Berlin/Freyung. Er wird wohl nicht in den neuen Bundestag einziehen. Das steht bereits vor den endgültigen Ergebnissen der bevorstehenden Wahlen am 23. Februar fest. Und dennoch gibt Ben de Smidt, Direktkandidat von Volt im Wahlkreis Deggendorf (226), im Wahlkampf alles. Weil er von der Sache überzeugt ist, weil er generell für seine Vorstellungen eintritt, weil er in der Gemeinschaft etwas bewegen will. Der gebürtige Freyunger, der nun in der Nähe von Wegscheid lebt, im Vorstellungsinterview…
„Endlich wieder vernünftig diskutieren und streiten“
Bitte stellen Sie sich zunächst unseren Lesern kurz vor.
Mein Name ist Benjamin David „Ben“ de Smidt, ich bin 27 Jahre alt. Mein niederländischer Vater und meine tschechische Mutter haben meine drei Brüder, meine Schwester und mich in Freyung aufgezogen und jetzt lebe ich in Thalberg bei Wegscheid. Freyung ist mein Nebenwohnsitz. Mein erster Kontakt mit der Politik war mit 13 Jahren, als ich damals einen Brief an den Freyunger Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich schrieb, mit der Bitte, einen Skatepark für Freyung zu errichten. Dieser wurde damals im Stadtrat einstimmig abgelehnt.

Spontan bei einem Spaziergang aufgenommen: Ben de Smidt an der Ilz bei Passau/Hals. Foto: Veronika Filippova
Mit 18 Jahren startete ich dann mit Unterschriftensammlung, Crowd-Funding-Seite, Skate-Contest auf einem Parkplatz und anderen Veranstaltungen durch und konnte so die Errichtung des Skateparks in Zusammenarbeit mit der Stadt Freyung nach sechs Jahren Mühen feiern. In meinem Job als Physiotherapeut wurde mir das Meckern über die Politik leid und ich wollte selbst anpacken, um was zu verändern. Nach Recherchen stieß ich auf Partei Volt, die mich sofort mit deren Zielen begeisterte. Seit 2021 bin ich Parteimitglied und seit dem Frühjahr 2024 Co-City-Lead für die Region Passau-Dreiländereck. Ich spiele gern Tennis, Klavier, Gitarre und singe dazu, fahre gern Snowboard, Longboard und bin gern in der Natur und der Welt unterwegs.
Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Die Wahrscheinlichkeit ist relativ gering, dass ich in den Bundestag einziehe. Falls ich es doch schaffe, möchte ich frischen Wind und junge Energie in den Bundestag bringen. Es soll endlich wieder vernünftig über Thematiken diskutiert und gestritten werden. Viel zu oft steht mehr die Persönlichkeit einzelner Politiker im Diskurs anstatt der Werte der Partei. Das will ich wieder ändern.
Andere Länder als Vorbild
Welche politischen Ideen wollen Sie dort in erster Linie umsetzen?
Viele Lösungen, die wir in Deutschland brauchen, können wir in Konzepten unserer umliegenden Länder finden. Digitalisierung wie in Estland, Fahrrad fahren wie in Amsterdam, Schulbildung mehr nach den skandinavischen Systemen, Staatsfonds wie in Norwegen, Wohnen als Grundrecht wie in Finnland als Beispiele dafür. Schulbildung soll in Deutschland einen gemeinsamen Standard verfolgen.
Gleichberechtigung von Frauen und Minderheiten in allen Facetten; Abbau von Bürokratie und Ausbau der Digitalisierung bei Behördengänge; Mit der Reform der Schuldenbremse machen wir den Weg frei für nachhaltige Investitionen – in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz; Ausbildungsberufe und Studiengänge sollen in Europa einen gemeinsamen Standard verfolgen und das Wechseln des Arbeitsplatzes zwischen den Ländern erleichtern; Eindämmung von Korruption und Lobbyismus;
Welche Themen aus ihrem Wahlkreis wollen Sie „im fernen Berlin“ in den Fokus rücken?
Eine funktionierende Bahnstrecke zwischen Prag und Passau/Deggendorf für besseren Personen- und Güterverkehr; Ausbau asphaltierter Fahrradwege, um den Arbeitsweg für Radfahrer zu erleichtern und Anreize zur Bewegung zu fördern; Förderung für mehr Barrierefreiheit in Gemeindezentren; Freizeit- und Kulturstätten;
„Meinung der Bürger muss gehört werden“
Inwiefern ist es überhaupt möglich, Themen des ländlichen Raums, der in Sachen Aufmerksamkeit und Bedeutung den Großstädten und Metropolregionen hinterherhinkt, auf Bundesebene zu platzieren?
Volt setzt sich dafür ein, mehr Bürgerräte in der Politik zu integrieren und somit die Probleme der Bürger aus jeder Region wieder mehr in den Fokus zu lenken.
Die Politikverdrossenheit, insbesondere was die Bundespolitik betrifft, nimmt immer mehr zu. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Durch Begegnungen an politischen Ständen, Stammtischen oder Umfrage-Aktionen auf der Straße wollen wir den Menschen Gehör schenken. Daten-Analyse-Konzepte wie die von der Website „EuroSense“ können uns dabei helfen, zu zeigen, welche Themen in welchen Regionen, Berufs- oder Altersgruppen wichtig sind. Dadurch soll vermittelt werden, dass die Meinung der Bürger auch gehört wird.
Wie bewerten Sie generell das „Ampel-Aus“ und die in der Folge notwendig gewordenen vorgezogenen Wahlen?
Ich war damals traurig und geschockt, dass das Zocken auf eigene Vorteile so schamlos ausgenutzt und nicht mehr konstruktiv debattiert wird. Und dass jetzt in der kurzen Wahlkampfperiode hauptsächlich über Migrationspolitik berichtet sowie gesprochen wird und Themen wie Klimaschutz, Renten- und Steuerreform zu kurz kommen, finde ich etwas schade.
„Durchdachte Lösungsvorschläge werden überhört“
Die politisch (extremen) Ränder freuen sich über wachsenden Zuspruch in der Wählergunst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Ist aufgrund dieser Entwicklung ein freies, offenes und demokratisches Deutschland ihrer Meinung nach in Gefahr?
Mittlerweile überzeugen die Parteien und Politiker, die verstehen, Angst zu kontrollieren. Scheinbar einfache Lösungen bzw. inhaltsloses Meckern, Jammern und radikale Parolen bekommen mehr Klicks und Aufmerksamkeit in den Medien. Komplexe und lang durchdachte Lösungsvorschläge hingegen werden überhört. Die Bürger wünschen sich wieder Personen, auf die sie sich verlassen können. Dass man diese Politiker aktuell nicht so leicht findet, kann ich gut verstehen. Aber wenn gewisse Parteien diese Angst nun gnadenlos ausnutzen und uns in Hass und Abneigung lenken, sehe ich durchaus unsere Demokratie in großer Gefahr.
Welcher Person/ welcher Partei geben Sie am 23. Februar ihre Stimme? Und warum?
Da ich im Wahlkreis Passau meinen Hauptwohnsitz habe, wähle ich meinen Direktkandidatskollegen Simon Böldl aus Hauzenberg und natürlich meine Partei Volt. Ich hoffe aktuell noch sehr auf ein unerwartetes Einziehen von Volt, aber auch wenn sie es nicht schaffen, ist jede Stimme eine Hilfe in der Parteienfinanzierung.
Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Welche drei Dinge wünschen Sie sich für die Bundesrepublik Deutschland?
Ein solidarisches Zusammenhalten. Mehr Gleichberechtigung für Frauen, Minderheiten und Menschen mit Behinderung im Handwerk, der Politik und in den Führungsgremien. Funktionierende Bahn- und Fahrradstrecken für den Arbeitsalltag.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute weiterhin.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer