Los Angeles. Der Himmel ist grau, Aschefetzen fallen vom Himmel, die Luft riecht verbrannt. Die Situation in Los Angeles ist beängstigend. Seit dem Ausbruch des ersten Feuers am vergangenen Dienstag in den Pacific Palisades, einem Stadtteil im Norden, hat sich die Lage stetig zugespitzt. Anfang der Woche wurden in L.A. und Umgebung Starkwind-Warnungen veröffentlicht, man rechnet mit Sturmböen von bis zu 130 km/h. Seit jenem 7. Januar herrscht in der größten Stadt Kaliforniens der Ausnahmezustand. USA-Auswandererin und Hog’n-Korrespondentin Malin Schmidt-Ott, die seit 2023 in Santa Monica lebt und ebenfalls bereits evakuiert werden musste, berichtet.
Begünstigt durch die trockene Landschaft und die starken Santa-Ana-Winde, von Kaliforniern auch als „Devil’s breath“ („Teufelshauch„) bezeichnet, breitete sich das Feuer schnell in Richtung Malibu im Westen aus. Der berühmte Pacific Coast Highway (PCH), der entlang der malerischen Küste von Malibu führt, wurde für den Verkehr gesperrt. Rund 30.000 Bewohner von Pacific Palisades, einer der wohlhabendsten Gegenden in Los Angeles, mussten ihre Häuser fluchtartig verlassen. Durch die Sperrung der Straßen Richtung Norden und die vielen Menschen kam es zu großen Staus. Nichts ging mehr. Das Los Angeles Fire Department (LAFD) wies die Verkehrsteilnehmer in der Gefahrenzone an, ihre Autos stehen zu lassen und zu Fuß zu fliehen.
Windböen von bis zu 160 km/h
Am Nachmittag des 7. Januar brach ein zweites Feuer aus: Das „Hurst Fire“ im Nordosten der Stadt griff bald auf den Freeway über und versperrte eine der Evakuierungsrouten. Feuerwehrkräfte versuchten mit Unterstützung von Helikoptern und Löschflugzeugen die Flammen zu bekämpfen. Gegen 18.20 Uhr kam es dann zum dritten Feuer („Eaton Fire“). Schnell wurden dabei Evakuierungen angeordnet, da sich der Brandherd nahe eines Waldgebiets befindet und die Brandfläche rapide anwuchs.
Noch am selben Abend konnten einige kleinere Feuer vergleichsweise schnell unter Kontrolle gebracht werden. Das „Lidia Fire“, das am Morgen des 8. Januars ausbrach, fraß sich schnell durch trockene, glücklicherweise nicht besiedelte Landschaften. Tierschutzorganisationen betonten immer wieder die Gefahr für Wildtiere und bitten Menschen in angrenzenden Gebieten, Wasser bereitzustellen. Die Tierheime füllten sich und gerieten schnell an ihre Grenzen. Etwa zur gleichen Zeit kam es in Teilen der Stadt – darunter Venice Beach, Santa Monica und Beverly Hills – zu Stromausfällen. Viele Überlandleitungen wurden entweder durch die heftigen Windböen oder das Feuer zerstört.
Am selben Morgen, gegen 10 Uhr Ortszeit, wurde auch ein Feuer in den Bergen in der Nähe des Stadtteils Hollywood gesichtet. Das weitum sichtbare „Sunset Fire“ breitete sich aufgrund starker Winde weiter Richtung Norden aus. Mittlerweile sind Windstärken von teils bis zu 160km/h gemessen worden. Nicht nur das berühmte Hollywood Sign, auch viele umliegende Gebäude waren zwischenzeitlich in Gefahr. Die Stadtverwaltung sprach auch hier einen Evakuierungsbefehl aus, der am nächsten Morgen jedoch wieder aufgehoben wurde, nachdem das Feuer gelöscht war.
Lokale Medien sprechen von “Feuerstürmen”
Das Inferno trieb auch am 9. Januar weiter sein Unwesen. Zu diesem Zeitpunkt wurden rund 180.000 Menschen dazu aufgefordert, ihre Bleibe zu verlassen, tausende hatten inzwischen ihre Häuser und Wohnungen verloren, fünf ließen ihr Leben in den Flammen. Die Zahl der Verletzten stieg stetig an. Die Luftqualität in der gesamten Stadt war von Rauch und herabfallender Asche beeinträchtigt. Viele Menschen hatten ihre Wohnungen freiwillig verlassen – aus Angst, die Feuer könnten sich weiter durch die Stadt hindurchfressen oder um der schlechten Luft zu entgehen.
Ein Großteil der Bewohner von Los Angeles nutzt eine App namens Watch Duty, um die neusten Ereignisse im Blick zu behalten. Außerdem werden sog. AMBER Alerts an alle Smartphone-Besitzer gesendet, sofern sich diese in einer Gefahrenzone befinden. Ein wichtiger Maßstab in Bezug auf die Feuerausbreitung ist das sog. Containment-Percentage – ein Wert, der angibt, zu wie viel Prozent ein Feuer bereits eingedämmt werden konnte. Am Donnerstagmittag lag dieser Prozentsatz bei dem zuerst ausgebrochenen „Palisades Fire“ sowie dem „Eaton Fire“ immer noch bei null.
Die Feuer breiten sich weiter aus und haben mittlerweile eine Größe von mehreren tausend Hektar erreicht. Die heftigen Stürme erschweren es den rund 8.000 Einsatzkräften, die Feuer unter Kontrolle zu bringen bzw. einzudämmen. Lokale Medien sprechen von “Feuerstürmen” und zeigen Bilder von Windböen, die Funken durch die Luft schleudern. Um die Kräfte vor Ort zu unterstützen, wurden Einsatzkräfte aus der Bay-Area im Norden des Staates nach Los Angeles gesandt.
Kürzungen bei der Feuerwehr von L.A. mit fatalen Folgen
Zu wenig Regenfälle und die damit einhergehende Trockenheit bilden bekanntermaßen ein hohes Gefahrenrisiko für Waldbrände. Dennoch wurde vor nur sieben Monaten das Budget für das Los Angeles Fire Department (LAFD) um etwa 17,5 Millionen Dollar gekürzt – ein Schritt, der nun fatale Folgen nach sich zieht. Aufgrund der damit verbundenen Personal- und Haushaltskürzungen mangelt es aktuell unter anderem an Löschfahrzeugen, weshalb nicht alle verfügbaren Feuerwehrleute eingesetzt werden können.
Aktuell stützt sich Kalifornien bei der Bekämpfung von Waldbränden zunehmend auf inhaftierte Menschen. Bis zu 30 Prozent der Feuerwehrleute sind Strafgefangene, die für weniger als einen Dollar pro Stunde ihr Leben riskieren müssen. Doch nicht nur der Mangel an Fahrzeugen behindert die Löscharbeiten, auch ein Defizit an Löschwasservorkommen erschwert die Lage zusätzlich. Am Mittwochmorgen waren die Hydranten im Gebiet des „Palisades Fire“ nahezu versiegt. Nachdem man mehr als 15 Stunden lang den vierfachen Verbrauch des normalen Bedarfs benötigte, ging der Wasserdruck deutlich zurück und führte zu trockenen Hydranten in höheren Lagen.
Anspannung, Angst – und vor allem: Wut
Die Stimmung in Los Angeles ist angespannt. Aufgrund der Luftqualität tragen viele Menschen Masken, elektrische Luftreiniger sind ausverkauft und nicht wenige beginnen damit, sich einen Vorrat an Klopapier und Wasser-Reserven zuzulegen. In den Sozialen Medien werden Informationen zu Notfall-Unterkünften und weiteren Ressourcen geteilt. Einige Restaurants und Food-Trucks bieten kostenloses Essen für Evakuierte an, während Hotels und das Unternehmen AirBnB vergünstigte oder kostenfreie temporäre Unterkünfte bereitstellen.
Die Bewohner sind verängstigt, nervös und traurig. Viele haben Freunde, Bekannte und sogar Familienmitglieder, die direkt von den Feuern betroffen sind. Andere bangen um Angehörige, die als Einsatzkräfte vor Ort gegen die Flammen kämpfen. Und eine weitere Emotion bricht sich bei vielen Bahn: Wut. Wut darüber, dass Budgets für das Fire Department gestrichen wurde. Wut über zu wenig Engagement im Hinblick auf den Klimawandel. Wut darüber, dass es nahezu unmöglich ist, in Waldgebieten eine Feuer-Versicherung zu bekommen.
Doch zur selben Zeit zeigt sich der Zusammenhalt der sogenannten Angelinos mehr denn je: Nachbarschaften kommen zusammen, um Lebensmittel und Geld für Evakuierte zu sammeln, lokale Organisationen verteilen Hygieneprodukte – und viele Bewohner sicherer Gebiete öffnen ihre Türen für jene, die eine Unterkunft benötigen.
Malin Schmidt-Ott