Norwegen. Endlich! Norwegen! Wir sind da! Nach unserer Ankunft im „gelobten Land“ haben wir die erste Nacht am Rande des Telemark Nationalparks verbracht. Mitten in der Natur, umgeben von Wäldern, Wasser und frischer Luft – angenehm ruhig und der Jahreszeit (Herbst) entsprechend „zapfig“, wie man im Bayerwald so schön sagt. Wir, das sind Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer und Fotografin Jennifer Schaller, die sich ihren Traum vom Skandinavien-Urlaub verwirklichen – und mit dem Off-Camper-Reisemobil auf dem Landweg einmal von München nach Nord-Europa gondeln. Tag 6: Mitten hinein in die Kulturlandschaften Norwegens!

Wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich: Der Blick vom Campervan aus auf die umliegende Natur am Rande des Telemark-Nationalparks.
„Wie in Kanada“ – ein Satz, der uns beim Anblick der Landschaft immer wieder über die Lippen kommt. Mit offenen Mündern stehen wir früh morgens vor unserem Camper am See, können uns nicht satt sehen und versuchen sogleich, den Moment samt Sonnenaufgang fotografisch festzuhalten. Frühstück gibt’s keins, denn wir sind reiselustig, haben Lust auf Land und Leute – und wollen uns hineinwerfen ins pralle Leben dieses ach so schönen Flecken Erde…
In der „gotischen Kathedrale“ wird Holz geatmet
Nachdem wir in Kongsberg getankt haben, machen wir uns auf Richtung Heddal, um die größte Stabkirche Norwegens zu besuchen. Dort angekommen, parken wir „Freddy“, wie wir unseren „Grand California“ liebevoll nennen, vor dem altehrwürdigen Gebäude. Sogleich läuft uns eine ältere Dame über den Weg, die ebenfalls gerade erst auf dem dazugehörigen Parkplatz angelangt ist und nun interessiert das KfZ-Kennzeichen unseres Mobils mustert.
„Oh, Sie kommen aus Deutschland – wollen Sie auch zur Kirche?“, fragt sie uns in beinahe akzentfreiem Deutsch und lächelt uns freundlich zu. Wir bejahen verblüfft und freuen uns über die vertraut klingenden Worte. Wie sich schnell herausstellt, war die 84-Jährige einst als Lehrerin für Deutsch, Geschichte und norwegische Literatur an einem nahegelegenen Gymnasium tätig – und wohnt nicht weit weg von hier. Was für ein netter Zufall!
Sie geleitet uns zu dem rund 20 Meter langen und 26 Meter hohen, von einem großen Friedhof mit viel Grün umgebenen Holzbauwerk aus dem 13. Jahrhundert, das einer Sage nach von einem Troll namens Finn in nur drei Tagen erbaut wurde. Imposant ragen die einzelnen Dächer der Stabkirche empor und verleihen ihr zurecht den Beinamen „gotische Kathedrale“. Da heute Sonntag ist, dürfen wir die Kirche glücklicherweise auch von innen begutachten – an Wochentagen ist sie gewöhnlich für Besucherinnen und Besucher nicht zugänglich.
Als wir die heiligen Hallen betreten, lässt der Organist gerade den Deep-Purple-Klassiker „Smoke on the Water„ erklingen – offenbar als Warm-Up für den bevorstehenden Gottesdienst. Die Stimmung ist gut, nahezu euphorisch. Man freut sich, hier an diesem friedvollen Ort aufeinander zu treffen, an dem der Werkstoff Holz über alles dominiert. Säulen, Wände, Altar und Bänke – Holz, soweit das Auge reicht. Hier atmet man Holz. Der charakteristische Duft ist allgegenwärtig. Besonders auffällig sind die verschnörkelten Verzierungen der Wände. Ein Genuss für die Sinne – schlicht und durchdringend.
„Höllentrip“ hinunter nach Dalen
Wir fahren weiter auf der E134 in Richtung Westen. An den Straßenrändern weisen uns Schilder erstmals darauf hin, dass Elche die Fahrbahn queren könnten. Wir halten immer wieder an, um reißende Stromschnellen und von grünen Bergen umrandete Seen aus nächster Nähe auf uns wirken zu lassen. Mehr Natur geht nicht, denken wir uns – und sollten im Laufe unserer Reise dann doch noch eines Besseren belehrt werden. Im Angesicht der Landschaft konzentrieren wir uns auf das Wesentliche – auf das, was wirklich von Belang und von Bedeutung ist. Fernab von digitalen Entwicklungen und Errungenschaften, unmittelbar konfrontiert mit den Ursprüngen unseres Menschseins und der Schöpfung. Momente, die gegenwärtiger nicht sein könnten.
Auf dem Weg nach Dalen befindet sich ein kleines, unbewohntes Dorf, das mit seinen zahlreichen (Holz-)Häusern, die die ursprüngliche norwegische Bauart widerspiegeln und zu rein touristischen Zwecken erhalten wurde, ein bisschen an das Freilichtmuseum Finsterau im Bayerischen Wald erinnert. Dort ist auch eine kleine Stabkirche zu sehen, dazu ein Friedhof, gegenüber ein See. Idylle hoch drei. Man hat das Gefühl, als würde man einige Jahrhunderte in der Zeit zurückreisen.
Und dann wird’s spannend: Nachdem wir einige Höhenmeter bergauf zurückgelegt haben, geht’s auf der anderen Seite auch schon wieder hinunter Richtung Dalen, dem Verwaltungssitz der Kommune Tokke in der Provinz Telemark, am Westende des Bandak-Sees. Die engen Serpentinen, gespickt mit gewagten Spitzkehren an den jeweiligen Kurvenenden, schlängeln sich den steilen Hang ins Tal hinunter, den Abgrund stets im Blick. Das ist tatsächlich nichts für schwache Nerven – und ein erster, echter Härtetest für „Freddy“, der den von seinen Fahrern als „Höllentrip“ bezeichneten Ritt mit Bravour meistert.
Schokokuchen, Indian Summer und jede Menge „Hubbel“
In dem 500-Einwohner-Örtchen suchen wir uns einen Platz für unsere Mittagspause samt Imbiss und werden in einem kleinen Wäldchen unweit des Sees fündig. Den Nachtisch gönnen wir uns in einem kleinen, wunderbar hyggelig bzw. „norgelig“ eingerichteten Café im Zentrum von Dalen. Es gibt „Sjokoladekake“ (Schokoladenkuchen) und „Ostekake“ (Käsekuchen), beides glutenfrei und deshalb irgendwie gewöhnungsbedürftig angesichts der trockenen Konsistenz. Im Anschluss wollen wir erstmals den Frischwasserbehälter unseres Campers auffüllen, was wir an einer Camping-Station in der Nähe zwar etwas „spritzig“, aber insgesamt ohne größere Probleme erledigen können.
45 Minuten später kommen wir nach Fyresdal, wo sich der „Hamaren Activity Park“ samt Baumwipfelpfad befindet. Ein echtes Naturparadies für Outdoor-Liebhaber. Über einen Bohlenweg, der unmittelbar neben dem Fyresvatn an großen Felsformationen vorbeiführt, gelangt man in den Aktivitätenpark. Dort kann man einen Kletterwald erkunden, sich an zahlreichen Grillhütten mit Feuerstellen erfreuen, über hölzerne Pfähle balancieren, an Seilen entlanghangeln oder auf Höhe der Baumspitzen die herrliche Aussicht über den See genießen. Das Wetter ist angenehm – und schnell stellt sich eine Art „Indian-Summer“-Feeling ein. Ja, doch, hier könnte man’s durchaus länger aushalten.
Doch wir wollen weiter Richtung Süden, nach Åmli, wo wir unser Nachtlager aufschlagen. Und um dorthin zu gelangen, müssen wir den Fyresvatn ein halbes Mal umrunden – auf einer (schmaleren) Straße, die recht abenteuerlich – mal hoch, mal runter – am See entlang führt. Gegenverkehr in Form von LKW oder Reisemobil wäre hier aufgrund der Enge der Fahrbahn etwas ungünstig, doch wir haben Glück und kommen – aufgrund der vielen „Hubbel“ in der Straße – ordentlich durchgerüttelt und -geschüttelt am Zielort an.
Uns erwartet eine ruhige Nacht
Nachdem wir einen kleineren Fluss über eine Brücke queren, entscheiden wir uns kurzerhand nach Einbruch der Dunkelheit für einen spontan via „park4night“-App angezeigten Rastplatz unmittelbar neben dem Gewässer. Wir rangieren unser Mobil über grasbewachsenen norwegischen Mutterboden zwischen zwei Bäume, stellen den Motor ab und freuen uns müderweise auf die bevorstehende Nacht, die – aufgrund der Tatsache, hier völlig ohne Nachbarn zu campieren – gewiss eine ruhige wird. Eine kleine Brotzeit noch, dann heißt es nach weiteren 240 Kilometern und vier Stunden „on the Road“ wieder einmal: Gute Nacht, John-Boy!
Stephan Hörhammer
Im sechsten Teil unserer Hog’n-Road-Trip-Serie geht es weiter durch den Telemark-Nationalpark hinunter nach Kristiansand, ans Meer. Dort gibt es (endlich) frische Nordsee-Krabben für den einen – und frische Socken für den anderen der beiden Off-Camper-Reisenden…
_________________
- On the Road to Norway (1): Mit dem Camper Richtung Norden
- On the Road to Norway (2): „Wir sind CamperBoys for Life!“
- On the Road to Norway (3): Nackte Dänen, nette Schweden!
- On the Road to Norway (4): Endlich wird’s „norgelig“!