Lam. Nein, der Name „Dimpfl-Stadl“ leitet sich, um es gleich einmal vorwegzunehmen, nicht von „Bierdimpfl„ ab. Der Saal des Gasthauses Lemberger in Lam ist nach dem Familiennamen der Vorbesitzer benannt. In der Gaststube sucht man jedoch Wirtshaushocker vergeblich. Stattdessen sitzen an diesem Nachmittag vereinzelt Restaurantbesucher an den Tischen. Ziehharmonika- und E-Bass-Klänge, untermalt von zwei kräftigen Männerstimmen, wabern durch den rustikalen Gastraum.

„Ob Waidler oder Urlaubsgast, im Dimpfl-Stadl macht jeder Rast“ prangt über dem Außeneingang zum Saal. Der Dimpfl-Stadl ist über 200 Jahre alt und mit seinen rund 200 Sitzplätzen ideal für größere Musik- und Tanzveranstaltungen. Fotos: Anna Diller
Die volkstümlichen Töne stammen von zwei Mitgliedern einer sechsköpfigen Gästegruppe aus Wegscheid. Für das große Volksmusikantentreffen, das am Abend im Dimpfl-Stadl stattfindet, kommen sie jedes Jahr nach Lam und bleiben dort ein paar Tage. Als musikaffine Zuhörer und Tänzer, so verrät die Gruppe, begleite sie begeistert die alljährliche Veranstaltung.
„Früher war hier fast jeden Tag Musik“
Seit drei Jahren gibt es das Musikantentreffen mittlerweile, erklärt Benedikt Schrötter. Der 21-Jährige probt im Dimpfl-Stadl fleißig mit seiner vierköpfigen Band Bergwaidler. Für Partys oder Schlager nehmen sie noch einen Schlagzeuger als fünften Mann mit. Mittlerweile kommen sie – seit ihrer Gründung in der Corona-Zeit – auf über 50 Auftritte pro Jahr.
Als Saisonabschluss hat die Gruppe aus Lam und Umgebung dann vor drei Jahren beschlossen, befreundete Bands einzuladen und mit diesen einen reinen Oberkrainer-Abend zu veranstalten. Vier Volksmusikgruppen treten seither jedes Jahr meist in diesem Rahmen Ende Oktober auf. Der Termin war von Anfang an ein voller Erfolg und jedes Mal „innerhalb von fünf Stunden ausverkauft“.
Veränderter Zeitgeist
Wirt Stefan Lemberger stellt den Veranstaltern den Saal kostenlos zur Verfügung. Sein Haus war schon immer musikantenfreundlich. „Früher war hier fast jeden Tag Musik“, erinnert sich der 35-jährige gelernte Koch und Betriebswirt. „Bestimmt 130 Veranstaltungen“ seien es 2007 gewesen, liest er in den Programmaufzeichnungen nach.
Mittlerweile zählt er freilich nur noch ungefähr 20 Musikabende pro Jahr. „Wir hatten früher lauter Alleinunterhalter, jetzt sind es Bands mit vier oder fünf Mann“, resümiert er über den Zeitgeist. Außerdem sei nur noch die „kalte Jahreszeit“ für Musikveranstaltungen prädestiniert.
Außergewöhnlichkeit: kein Personalmangel
Für den heutigen Abend kommen alle Familienangehörigen zusammen: zwei der drei Brüder, Ehefrau, Mutter, Schwiegermutter, Onkel – jeder hilft mit. Auch sonst kann sich der sympathische Wirt über Personalmangel nicht beklagen: Die 70-jährige Bedienung Roswitha ist schon seit 37 Jahren hier, der Koch seit 32 Jahren, die Thekenkraft seit 25 Jahren und die Kellnerin in der Gaststube seit sechs Jahren.

Die Familienmusik Freund aus Waldkirchen lädt mit ihrem beschwingten Programm dazu ein, gerne das Tanzbein zu schwingen.
„Wir haben nur langjährige Mitarbeiter“, zeigt sich der Chef des Hauses stolz und betont, dass das es nur funktioniere, weil es „großteils ein reiner Familienbetrieb“ sei. Im dazugehörigen Hotel mit frisch renovierten Zimmern verzeichnet der zweifache Familienvater steigende Übernachtungszahlen.
Früher war das Wirtshaus eine Tafernwirtschaft mit einer Metzgerei und einer Landwirtschaft. 1986 gab Stefan Lembergers Vater Alois die Landwirtschaft auf und baute den ehemaligen Stall und das Heulager zu einem Tanzstadel um. Lemberger hat den Betrieb von seinem Vater übernommen. Mittlerweile sei er auf jeden Fall schon die sechste Generation in Familienhand, meint seine Mutter, die gerade emsig vorbeihuscht.
Sogar aus dem Ostallgäu kommt eine Gruppe
Unten im Stadl haben sich schließlich um die Bühne herum alle aktiven Musiker eingefunden. Die weiteste Anreise kann die Band Combo 4 für sich verzeichnen: Ihre vier jungen Männer stammen aus dem Oberallgäu – aus Sonthofen und Oberstaufen. „Weil wir mit den Bergwaidlern schon lange eine musikalische Freundschaft haben“, hätten sie sofort zugesagt, als Schrötter sie gefragt habe, ob sie dieses Mal mit von der Partie sein wollten.
Rund um das Gasthaus Lemberger
„Es freut uns, bei so tollen Musikern dabei zu sein“, betont Combo-4-Mann Armando „Ami“ Strele. Genau wie die Bergwaidler spielen auch sie hauptsächlich Oberkrainer Musik, so der 29-Jährige, der dankbar für solche besonderen Veranstaltungen und Organisatoren ist. Denn: „Wenn es solche Leute wie den Benedikt nicht gäbe, dann wäre es schnell einmal ruhig.“
Von Ruhe ist nun keine Spur mehr im Dimpfl-Stadl. Dort haben sich nach und nach alle 200 Plätze gefüllt und die Bergwaidler legen als Opener und Einführung in den Abend lautstark los. Die Bühne wollen sie aber heute den anderen Musikgruppen überlassen, eröffnet Frontmann Schrötter die Veranstaltung.
„Wir gehen regelmäßig auf d’Musi“
Jede Gruppe kommt dabei rund eineinhalb Stunden zum Zug – der Abend wird lang. Doch schon bald finden sich die ersten Paare auf dem Tanzparkett ein. Die meisten Gäste sind „Wiederholungstäter“. Sie wissen genau, was sie erwartet, und kommen gerade deswegen: „Wir gehen regelmäßig auf d’Musi; es ist ein g’miatliches Beisammensein“, loben zwei junge Männer aus Lam. Zwar sei das Publikum „durchgemischt“, von „Alt bis Jung“, aber „hier im Umkreis, im Lamer Winkel, ist Oberkrainer Musik vor allem auch bei den Jungen sehr gerne gehört“, so Schrötter.
Fast alle Gäste im Stadl sind in blitzsauberer, authentischer Tracht gekleidet. Einige Gäste kommen sogar aus Oberösterreich. Auch ein älteres Ehepaar aus Bamberg, das in einem benachbarten Hotel wohnt, ist auf die Veranstaltung aufmerksam geworden und mischt sich unter das überwiegend einheimische Publikum. Letzteres wird von Kellnerin Roswitha mit den üblichen Getränken versorgt, denn „I woaß eh, was Ihr trinkts“, sagt sie als Begrüßung zu den ihr bekannten Gesichtern.
Die Kellnerin in der Wirtsstube vorne ist dagegen froh, dass ihr Betätigungsfeld heute auf die Räumlichkeiten im vorderen Teil des Hauses beschränkt bleibt. Denn „letztes Jahr sind die Letzten im Dimpfl-Stadl um vier Uhr in der Früh nach Hause gegangen“, weiß sie lachend. Die Begeisterung für Oberkrainer Musik kennt in Lam kein Ende. Vor allem, wenn’s richtig „krainert“…
Dr. Anna-Maria Diller