Berlin/Grafenau. Ob es die FDP in den nächsten Bundestag schafft, ist aktuellen Umfrage-Ergebnissen zufolge alles andere als klar. In der Folge ist es eher unwahrscheinlich, dass der aktuelle MdB Muhanad Al-Halak sein Mandat verteidigen kann. Dennoch gibt der 35-jährige Grafenauer mit irakischen Wurzeln, der im Wahlkreis Deggendorf (226) erneut als FDP-Direktkandidat aufgestellt worden ist, nicht auf, wie im Hog’n-Interview deutlich wird…
„Ich habe mir nicht nur in meiner Fraktion einen Namen gemacht“
Bitte stellen Sie sich zunächst unseren Lesern kurz vor.
In Berlin sage ich immer: Ich habe einen typisch niederbayerischen Namen – Muhanad Al-Halak. Ich bin 35 Jahre alt, ledig, Abwassermeister und Grafenauer. Ich bin seit Januar 2017 Parteimitglied, seit Juli 2020 FDP-Kreisvorsitzender und seit September 2020 Beirat des Bezirksvorstandes der FDP Niederbayern. Seit 2021 kann ich mit Stolz sagen: Ich vertrete meine Heimat im Deutschen Bundestag.
Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Ich bin einer der wenigen Praktiker im Parlament, der seine Ärmel hochgekrempelt und sich wortwörtlich die Hände schmutzig gemacht hat. Ich weiß, mit welchen Herausforderungen die Menschen täglich konfrontiert werden, weil ich sie selbst erlebt habe. Die Menschen da draußen fühlen sich von der großen Politik nicht verstanden. Ich bin überzeugt, dass ich eine echte Alternative für unsere Heimatregion darstelle.
Welche politischen Ideen wollen Sie dort in erster Linie umsetzen?
Ich habe mir durch mein Engagement im Umweltausschuss als Abwassermeister sowie im Innenausschuss – mit meiner eigenen Geschichte und klaren Haltung in der Migrationspolitik – nicht nur in meiner Fraktion einen Namen gemacht. Sollte ich meine Arbeit fortführen dürfen, würde ich gerne die Integration durch Ehrenamt verpflichtend einführen. Denn als ich damals als Kriegsflüchtling in die Bärenstadt kam, habe ich mich durch Ehrenamt integriert.
Welche Themen aus ihrem Wahlkreis wollen Sie „im fernen Berlin“ in den Fokus rücken?
Die Themen aus meinem Wahlkreis haben meine Arbeit und auch meine Erfolge in den vergangenen dreieinhalb Jahren maßgeblich geprägt. Ich möchte mich deswegen auch weiterhin dafür einsetzen, dass unsere Region im Bundestag eine Stimme hat.
„Ländlicher Raum hinkt Großstädten nicht hinterher“
Der Erhalt und Ausbau der Wasserkraft, die finanzielle Unterstützung von Kommunen und Unternehmen, die Umsetzung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen wie die Verlegung der B533 zwischen Grafenau und Hohenau, das atomare Endlager und eine vernunftbetonte Überarbeitung des Bundeswaldgesetzes sind Themen, die ich gerne weiter vorantreiben möchte. Dazu kommen natürlich auch immer noch Aspekte, die sich spontan ergeben, auf die ich dann schnell reagiere und im Sinne unserer Region an den Verhandlungstisch bringe.
Inwiefern ist es überhaupt möglich, Themen des ländlichen Raums, der in Sachen Aufmerksamkeit und Bedeutung den Großstädten und Metropolregionen hinterherhinkt, auf Bundesebene zu platzieren?
Natürlich hat der ländliche Raum lagebedingte Defizite, beispielsweise bei der Anbindung an das Bundesautobahnnetzwerk oder der Stabilität der medizinischen Versorgung. Großstädte und Metropolregionen kämpfen dagegen mit anderen Herausforderungen, wie der Überhitzung der Innenstädte, Luftqualität, fehlendem Wohnraum und vielem anderen. Der ländliche Raum hinkt Großstädten und Metropolregionen weder in der Aufmerksamkeit und schon gar nicht in der Bedeutung hinterher.
Der Bund hat im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) in den Jahren 2021-2024 den Ländern 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Zusammen mit dem Länderanteil ergibt das ein Fördervolumen von bis zu 7,65 Milliarden Euro. Sowohl Bund als auch Länder arbeiten intensiv daran, gleichwertige Verhältnisse für Stadt und Land zu schaffen. Und es ist daher nicht nur möglich, Themen des ländlichen Raums auf Bundesebene zu platzieren, sondern es wird auch eingefordert.
„Land steht vor Richtungsentscheidung“
Die Politikverdrossenheit, insbesondere was die Bundespolitik betrifft, nimmt immer mehr zu. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Es braucht mehr Menschen in der Politik, die praxisbezogen denken und keine Theoretiker sind. Viele Menschen fühlen sich von der Politik nicht mitgenommen. Da bin ich die Alternative für unsere Region.
Wie bewerten Sie generell das „Ampel-Aus“ und die in der Folge notwendig gewordenen vorgezogenen Wahlen?
Olaf Scholz hat lange die Notwendigkeit verkannt, dass unser Land einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötigt. Wir haben Vorschläge für eine Wirtschaftswende vorgelegt, um unser Land wieder auf Erfolgskurs zu bringen: weniger Bürokratie, geringere Steuerlast, eine pragmatische Klima- und Energiepolitik, mehr Kontrolle bei der Migration, zugleich Stärkung von Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Innovationsfreude. Diese Vorschläge wurden nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert. Wir haben klare Prinzipien und Überzeugungen. Aber wir haben zugleich Kompromissbereitschaft gezeigt. Bis an den Rand des Sinnvollen und Verantwortbaren.
Jetzt steht unser Land vor einer neuen Richtungsentscheidung. Wir brauchen eine neue Ära von Wachstum, Wohlstand und Innovation. Wir sind unverändert bereit, Verantwortung für dieses Land zu tragen. Und wir werden dafür kämpfen, dies in einer anderen Regierung auch zu tun.
„Es braucht mehr Politik mit Menschenverstand“
Die politisch (extremen) Ränder freuen sich über wachsenden Zuspruch in der Wählergunst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Ist aufgrund dieser Entwicklung ein freies, offenes und demokratisches Deutschland ihrer Meinung nach in Gefahr?
Ich selbst habe eine Fluchtgeschichte. Die Menschen im Bayerischen Wald haben mir eine Chance auf Demokratie und Integration gegeben, und ich habe sie genutzt. Auf der einen Seite mache ich mir Sorgen um unsere Demokratie, aber auf der anderen Seite verstehe ich den Protest und die Verdrossenheit. Die Menschen wollen endlich Lösungen für die Probleme, die wir im Land haben.
Welcher Person/ welcher Partei geben Sie am 23. Februar ihre Stimme?
Es braucht mehr Politik mit Menschenverstand, und da bin ich für die FDP.
Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Welche drei Dinge wünschen Sie sich für die Bundesrepublik Deutschland?
- Eine nächste Regierung, die die Probleme im Land ernsthaft angeht
- Mehr Miteinander und kein Gegeneinander
- Erhalt unseres Wohlstands
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute weiterhin.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer