Bad Griesbach. „An am Omd, so wia heid, lod i ma Freind ei!“ Mit diesen Refrain-Zeilen verabschiedete sich Liedermacher Werner Schmidbauer, der im Rahmen seiner „Mia san Oans„-Tour am vergangenen Freitag in Bad Griesbach („Griasbo“) gastierte, im ausverkauften Kursaal von seinem Publikum. Sichtlich zufrieden – und sichtlich dankbar dafür, dass es dem 63-Jährigen (einmal mehr) gelungen ist, dem seinen Songs innewohnenden Funken auf seine Zuhörerinnen und Zuhörer überspringen zu lassen. Ein Abend der gefühlvollen Momente, der mit großem Beifall quittiert wurde.

Feiert in diesem Jahr sein 45-jähriges Bühnenjubiläum: Ex-Aiblinger und Neu-Allgäuer Werner „Schmidl“ Schmidbauer.
Der eingangs von Griesbachs Bürgermeister Jürgen Fundke etwas vereinnahmend als „unser Werner“ vorgestellte Schmidbauer trat vor zwei Jahren zum ersten Mal in dem Rottaler Kurort auf. An diesem Abend präsentierte er eine abwechslungsreiche Mischung aus älteren und neueren Stücken. Letztere von seiner aktuellen Platte „Mia san Oans„, das erste eigene Comeback-Studioalbum des Bad Aiblingers nach zehn Jahren voller persönlicher Veränderungen und Einschnitte.
Von „Oida Mo“ bis Cicero
Offen und ehrlich berichtet er auf der Bühne sitzend, wie „voglwuid“ sein Leben in seinen 50ern verlaufen ist. Über das Ende seiner langjährigen Ehe, die Trennung, das viele Alleinsein in der Folge. Momente der Niedergeschlagenheit, der Traurigkeit. Über den Wegzug aus seiner Heimat „Oabling“ Richtung Kempten im Allgäu, wo er seit rund fünf Jahren mit seiner neuen Partnerin lebt. Von seiner Hoffnung, dort wieder neue Freunde zu finden. Von einem Mann im Rollstuhl, schwer erkrankt, den er auf einer Gartenparty getroffen hat und mit dem er bis zu dessen Tod eine intensive Freundschaft pflegte. „Als wir uns gesehen haben, hatte ich das Gefühl, wir kennen uns schon ewig.“ Ihm, seinem Seelenfreund, widmet er „Oida Mo“ – ein rührendes „Liebeslied von einem älteren Herrn an einen noch älteren Herrn“.

Von philosophisch-tiefgründig über nachdenklich-melancholisch bis lustig-heiter reichte Schmidbauers Portfolio bei seinem Auftritt in Bad Griesbach.
Dann die Story, als er im Alter von 17 Jahren in München mit der S-Bahn unterwegs war, wo er sich an der Haltestelle Hackerbrücke in eine Frau „schockverliebt“ hatte – wegen ihres schönes Lächelns, das ihn paralysiert hat. Die er dann am S-Bahnhof Laim aus den Augen verlor, ohne sie anzusprechen, weshalb er die nächsten vier Wochen lang dort zeitweise auf sie gewartet hatte, um sie wiederzusehen. „Und weil das Warten so fad war, hab ich die Pflastersteine zwischen Wiese und Bahnhofstreppe gezählt.“ Die Frau hat er zwar nicht wieder getroffen, dafür wurde er durch die Zählerei zum Song „616 Pflasterstoana“ inspiriert, der mittlerweile 45 Jahre auf dem Buckel hat.
„Hör nie auf, ozumfanga – fang nia o, aufzumhean“ – ein eingebairischter Satz des Philosophen Cicero, der Schmidbauer immer ein guter Begleiter in schlechten Zeiten gewesen ist und die Grundlage für sein Stück „Hör nia auf“ geliefert hat, das er für seinen einstigen Plattenfirmen-Chef verfasste.
Vom „bedingungslosen Vertrauen“ bis zur „bluads Spalterei“
Es folgt ein Lied für den verstorbenen Vater, der ihm und seinem Bruder die Berge nähergebracht hatte, mit dem er unvergessene Hütten-Momente erleben durfte und den er später, als Erwachsener, „auf Augenhöhe nochmals neu kennengelernt“ hat. Schmidbauer berichtet von „wortloser Trauer“ nach dem Tod des Papas, die sich in ein „lächelndes Erinnern“ verwandelt hat. Er spricht von „bedingungslosem Vertrauen“, das er von seinem alten Herrn entgegengebracht bekommen hatte und er auch an seine eigenen Kinder versucht hat weiterzugeben. Ein sehr intimer Augenblick auf der Bühne. Ein bewegender Einblick ins Innerste des Künstlers.

Werner Schmidbauer versteht es nach wie vor, sein Publikum mitzunehmen – auf eine Reise durch ganz unterschiedliche Gefühlswelten.
„Es macht eh wenig Sinn, viel Materielles zu sammeln“, ist der 63-Jährige überzeugt. Das einzig Lohnens- und Erstrebenswerte sei vielmehr, die schönen Momente im Leben zu sammeln. Das Stichwort für seinen Song „Momentnsammler„, den er diesmal in einer Reggae-Version seinem Publikum präsentiert – und bei dem es den Refrain freudig mitträllert. Beim darauf folgenden gleichnamigen Titelsong seines neuen Albums „Mia san Oans„ wird der weißhaarige Barde plötzlich politisch – und verschafft seinem Ärger über diese „bluads Spalterei“ auf Regierungsebene und in der Gesellschaft Luft. Seine Forderung: „Wir müssen uns das Leben hier teilen, denn wir sind eine Gemeinschaft.“
Nach der Pause berichtet er von seinen weitum bekannten Fleischpflanzerl-Vorlieben und übers Ankommen bei einem Menschen, seiner jetzigen Frau und Managerin Bianca, in die er sich gegen alle Widerstände („Werner, verliebt dich jetzt nicht!“) dann doch verkuckt hat. Und für die er – nach dreijähriger Schreibblockade“ – das Lied „Lillesand“ im Norwegen-Urlaub erschuf. Ein sehr persönlicher, romantischer und andächtiger Moment – berührend und auch ein bisschen sentimental.
„A Song about Verantwortung“
„Can you feel the Blues?“ Eine Frage, die Schmidbauer – mit Mundharmonika und Gitarre untermalt – dem Griesbacher Auditorium im dreckigsten New-Orleans-Kneipen-Slang kredenzt. „A Song about Verantwortung“, wie er ihn nennt, der sich als witzige Nummer entpuppt und bei dem der Oberbayer ziemlich faul und verantwortungslos auf der Couch liegend hofft, „dass irgendwann oana kummt, der fia mi bieslt und schnauft“.
Dann geht’s noch „Richtung Süden„, genauer gesagt nach Sizilien, wo er mit seinem einst kongenialen Bühnenpartner Martin Kälberer seit vielen Jahren den Silvesterabend beim gemeinsamen Freund und Musikerkollegen Pippo Pollina verbringt. Ein Lied, bei dem die italienische Note nicht zu kurz kommt. Ein Lied auf die Freundschaft und das Feiern des Lebens. Übers Kochen, Trinken, Ratschen, Genießen, Lachen und Musizieren…
„Glück g’habt“ ist Schmidbauers Tochter gewidmet und handelt von der Neugierde und Faszination der Kinder, die Welt immer wieder von Neuem zu entdecken. Das von ihm ebenfalls ins Bairische transferierte Stefan-Stoppok-Cover und Friedenslied „Pack mit an!“ („Pack mit o!„), treibt einem dann nochmal so richtig die Tränen der Rührung in die Augen. Genauso wie das Zugabe-Stück „Pfeilgradaus„. Der Rest ist eine Mischung aus Gänsehaut, Applaus, Dankbarkeit und einer großen Hommage an die Freundschaft – „an am Omd, so wia heid…“
Stephan Hörhammer