Berlin/Hauzenberg. Die Europawahl 2019 war die Premiere: Die Partei VOLT ist noch jung – und weitestgehend unbekannt. Sie wird von der Enzyklopädie Wikipedia als „sozialliberal, progressiv und europäisch-föderalistisch“ beschrieben. Eigenschaften, die sich auch Simon Böldl auf die Fahne schreibt, weshalb er für den Zusammenschluss im Wahlkreis Passau (228) als Direktkandidat antritt. Der Hauzenberger – und sein Vorstellungsinterview.
„Rechtsruck hat mich dazu bewegt, politisch aktiv zu werden“
Bitte stellen Sie sich zunächst unseren Lesern kurz vor.
Mein Name ist Simon Böldl, ich bin 26 Jahre alt und lebe in der Nähe von Hauzenberg. 2014 habe ich meinen Abschluss an der Realschule Hauzenberg gemacht und anschließend eine Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement absolviert. 2024 habe ich meine Weiterbildung zum geprüften Industriefachwirt (IHK) abgeschlossen. Seit meiner Ausbildung bin ich in einem international tätigen Unternehmen beschäftigt.
Zu meinen Hobbys gehören Wandern, die Planung und Durchführung von Städtetrips sowie der Besuch von Museen. Darüber hinaus engagiere ich mich ehrenamtlich in mehreren Vereinen und Verbänden. Besonders hervorheben möchte ich meine Tätigkeit als Mitglied des Prüfungsausschusses der Industrie- und Handelskammer Niederbayern sowie meine aktive Rolle in der Führungsstruktur einer Katastrophenschutzorganisation.
Politik hat mich schon während meiner Schulzeit interessiert. Der zunehmende Rechtsruck in vielen Ländern Europas hat mich letztlich dazu bewegt, mich aktiv politisch zu engagieren. Ich konnte nicht länger zusehen, wie zentrale Werte unserer Demokratie infrage gestellt werden. Bei Volt habe ich schließlich eine politische Heimat gefunden, weil die Partei meine Werte und Überzeugungen am besten vertritt.
„Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein“
Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
In meinem Umfeld spüre ich immer mehr Frustration über die aktuelle Politik und die Art, wie politische Diskussionen geführt werden. Ich möchte diese Unzufriedenheit nicht nur beobachten, sondern aktiv etwas verändern. Mein Ziel ist es, die Interessen der Bürger*innen meines Wahlkreises direkt im Bundestag zu vertreten und den Menschen eine hörbare Stimme zu geben.
Welche politischen Ideen wollen Sie dort in erster Linie umsetzen?
Es gibt viele Herausforderungen, die wir angehen müssen. Besonders am Herzen liegt mir die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor. Unfaire Schichtsysteme, hohe physische und psychische Belastungen, chronische Unterbesetzung und Dauerstress führen dazu, dass immer mehr Menschen diesen wichtigen Beruf verlassen. Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, die Strukturen reformieren und die Ausbildung in Gesundheitsberufen stärken.
Ein weiteres zentrales Thema ist die Digitalisierung. Wir müssen konsequent mit allen relevanten Akteur*innen zusammenarbeiten, um digitale Lösungen sinnvoll einzuführen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein, sondern muss den Alltag der Menschen konkret verbessern: durch effiziente Behördengänge, bessere Bildungsangebote, moderne Gesundheitsversorgung und eine stärkere Vernetzung im ländlichen Raum.
„ÖPNV entscheidender Standortfaktor für ländlichen Raum“
Welche Themen aus ihrem Wahlkreis wollen Sie „im fernen Berlin“ in den Fokus rücken?
Viele der bereits angesprochenen Themen betreffen den ländlichen Raum besonders stark – denn hier zeigen sich politische Fehlentwicklungen oft noch drastischer als in den Städten. Ein zentrales Problem ist die medizinische Versorgung. In vielen Regionen gibt es kaum noch niedergelassene Ärzt*innen, Wartezeiten sind lang, und Fachärzt*innen sind oft nur mit großem Aufwand erreichbar.
Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist deshalb nicht nur eine Frage der Fairness gegenüber den Beschäftigten, sondern auch eine existenzielle Notwendigkeit für die Patient*innen im ländlichen Raum. Ein Lösungsansatz, zur Entlastung, ist die Gründung von multiprofessionellen Versorgungszentren.
Auch beim öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) gibt es massiven Nachholbedarf. Während in den Städten Mobilitätskonzepte ständig weiterentwickelt werden, scheint die ländliche Infrastruktur seit Jahrzehnten auf der Stelle zu treten – oder sich sogar zu verschlechtern. Ein funktionierender ÖPNV ist aber nicht nur eine Frage der Mobilität, sondern auch ein entscheidender Standortfaktor für den ländlichen Raum.
