Es gibt Menschen, die wissen schon in jungen Jahren ganz genau, was sie wollen und was sie im Leben glücklich macht. Sie gehen beruflich ihrer großen Leidenschaft nach, entscheiden sich für ein unkonventionelles Leben auf Reisen oder finden ihr absolutes Lebensglück darin, Vater und Mutter zu sein. Es macht den Eindruck, als hörten sie tatsächlich diese sagenumwobene „innere Stimme“, die ihnen jeden Tag sanft zuflüstert, was der richtige Weg im Leben ist. Teil eins unserer neuen Hog’n-Serie „Midlife Moods„, die sich mit Sinnkrisen und dem Wandel in der zweiten Lebenshälfte beschäftigt.

Ist das der richtige Weg? Ist das mein Weg? Wohin führt mich dieser Weg überhaupt? Und: Gibt’s noch andere Wege, die es zu beschreiten gilt? Symbolfoto: pixabay
Und dann gibt es Menschen, wie mich. Ich bin 38 Jahre alt, eine Frau in den besten Jahren. Die Hälfte meiner Lebenszeit ist bald vorbei, aber auf der Suche bin ich immer noch. Ich habe nicht nur den EINEN „Mitbewohner“, der regelmäßig und sehr klar mit mir kommuniziert. In mir wohnen an die hundert „innere Stimmen“, die alle eine andere Sprache sprechen. Jede zeigt mir einen möglichen Lebensweg auf – und süß verlockend klingen sie alle.
Ankommen. Was heißt das eigentlich?
Ein ortsungebundener Job voller Freiheit, Abenteuer und Reisen – das ist es! Ein kleines Häuschen in den Bergen mit Kindern, Hund und einem liebevollen Ehemann – klingt auch nicht schlecht! Der Job beim Radio war toll, Grafikdesign macht aber auch Spaß. Soll ich lieber Musikunterricht geben? Oder doch einen eigenen Foodtruck eröffnen? Wobei ich eigentlich schon immer Fotografin werden wollte… Für Menschen wie mich ist es nahezu unmöglich sich festzulegen, weil wir uns bei den schier unendlichen Möglichkeiten da draußen einfach nicht festlegen wollen.

„Ich habe schon einige Entscheidungen getroffen, die ich zumindest nicht bereut habe.“ Symbolfoto: pixabay
Und bei dieser schier unendlichen Suche geht es ja nicht nur um die Berufsfrage. Ich habe das Gefühl: Je älter ich werde, desto mehr Stimmen werden es: „Mir rennt die Zeit weg! Wo stehe ich, wo will ich hin? Will ich noch Kinder? Heiraten? Was ist meine Berufung, der wahre Sinn?“ Aber die wirklich entscheidende Frage ist doch: Läuft bei dieser ständigen Sucherei nicht irgendwann das Leben im Hier und Jetzt an uns vorbei? Müssen wir überhaupt Antworten finden? Oder können wir das Leben nicht einfach geschehen lassen…
Ich habe nicht das Gefühl, unglücklich zu sein. Ich bin sogar irgendwie ganz zufrieden, wie sich mein Leben bisher entwickelt hat. Ich habe schon einige Entscheidungen getroffen, die ich zumindest nicht bereut habe. Aber so richtig angekommen fühle ich mich nicht. Ankommen. Was heißt das eigentlich? Ankommen. Stehenbleiben. Verweilen. Nicht mehr weitergehen. Nicht mehr suchen. Ankommen im Beruf. Ankommen bei einem Partner, dem Seelenmenschen, den sich die meisten von uns wünschen. Ankommen an einem Ort, an dem man für den Rest seines Lebens glücklich sein kann. Hinter dem Wort „Ankommen“ steckt eine große Sehnsucht nach Geborgenheit, Ruhe und Seelenfrieden. Doch können wir diesen Zustand im Außen finden? Ich bin mir sicher: Am Ende geht es vor allem um das Ankommen bei uns selbst.
Je älter wir werden, desto…
Wir sollten uns darüber bewusst werden, dass Ankommen kein Ziel im Außen, sondern ein tiefes Gefühl im Inneren ist. Ein Gefühl tiefer Entspannung – ohne Schwere, ohne Druck. Einfach nur zu sein, mit uns, genug zu sein. Ohne etwas erreicht haben zu müssen. Ein Zustand innerer Fülle und Dankbarkeit, in dem wir uns einfach nur wohlfühlen, im Hier und Jetzt, in diesem Moment.
„Wahrer Beruf des Menschen ist,
zu sich selbst zu kommen.“ (Hermann Hesse)
Und ja, es ist ein langer Weg. Denn wir haben gelernt, dass wir dieses Gefühl erst so richtig spüren und annehmen dürfen, wenn wir etwas geleistet haben. Wenn wir alle Ziele erreicht und unseren Seelenpartner gefunden haben. Solange das nicht passiert ist, fühlen wir uns weiter unruhig, getrieben und rastlos. Spüren eine innere Leere, die wir im Außen schnellstmöglich kompensieren wollen. Und oftmals klappt das (vermeintlich) auch: Erfolg im Job, ein schickes Kleid oder ein neues Handy, ein kleiner Flirt oder Reisen in fremde Länder – all das gibt uns ein Glücksgefühl, das aber meist nicht lange besteht und sich nach kurzer Zeit wieder in Schall und Rauch auflöst.
„Das Geheimnis am richtigen Platz zur richtigen Zeit anzukommen,
liegt darin zu wissen, dass du immer genau dort bist.“ (Mike Dooley)
Ich denke: Je älter wir werden, desto öfter werfen wir den Blick auf unser Inneres und erkennen, dass wir selbst unser Wohlfühlort sind bzw. ihn in uns selbst finden dürfen. Dass wir ein tiefes Vertrauen haben können in uns selbst und in das Leben. Dass wir auf unser Herz hören, unsere Bedürfnisse wahrnehmen und in eine gute Verbindung mit uns selbst gehen. Und dass wir nicht mehr weiter suchen müssen nach irgendwas, irgendwem, irgendwo – weil wir schon längst angekommen sind und es an der Zeit ist, dies zu realisieren…
Eure Jenny Seestern