Berlin/Straubing. Obwohl er mit 27 Jahren noch verhältnismäßig jung ist, kann er bei seinem politischen Kernthema auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Marvin Kliem hatte keine einfache Kindheit, wuchs eigenen Angaben zufolge in einer „Problemfamilie“ auf, ehe er von Pflegeeltern großgezogen wurde. Es verwundert also nur wenig, dass sich der SPD-Politiker, der im Wahlkreis Straubing (230) als Direktkandidat antritt, allem voran für Familien kämpfen möchte in Berlin. Seine weiteren Ideen und Ansichten erläutert der gelernte Rettungssanitäter im Hog’n-Interview…
„Ich befand mich in einer Gewaltspirale“
Bitte stellen Sie sich zunächst unseren Lesern kurz vor.
Mein Name ist Marvin Kliem. Ich bin 27 Jahre jung, lebe aktuell in Straubing, bin gelernter Rettungssanitäter und arbeite derzeit als Referent beim Deutschen Bundestag. Seit mittlerweile über zehn Jahren engagiere ich mich politisch in der SPD, bin stellvertretender Vorsitzender der SPD in der Region Straubing und auch stellvertretender Bezirksvorsitzender der SPD. Ehrenamtlich bin ich vor allem beim Bayerischen Roten Kreuz engagiert – und dort im Kreisverband Straubing-Bogen als Leiter der Jugendarbeit tätig.

Marvin Kliem ist bereits Teil des Bundestag-Apparates – aber „nur“ als Mitarbeiter von MdB Carmen Wegge. Foto: Kliem
Ich bin zuständig für alle Kinder und Jugendlichen, die in der Wasserwachtjugend, Bergwachtjugend, dem Jugendrotkreuz, der Bereitschaftsjugend sowie in den Schulsanitätsdiensten aktiv sind. Ansonsten bin ich Vorstandsmitglied im Mieterschutzverein Straubing-Bogen, Trachtler im Trachtenverein Immergrün in Straubing, Gewerkschafter bei ver.di, Mitglied bei der Arbeiterwohlfahrt, dem VdK, dem Boxclub Straubing sowie den Naturfreunden und dem Bandhaus Straubing e.V..
Warum wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Ich selbst bin schon sehr früh politisiert worden, da ich selbst als Kind aus einer Problemfamilie mit sämtlichen alltäglichen Sorgen konfrontiert wurde. Die erste Phase meines Leben bin ich als ungewolltes Kind bei meiner alleinerziehenden Mutter groß geworden. Ich befand mich in einer Gewaltspirale, der ich dann mit sechs Jahren entflohen bin. Ich kam in eine Pflegefamilie, die mich mit aller Kraft unterstützt hat und mir die Chancen gegeben hat, die leider nicht alle Kinder aus solchen Familien bekommen. Leider war aber gerade auch das Leben in einer Pflegefamilie nicht immer leicht: Vorurteile, soziale und finanzielle Herausforderungen und auch Verständnisprobleme mit Verwaltungen.
„Familien sind das Herzstück unserer Zukunft“
Ich habe mich nie damit zufrieden gegeben und habe deshalb schon sehr früh beschlossen, dafür zu kämpfen, dass Kinder mit einer ähnlichen Geschichte niemals das erleben müssen, was ich erlebt habe. Deshalb habe ich beschlossen, mich neben meinem ehrenamtlichen Engagement u.a. in nicht-politischen Jugendorganisationen auch Teil einer politischen Partei zu werden und mich ganz konkret für dieses Thema einzusetzen. Ich finde, dass unser Dahoam dringend eine junge, soziale Stimme im Deutschen Bundestag braucht und genau deswegen kandidiere ich.
Welche politischen Ideen wollen Sie dort in erster Linie umsetzen?
Unsere Familien sind das Herzstück unserer Zukunft. Wir alle haben sie, doch wir alle haben unterschiedliche Chancen und Möglichkeiten. Aus diesem Grund setze ich mich gerade auch aufgrund meiner Vergangenheit dafür ein, dass Familien alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen: Endlich genug Kinderbetreuungsplätze und das auch kostenfrei. Gut ausgestattete Schulen, kostenfreies Mittagessen an den Schulen, wirkliche Anerkennung und Unterstützung von Menschen, die ihre Liebsten pflegen.
Wir sind außerdem eine unfassbar starke Region – mit massiven Potenzialen. Mir ist es ein ganz besonderes Anliegen, die Wirtschaft in unserer Heimat voranzubringen und damit gute Perspektiven für alle zu haben. Starke Wirtschaft heißt nämlich vor allem auch: Starke Arbeitsplätze. Dafür müssen wir endlich die Standortfaktoren für unsere Wirtschaft, Industrie und unsere Handwerksbetriebe verbessern. Deswegen brauchen wir den Made-in-Germany-Bonus. Unsere Heimat muss Innovationsregion für unsere weitsichtigen Unternehmen werden.