„Laut und konsequent für Anliegen eintreten“
Wer hier lebt, muss die Möglichkeit haben, flexibel zur Arbeit, zur Schule, zur Universität oder zu Freizeitangeboten zu gelangen – und zwar ohne auf ein eigenes Auto angewiesen zu sein. Deshalb will ich mich im Bundestag für eine Mobilitätswende auch in ländlichen Gebieten einsetzen: mit besseren Taktungen, flexiblen Rufbussystemen und einer stärkeren Vernetzung zwischen Bus, Bahn und anderen Verkehrsmitteln.
Inwiefern ist es überhaupt möglich, Themen des ländlichen Raums, der in Sachen Aufmerksamkeit und Bedeutung den Großstädten und Metropolregionen hinterherhinkt, auf Bundesebene zu platzieren?
Je mehr Abgeordnete die Anliegen des ländlichen Raums aktiv in den Bundestag einbringen, desto mehr Aufmerksamkeit erhalten diese Themen. Es geht darum, laut und konsequent für diese Anliegen einzutreten – denn nur so können sie auf Bundesebene Priorität gewinnen.
Die Politikverdrossenheit, insbesondere was die Bundespolitik betrifft, nimmt immer mehr zu. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Wir als Partei wollen die Bürger*innen ermutigen, sich wieder stärker politisch zu beteiligen – sei es durch Engagement, Diskussionsrunden oder den direkten Austausch mit Politiker*innen. Politik darf nicht als etwas Abgehobenes und Elitäres wahrgenommen werden. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass ihre Ideen, Sorgen und Vorschläge ernst genommen werden und in politische Entscheidungsprozesse einfließen. Vor allem Offenheit und Transparenz sind entscheidend, um Vertrauen zurückzugewinnen.
„Politische Vielfalt grundsätzlich ein Gewinn für Demokratie“
Wie bewerten Sie generell das „Ampel-Aus“ und die in der Folge notwendig gewordenen vorgezogenen Wahlen?
Das Scheitern der Ampel-Koalition zeigt, dass die etablierten Parteien nicht mehr in der Lage sind, den notwendigen Fortschritt in unserem Land voranzutreiben. Wir brauchen frische Ideen, mutige Entscheidungen und eine Politik, die sich an den Herausforderungen der Zukunft orientiert. Volt steht genau dafür: für eine progressive, lösungsorientierte Politik, die mit den Menschen gemeinsam nachhaltige Lösungen entwickelt.
Die politisch (extremen) Ränder freuen sich über wachsenden Zuspruch in der Wählergunst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Ist aufgrund dieser Entwicklung ein freies, offenes und demokratisches Deutschland ihrer Meinung nach in Gefahr?
Es ist wichtig, zwischen demokratischen und nicht-demokratischen Parteien zu unterscheiden. Politische Vielfalt ist grundsätzlich ein Gewinn für die Demokratie. Aber Parteien, die offen gegen demokratische Grundwerte arbeiten, sind eine Gefahr für unser Land.
Viele Wähler*innen sind von den etablierten Parteien enttäuscht – sie haben das Gefühl, dass ihre Interessen nicht mehr vertreten werden. Dieses Vertrauen in die Politik müssen wir zurückgewinnen. Leider gibt es Parteien, die mit Angst, Falschinformationen und unrealistischen Versprechen arbeiten, um von dieser Unzufriedenheit zu profitieren.
Deshalb rufen wir dazu auf, Parteiprogramme genau zu prüfen: Welche Werte vertreten sie wirklich? Welche Konsequenzen hätte eine Umsetzung ihrer Politik? Jede*r sollte sich fragen: Möchte ich wirklich in einem Land leben, das nach den Vorstellungen dieser Partei gestaltet wird?
„Zeit für Politik, die mutig und lösungsorientiert ist“
Welcher Person/ welcher Partei geben Sie am 23. Februar ihre Stimme? Und warum?
Ganz klar: Meine Stimme geht an Volt. Wir stehen für Fortschritt, Transparenz und eine echte Zukunftsperspektive für Deutschland. Es ist Zeit für eine neue Politik, die mutig und lösungsorientiert ist. Holen wir uns die Zukunft zurück!
Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Welche drei Dinge wünschen Sie sich für die Bundesrepublik Deutschland?
- Zusammenhalt – eine Gesellschaft, die auf Respekt, Offenheit und Solidarität basiert.
- Gerechtigkeit für alle – unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status.
- Eine wirtschaftlich stabile Zukunft – die ökologisch und sozial nachhaltig gestaltet wird.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute weiterhin.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer