlerin selbstständig – an ihrem Lebens- und Lieblingsort im Bayerischen Wald. Auch der stete Niedergang der einstmals so ruhmreichen Glasindustrie konnte sie davon nicht abhalten. Als Vertreterin einer neuen Glasszene fühlt sie sich der Tradition des Bayerwald-Glasmacherhandwerks verpflichtet. Dem Althergebrachten möchte sie aber „junge“ Facetten hinzufügen. Dabei hat sie sich mit zwei unterschiedlichen Arbeitsweisen bewusst breit aufgestellt.
Die Glasmacherin
Die Arbeit am Glasofen ist mit viel Vorlauf verbunden und zieht sich an manchen Tagen bis spät in die Nacht. Erst wenn der Tiegel leer ist, kann der Herstellungsprozess als abgeschlossen betrachtet werden. Auch verschleißen die Feuerfestmaterialien am Ofen schnell und müssen häufig gewechselt werden. Ohne ihren Lebenspartner und „Allroundtalent“ Stefan Stangl, der als Künstler ebenfalls mit dem Material Glas arbeitet, „ginge da gar nichts“, sagt Magdalena Paukner.
„Aber wenn ich am Glasofen stehe, fühle ich mich wie in einer anderen Welt. Wenn der Vorbereitungsstress um ist und ich mich eingearbeitet habe, beginnt der Flow. Es ist wie ein Tanz, und ich werde eins mit der Bewegung des Glases. Doch ein Moment der Unaufmerksamkeit und das Glas ist kaputt. Glas verzeiht keine Fehler.“ Je nach Auftragslage arbeitet sie zwei- bis dreimal im Monat am Glasofen.
Die Glasbläserin
Viel Zeit verbringt die Künstlerin auch am Glasbrenner. Dort stellt sie Glasschmuck her. „Mit einer heißen Stichflamme aus Gas und Sauerstoff bringe ich dünne Glasstäbe zum Schmelzen und forme daraus alles Mögliche: Blütenblätter, Beeren, Insekten. Es ist eine sehr filigrane Arbeit, die Fingerspitzengefühl erfordert. Das ist aber auch das Schöne daran – ich nehme mir viel Zeit und verliere mich in meinem Tun. Mein Markenzeichen: Die Liebe zum Detail!“

Geht die 38-Jährige ihrer Arbeit und Leidenschaft nach, ist sie höchst konzentriert. Foto: erlebe.bayern/Tobias Gerber
Die massiven oder hohlen Einzelteile werden in einem Kühlofen langsam auf Raumtemperatur gebracht. Anschließend fügt die 38-Jährige sie zu wunderschönen und einzigartigen Colliers, Armbändern, Ohrringen, Haarspangen, Broschen oder Ringen zusammen. Einige Kundinnen erfreuen sich inzwischen an ganzen Blumen- und Früchtekollektionen. Anscheinend machen Paukners Schmuckstücke ein klein wenig süchtig. Es gibt Fans, die sich zu besonderen Anlässen immer wieder etwas Neues gönnen – oder schenken lassen.
„Ich liebe diese Abwechslung an meiner Arbeit. Meine Produkte sind sehr vielfältig und unterschiedlich in der Machart und Anfertigung. Ich habe mich bewusst breitgefächert aufgestellt. So gleicht sich die Auftragslage aus und ich habe immer was zu tun“, freut sich die junge Frau.
Ob Vogelbeeren, Wacholder, Anemonen, Dahlien, Rosen, Kornblumen, Veilchen, Hortensien, Misteln, Hagebutten oder Kirschblüten – inspiriert wird die Bayerwaldlerin durch die nahe Natur und den großen Garten, den sie liebevoll hegt und pflegt.
Inspiration und Kraft aus der Natur
Sie erntet und verarbeitet Paprika, Gurken, Tomaten, Rote Bete, Blau- und Weißkraut und noch viel mehr, kümmert sich um die Obstplantage der Familie mit Äpfeln, Zwetschgen, Pfirsichen und einem über 100 Jahre alten Birnbaum. „Der Garten ist mein großes Hobby“, sagt die Niederbayerin. Und: „Mein Garten schenkt mir neue Kraft und Inspiration für meine Arbeit. Dort erde ich mich und ich finde Entspannung.“
Das Glück der beiden Künstler Magdalena Paukner und Stefan Stangl, der nebenberuflich an der Glasfachschule im vier Kilometer entfernten Zwiesel unterrichtet, komplettiert der vier Jahre alte Sohn Veit – das bisher schönste Werk der beiden, wie sie schmunzelnd bekennen. Neben den filigranen Glasschmuck-Kreationen fertigt die Lindbergerin Trinkgläser, Becher, Karaffen, Schalen, Vasen; darüber hinaus Gartenskulpturen oder Leuchtobjekte. Jedes Stück ist ein Unikat. Man kann sich nicht vorstellen, dass man jemals wieder aus einem schnöden Industrieglas trinken mag, wenn man einmal eines ihrer bunt-glänzenden Gläser in der Hand hielt.
Spezialauftrag: Tätowiernadel aus Glas
Und nachdem es im Wald immer weniger Glashütten gibt, wenden sich immer mehr Kunden mit der Bitte um Sonderanfertigungen an die Glasspezialisten. Magdalena und Stefan ergänzen sich hier gut. Sie fertigt beispielsweise Entwürfe und Rohlinge an: Rohlinge für kaputte Lampen oder Leuchtkörper, Entwürfe für Pokale und Preise. Ihr Lebensgefährte arbeitet diese in der Schleiferei nach oder konstruiert Fassungen, Metallgerüste und Halterungen. „Es gibt auch immer wieder spannende Herausforderungen“, freut sie sich. Kürzlich bekam das Paar den Auftrag, eine Tätowiernadel aus Glas für eine Tattoo-Messe herzustellen.
In ihrem kleinen Atelier kann man – nach vorheriger Anmeldung – eine Palette der handgemachten Glas-Schönheiten bewundern. Heute ist eine kleine Gruppe von Frauen zu Besuch. Paukner hat draußen vor dem Haus auf einem Tischerl eine kleine Erfrischung bereitgestellt – natürlich in ihren Trinkgläsern. Drinnen können sich die Damen kaum sattsehen an all den außergewöhnlichen gläsernen Kreationen nach dem Vorbild der Natur. Die Qual der Auswahl ist groß.
In der Ruhe liegt die Kraft
Doch meistens findet das passende Stück die richtige Besitzerin. Oder umgekehrt. Für Magdalena Paukner ist das ein wunderbarer Moment, ein Glücksgefühl und eine Bestätigung für ihre Arbeit. Mit ihren Werken entfacht sie immer auch ein kleines Stück Lebensfreude. Sie gibt das weiter, was sie an ihrem Heimatort empfindet – Glück in Verbindung mit Liebe zum Glas – und kann hier in Lindberg das Leben leben, das ihrem Naturell entspricht.
Und schließlich geht ohne Ruhe auch beim Thema Glas gar nichts. „Wenn ich dauernd abgelenkt werde, kann ich nicht künstlerisch tätig sein“, weiß sie. Kaufen kann man ihre Kunstwerke vor Ort in Lindberg, bei Ausstellungen, auf Märkten oder in der ein oder anderen Galerie. Termine im Atelier kann man telefonisch (09922/80 462 44) vereinbaren.
Christine Hochreiter
(Erstveröffentlichung in: Schöner Bayerischer Wald)