Freyung. An sich ist Walter Heindl ein ruhiger Zeitgenosse. Seine Augen strahlen Gutmütigkeit aus. Er erzählt in einem Stil, der weder langweilig noch aufdringlich ist. Regelmäßig kommt es aber während eines Gesprächs mit dem 88-Jährigen vor, dass er regelrecht explodiert. Plötzlich ist der eher kleine Mann raumfüllend, seine Arme kreisen wild durch die Luft. Worte wie „Mensch!“ oder ein enthusiastisches „Omei!“ sind Zeugen höchster Emotionalität – im positiven Sinne.

So wie er leibt und lebt: Walter Heindl vor zehn Jahren, beim Nostalgierennen in Herzogsreut im Jahr 2015.
In solch Ausnahmezuständen befindet sich der Freyunger immer dann, wenn er bei seinem Lieblingsthema so richtig in Fahrt kommt. Wenn es ums Skifahren geht, um alte Geschichten, um langjährige Weggefährten wie Karl Kisslinger, um aktuelle Gesichter wie Ski-Ass Jonas Stockinger. Wenn es um seine große Leidenschaft geht…
Die Spitzen der ersten Skier am Ofenrohr gebogen
Skifahren und Walter Heindl – das gehört einfach zusammen. Ohne Wenn und Aber. Und von Beginn an. Denn bereits mit vier Jahren stand er als kleiner Bub erstmals auf zwei Brettern. 1941 war das, während der Katastrophe Zweiter Weltkrieg. Leid und Tod waren aber weit weg, im Freyunger Ortsteil Ort hatte er eine schöne Kindheit. „Mia war ma zwar oam, owa es war schä“, fasst Heindl zusammen. Schön war vor allem die Zeit mit seinen Freunden, draußen in der Natur – allen voran beim Sport. Man war nicht wohlhabend in materieller Hinsicht. Aber reich an Zeit und Freiheit.
Er erinnert sich in Form eines Monologs, dessen Länge genau richtig ist – und währenddessen die Arme kreisen und Walter Heindl zum Riesen wird:
„Va Afang Dezember bis Mitte März hama Skigfoan. Af zwoa oafache Breda. Von da Friah bis afd Nochd. Oafach af de Wiesn, meistns af dem Hang, an dessn End da heidig Freibad-Parkblotz is. Und dann hod ma mei Babba meine ersten Ski gmochd. Aus an eschan Hoiz. D’Spitzn is am Ofarohr bong woan. Mei Baba war technisch hochbegabt. Er hod im Carbidwerk goawad. Und dod hod a de erste Metallbindung weit und breit fia mi baut. Des war a Sensation!“
Seine Augen strahlen bei dieser Erinnerung. Walter Heindl wird für einen Moment wieder zum Kind. Vor dem inneren Auge und dem Auge des Betrachters. Denn seine Freude ist echt und mit Händen greifbar. So wie meistens, wenn er auf besondere Etappen seines Lebens eingeht. Und in 88 Lebensjahren ist vieles passiert. Trauriges, wie beispielsweise ein schwerer Unfall seiner Frau, der gleichbedeutend war mit dem Ende seines Sportgeschäfts 1991. Freudiges, das nicht selten mit dem alpinen Skisport zusammenhing.
Er war einer der Auslöser des Ski-Booms im Bayerwald
Wie etwa seine Zeit als Skilehrer beim Münchener Sportartikel-Händler „SportScheck“ Anfang der 60er Jahre. Walter Heindl war mitunter Chefkoordinator von über 1.500 Skilehrern und „bis zu 20.000 Münchenern, de ma midn Zug an am Woch’nend in d’Berg gfoan hamd, weil’s Skifoan leana woidnd.“ Erfahrungen, die der gelernte Maschinenbauer mit nach Hause in den Woid brachte, als er eine der ersten Skischulen des Bayerwalds überhaupt gründete. Später folgte ein Skiverleih und ab 1967 ein eigenes Sportgeschäft in Freyung. Der Vollblut-Sportsmann war nicht nur dabei, als der Skisport vom Arber über Mitterdorf bis hinüber zum Dreisessel boomte, er war sogar einer der Auslöser dieser Lawine.

Der Freyunger Walter Heindl ist das Gesicht der Veranstaltung „130 Jahre Skisport Herzogsreut„, die auf den 27. Dezember 2025 verlegt worden ist.
So berichtet es der rüstige Senior selbst. Jedoch nicht – und das nimmt man ihm ab -, um sich ins rechte Licht zu rücken. Sondern vielmehr deshalb, weil es sich schlichtweg so zugetragen hat. Bestätigt wird seine Darstellung zudem von Max Gibis, dem Präsidenten des Skiverbandes Bayerwald: „Walter Heindl zählt ohne Zweifel zu den Pionieren des Skisports in unserer Region. Vor allem in Mitterdorf hat er in den vergangenen 60 Jahren tausenden von Kindern und Jugendlichen das Skifahren beigebracht und somit auch dazu beigetragen, dass immer wieder erfolgreiche Nachwuchstalente, die für den Skiverband Bayerwald auf die Piste gegangen sind, nachgewachsen sind.“
Mit Karl Kisslinger auf prägender Erkundungstour
Mitterdorf – das Stichwort schlechthin. Denn der kleine Ort an der deutsch-tschechischen Grenze, der für seine Liftanlagen überregionale Bekanntheit erlangte, ist für Heindl ein magisches Fleckchen Erde. „Als Bub, mit zehn, elf Jahren, hab i da hintn immer meine Skitourn gmochd. Und in da Uim om, do hod ma a Frau owei ebbs zum Essn gem, wenn i voabeikema bin.“ Begebenheiten, die sich eingeprägt haben. Und die – vielleicht etwas groß aufgetragen – mitunter Wegbereiter des heutigen Skizentrums waren. Wieder gehört dem 88-Jährigen das Wort, erneut kreisen die Arme, wieder wird er laut, duldet unbewusst keine Unterbrechung:

Urkunden und Pokale sind ihm eigentlich nicht viel wert, weshalb sie einen „Ehrenplatz“ im Keller haben.
„Im Summa war i aa Sportlehrer am Gymnasium in da Freing. So hab i in Kisslinger Karl kennagleand. Mia hamma Freind woan. Und iagendwann hob i eam Middadoaf zoigd, des seit meine Skitourn bsundas war fia mi. I ha eam eaklärt, dass ma dod super Skifoan kan. Er woid aa na a Sprungschanz bau. Des ha eam owa – Gott sei dank – ausgredt.“
1964 wurde auf Antrag des späteren Bundestagsmitglieds Karl Kisslinger die Gemeinde Philippsreut zum alpinen Wintersportgebiet erklärt. Mittendrin in den Vorplanungen und nach Inbetriebnahme: Walter Heindl. „Ohne seine unermüdliche Arbeit hätte sich das Skizentrum Mitterdorf wahrscheinlich nicht zu dem entwickelt, was es heute ist“, stellt Max Gibis anerkennend fest: „Ein beliebtes Familienskigebiet und für unsere Nachwuchsleistungssportler ein unverzichtbarer Trainings- und Wettkampfort.“
Als Walter Heindl den Gudiberg mit Bravour meisterte
Soweit zum (passiven) Heindl’schen Einfluss auf das Skifahren im Bayerischen Wald. Doch auch in aktiver Hinsicht machte er von sich reden. Und das – dies sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt – mehr oder weniger ohne Absicht. Nicht, weil er musste, sondern weil er konnte, vielmehr durfte. Die Erfolge, die er als Rennläufer einfuhr, „hamd me zu an bekanntn Ma gmochd“. Welche Rennen er gewinnen konnte, weiß er rückblickend nicht mehr im Detail. Es waren einfach zu viele. Im Bayerwald, das geht aus mehreren Zeitungsberichten, die er gesammelt hat, hervor, war er nahezu unschlagbar. Und auch überregional trat er regelmäßig in Erscheinung.

Seine Ski wachselt der Freyunger natürlich selber – mit einem Wachs aus den 30er Jahren, das er einst von einem Freund geschenkt bekommen hat.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ein internationaler Slalom-Wettbewerb am legendären Gudiberg bei Garmisch-Partenkirchen Ende der 1950er. „Kennt hod mi koana – owa i bin Siebter woan. Und dann hamds me auf Schultern ins Stadionhotel drong.“ Europa- oder gar Weltcup-Rennen gab es damals noch keine. Die Mundpropaganda entschied über Teilnahmen, nicht vorherige Qualifikationsläufe. „Man is einfach eiglohnt woan, wenn ma bekannter war. Und da is ma hoid iagändwie do higfoan. Zwoa Ski, a weng a Gwand und ebbs zan Essn. Gschloffa hod ma hinta da Kiacha im Freia, wenn ma sunst nix gfundn hod.“
Obwohl der Freyunger mit seiner alpinen Karriere zufrieden und komplett im Reinen ist, schwingt im Rückblick doch ein Hauch Enttäuschung mit. Denn: „I bin iwazeigd, dass i in da heidign Zeit Weltcup foan kand – wia da Jonas.“ Den Herzogsreuter Riesenslalom-Spezialisten Jonas Stockinger meint er damit. Er kennt ihn persönlich – und ist eine Art Ziehsohn im übertragenen Sinne für ihn. „Mei, do bin i voll dabei, wenn er im Feansen foad.“ Es folgt: „Mensch, des is subba. I gfrei me o so fia eam. I bi iwazeigt, das as iagändwann na unter de ersten Zehn schafft.“
Pflichttermin: „130 Jahre Skisport Herzogsreut“
Egal, ob Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft: Skifahren und Walter Heindl – da passt kein Blatt dazwischen. Und selbst mit 88 Jahren lässt er es sich nicht nehmen, regelmäßig in Mitterdorf ein paar Schwünge zu machen. Auch beim Nostalgierennen „130 Jahre Skisport Herzogsreut“, das vom 22. Februar auf den 27. Dezember 2025 verlegt wurde, ist er natürlich dabei. Obwohl er sich „draaf gfreid“, ist das aber eher eine Spaßveranstaltung für ihn: „Am liawan los es owapfeifa – owa so richde.“ Auf zwei Brettern explodiert der ansonsten ruhige Charakter sprichwörtlich. Die Arme kreisen dann aber nicht, denn das würde ihn in diesem Falle bremsen…
Helmut Weigerstorfer