„Die Politik wird zu sehr für Metropolregionen gemacht“
Gleichzeitig stehe ich aber auch mit den Gewerkschaften Hand in Hand für die bessere Wertschätzung und Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch höhere Tarifbindungen und eine Stärkung der Tarifparteien ein. Gute Arbeit vor Ort ist die Grundlage für eine starke, funktionierende und pulsierende Wirtschaft. Das brauchen wir – gerade bei uns.
Welche Themen aus ihrem Wahlkreis wollen Sie „im fernen Berlin“ in den Fokus rücken?
Der Strukturwandel betrifft ganz besonders auch unser Dahoam. Wir müssen dafür sorgen, dass Arbeitsplätze bei uns sicher bleiben und neue gute, sozialversicherungspflichte Arbeitsplätze entstehen. Darüber hinaus brauchen wir dringend notwendige Investitionen in die öffentliche Infrastruktur: Schulen, Schienen, Personennahverkehr, digitale Infrastruktur, Straßen und Brücken. Das ist mir ein persönliches Anliegen.
Inwiefern ist es überhaupt möglich, Themen des ländlichen Raums, der in Sachen Aufmerksamkeit und Bedeutung den Großstädten und Metropolregionen hinterherhinkt, auf Bundesebene zu platzieren?
Es ist möglich, wenn man nur will und auch die Themen des ländlichen Raums lautstark vertritt. Die Mehrheit der Deutschen leben im ländlichen Raum, dennoch wird oft zu sehr Politik für Metropolregionen gemacht. Ich persönlich finde, dass wir aber beides zusammendenken müssen: Stadt und Land.
„Ich war nie Fan der Ampel“
Die Politikverdrossenheit, insbesondere was die Bundespolitik betrifft, nimmt immer mehr zu. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Ich glaube, die Politikverdrossenheit nimmt vor allem deshalb zu, weil viele Politiker nicht mehr erreichbar sind. Ich bin viel unterwegs, besuche schon jetzt viele Betriebe sowie Einrichtungen. Ich arbeite einfach mal einen ganzen Tag mit, rede mit den Beschäftigten und merke, dass das sehr viel hilft. Persönliche Gespräche, da sein, wo „d’Leid san“: Das sollte alle Politiker*innen ausmachen.
Wie bewerten Sie generell das „Ampel-Aus“ und die in der Folge notwendig gewordenen vorgezogenen Wahlen?
Ganz ehrlich: Ich war nie Fan der Ampel. Vor allem, weil gerade die FDP immer nur Politik für sich und nie das Land gemacht hat. Das hat sie fast jeden Tag im politischen Geschäft bewiesen. Ich muss zugeben, dass ich die Entscheidung unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz, Christian Lindner von seinem Amt als Bundesfinanzminister zu entbinden, sehr gut und konsequent fand. Jetzt geht es darum, wohin sich unser Land in den nächsten Jahren entwickelt.
Die politisch (extremen) Ränder freuen sich über wachsenden Zuspruch in der Wählergunst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Ist aufgrund dieser Entwicklung ein freies, offenes und demokratisches Deutschland ihrer Meinung nach in Gefahr?
Die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen lassen – ehrlich gesagt – oft kaum Hoffnung aufkommen. Der immer krasser erstarkende Rechtsruck, das Auseinanderdriften der Gesellschaft, die Zunahme von Hass, Hetze und Gewalt gegen Andersdenkende sind extrem besorgniserregend und lassen mich persönlich oft nur sprachlos und pessimistisch zurück.
„Leider schaffen es Populisten, ein Sprachrohr zu sein“
Dabei betrachtet man aber viel zu oft viel zu wenig den Grund dafür: Aus meiner Sicht liegt das bei vielen Menschen in der Verunsicherung, der Angst vor sozialem Abstieg und der Angst vor der eigenen Zukunft. Leider schaffen es da vor allem populistische Kräfte, ein Sprachrohr zu sein. Vermeintlich einfache Antworten auf sehr komplexe Sachen sind aber nicht die Lösung. Ich denke aber, dass eine entschlossene, knallharte soziale Politik, die genau diese Ängste ernst nimmt und – im Vergleich zu den Populisten – konkrete Lösungen anbietet, das Blatt auch wenden kann. Ich stehe genau dafür.
Welcher Person/ welcher Partei geben Sie am 23. Februar ihre Stimme?
Natürlich der SPD. Denn sie ist die einzige Kraft im Land, die die Renten sichert, 95 Prozent der Menschen im Land steuerlich entlastet und mit Besonnenheit und klarer Kante für Frieden in Europa arbeitet. Vor allem die Haltung des Bundeskanzlers hinsichtlich Taurus finde ich sehr klar und entscheidend. Mit der Erststimme würde ich Marvin Kliem wählen.
Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Welche drei Dinge wünschen Sie sich für die Bundesrepublik Deutschland?
Ein Land…
- … in dem kein Kind in Armut aufwachsen muss.
- …,dass besonnen für Frieden und Sicherheit in Europa sorgt.
- …mit starken Arbeitsplätzen und einer starken Wirtschaft.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute weiterhin.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer