Berlin/Hauzenberg. 2021 war es für viele eine kleine Überraschung, als der bis zu diesem Zeitpunkt überregional eher unbekannte Johannes Schätzl in den Bundestag einziehen konnte. Vier Jahre später gehört der 31-jährige Hauzenberger zu denjenigen, die wiedergewählt werden möchten. Trotz der Tatsache, dass der Informatiker als SPD-Vertreter Teil der gescheiterten Ampel-Koalition ist, zeigt sich der Direktkandidat der Sozialdemokraten im Wahlkreis Passau (228) im Hog’n-Interview weiter kämpferisch…
„So viel, was ich anpacken möchte“
Herr Schätzl: Bitte stellen Sie sich zunächst unseren Lesern kurz vor.
Servus, ich bin Johannes Schätzl, 31, und komme aus Hauzenberg. Dort bin ich seit 2014 Stadtrat für die SPD. Ich bin studierter Informatiker und habe lange bei der ZF gearbeitet. Im vergangenen Jahr bin ich Vater geworden, aktuell bauen wir ein Haus in Hauzenberg. Zeit für Hobbys bleibt zwischen Familie, Bundestag und Hausbau nicht häufig, aber wann immer es geht, findet man mich auf dem Fußballplatz des SV Haag.
Warum genau wollen Sie in den Bundestag einziehen?
Ich darf seit 2021 meine Heimat im Bundestag vertreten. Die Kommunalpolitik hat mein Interesse für Bundespolitik geweckt: Viele Beschlüsse, mit denen wir auf kommunaler Ebene arbeiten, werden in Berlin gemacht. Ich wollte mich an diesen Gesetzesverfahren beteiligen, meine eigenen Ideen einbringen und sie besser machen. Es ist eine unglaubliche Chance, als Bundestagsabgeordneter an konkreten Gesetzestexten arbeiten zu können. Das durfte ich in den vergangenen Jahren bereits mehrmals tun. Aber es gibt noch so viel, was ich anpacken möchte.
Welche Themen aus ihrem Wahlkreis wollen Sie „im fernen Berlin“ in den Fokus rücken?
Als Informatiker spielt für mich die Arbeit im Ausschuss für Digitales eine besonders große Rolle. Hier kann ich das verändern, was meiner Meinung nach längst überfällig ist: Der Breitband- und Mobilfunkausbau in allen Teilen unseres Landes. Das ist die Zukunft. Darüber hinaus stehen für mich die Themen im Fokus, die meinen Wahlkreis betreffen: Ich setze mich dafür ein, dass wir endlich zu einer vernünftigen Lösung an unseren Grenzübergängen kommen, die sowohl für Sicherheit sorgt, als auch den Grenz- und Durchgangsverkehr nicht übermäßig belastet.
„Bedeutung des ländliches Raumes keineswegs kleiner“
Außerdem brauchen wir in unserer ländlichen Heimat nachhaltige Lösungen für unsere Gesundheitsversorgung: Auch kleine Krankenhäuser müssen erhalten bleiben, ärztliche Versorgung muss jederzeit in erreichbarer Nähe sein. Die gute Lebensqualität kommt auch durch die guten Zukunftsaussichten der Arbeitsplätze zustande: Diese müssen unbedingt erhalten bleiben.
Es gilt, unseren Wohlstand durch eine kluge Politik zu unterstützen und zu sichern. Dazu zählt im Bayerischen Wald auch der Tourismus: Wir profitieren an vielen Stellen von seiner Schönheit, der Wald ist ein attraktiver Urlaubsort. Dennoch müssen wir auch diesen Wirtschaftszweig politisch unterstützen und Investitionen in unsere Region und ihre Betriebe begünstigen. Damit es schön bleibt – und nachhaltiges Wachstum möglich ist.
Inwiefern ist es überhaupt möglich, Themen des ländlichen Raums, der in Sachen Aufmerksamkeit und Bedeutung den Großstädten und Metropolregionen hinterherhinkt, auf Bundesebene zu platzieren?
Ja, wir reden häufig über Probleme in Großstädten. Die Bedeutung des ländlichen Raums ist aber keineswegs kleiner: Über 90 Prozent der Fläche Deutschlands sind ländlich geprägt, mehr als die Hälfte der Menschen lebt im ländlichen Raum. Viele Kollegen von mir kommen ebenfalls aus ländlichen Wahlkreisen.
„In Debatten häufig um uns selbst gedreht“
Wir haben dann häufig ähnliche Anmerkungen, zum Beispiel sind Mietpreise und Kinderbetreuung keine so großen Herausforderungen wie in der Stadt – sehr wohl aber schlechtes Internet und ein Bus, der nur alle paar Stunden das Dorf anfährt. Es gibt Arbeitskreise innerhalb meiner Fraktion und auch überfraktionell, die sich genau mit diesen Themen beschäftigen und versuchen, auf Gesetze und Parteiprogramme Einfluss zu nehmen. Gemeinsam schaffen wir es dann, dass die Bedeutung des ländlichen Raums auch die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.
Die Politikverdrossenheit, insbesondere was die Bundespolitik betrifft, nimmt immer mehr zu. Wie wollen Sie diesem Trend entgegenwirken?
Politikverdrossenheit entsteht oft, wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Sorgen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Sie entsteht auch, wenn Menschen nicht mehr nachvollziehen können, worüber wir in Berlin diskutieren und warum wir das tun. Als Ampel haben wir uns zu häufig in Debatten um uns selbst gedreht, die außerhalb viele nicht nachvollziehen konnten. Am Ende blieb ein Gefühl von Verunsicherung.
Ich habe mich immer bemüht, im Wahlkreis mit den Menschen im Austausch zu sein, zu erklären, Ideen mitzunehmen, aber auch ehrlich Fehler zuzugeben. Wir brauchen eine bessere, ehrlichere Kommunikation von allen Seiten – auch in Zeiten, in denen kein Wahlkampf stattfindet. Es ist wichtig, besonders auch jungen Menschen, die wenig Kontakt mit Politik haben – so war es bei mir auch lange – zu zeigen, dass ihre Stimmen zählen und ihre Anliegen gehört werden. Deswegen ist mir der Austausch mit ihnen ganz besonders wichtig.
„Agieren der FDP hat mich persönlich enttäuscht“
Wie bewerten Sie generell das „Ampel-Aus“ und die in der Folge notwendig gewordenen vorgezogenen Wahlen?
Ich hatte 2021 die ehrliche Hoffnung, mit der „Fortschrittskoalition“ viele Dinge verändern zu können. Wir haben in vielen Bereichen dringend grundlegende Reformen und Investitionen gebraucht: In der Bildung, bei der Rente, beim Wohnungsbau, in der digitalen Infrastruktur, bei der Bahn. Vieles davon haben wir angepackt, aber das ist bei den Streitereien häufig in der öffentlichen Diskussion untergegangen.
Das Agieren der FDP zum Ende der Ampel hat mich persönlich enttäuscht. Auf Fachebene habe ich immer gut mit meinen FDP-Kollegen zusammengearbeitet, aber das Verhalten der Führung war schlechter politischer Stil. Von daher war es letztendlich richtig vom Bundeskanzler, die FDP-Minister zu entlassen und eine geordnete Neuwahl herbeizuführen. Gerüchte um ein Ampel-Aus gab es in den vergangenen Monaten immer wieder, daher war ich darauf vorbereitet und konnte schnell in den Wahlkampf starten.
Die politisch (extremen) Ränder freuen sich über wachsenden Zuspruch in der Wählergunst. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Ist aufgrund dieser Entwicklung ein freies, offenes und demokratisches Deutschland ihrer Meinung nach in Gefahr?
„Wir müssen jeden Tag für unsere Ideen kämpfen“
Unsere Grundrechte, unsere Demokratie sind die wichtigste Errungenschaft unseres Landes und unserer Vorfahren. Jeder Mensch hat persönliche, individuelle Rechte, die ihm zustehen und die ihm nicht genommen werden können. Wir schützen das, indem wir unser demokratisches Deutschland schützen. Die politisch extremen Ränder respektieren das nicht: Im Bundestag selbst wird die Unabhängigkeit unserer Justiz in Frage gestellt, der Holocaust verharmlost, Gleichberechtigung untergraben und es werden Fake News und Verschwörungstheorien verbreitet.
Wenn wir uns nicht mehr auf eine gemeinsame, respektvolle und demokratische Diskussionsgrundlage einigen können, ist das keine Basis für konstruktive Politik. Es verzerrt die Wahrnehmung von Fakten, spaltet die Gesellschaft und, ja, das kann unser politisches System gefährden. Unser Grundgesetz ist glücklicherweise mit einigen Schutzmechanismen ausgestattet.
Wir müssen deswegen jeden Tag für unsere Ideen und unsere Vorstellung von einem lebenswerten Land kämpfen. Wir müssen unsere Überzeugungen erklären und auch aufzeigen, warum Lösungen für große Probleme nie einfach sein können.
„Brauchen mehr Investitionen in Wirtschaft“
Welcher Person/ welcher Partei geben Sie am 23. Februar ihre Stimme?
(Keine Antwort)
Abschließend der obligatorische Blick in die Zukunft: Welche drei Dinge wünschen Sie sich für die Bundesrepublik Deutschland?
Wir brauchen für sichere Arbeitsplätze und mehr Wohlstand Investitionen in Wirtschaft und Wachstum. Außerdem besprechen wir das Thema Rente, von der auch die jungen Menschen im Alter noch etwas haben werden. Ich wünsche mir, dass wir endlich mit ganzer Kraft die Dinge angehen können, die den Alltag der Menschen schwer machen: zu hohe Lebensmittelpreise, zu hohe Pflegekosten, zu wenig Netto auf dem Gehaltszettel.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute für die Zukunft.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer