Kirchl. Fast zehn Jahre ist es her, dass es die Webkünstlerin Susi Hepfinger aus dem Chiemgau in den Bayerischen Wald verschlagen hat. Sie und ihr inzwischen verstorbener Mann haben sich Hals über Kopf in das „Vatterl-Haus“ in Kirchl bei Hohenau verliebt. Das Ehepaar hat das denkmalgeschützte Bauernhaus aus dem Jahr 1782 spontan gekauft. Mit eingezogen sind nicht nur die schönen alten Webstühle von Susi sowie zwei prächtige Norwegische Waldkatzen. Sondern auch eine besondere Weihnachtskrippe, die Susis Tante Traudl geschaffen hat.
Traudl Hepfinger, die 1913 in München geboren wurde, war für ihre Zeit eine sehr unkonventionelle, emanzipierte Frau. Sie besuchte die Schnitzschule in Garmisch-Patenkirchen und die Bildhauerklasse an der Akademie der Bildenden Künste in München. Trotz vieler Verehrer entschied sie sich bewusst gegen die Ehe und für ein Leben als Bildhauerin auf dem Land am Chiemsee.
Ein genauer Blick auf die Krippe im „Vatterl-Haus“:
Die Winter gehörten ganz der Schnitzarbeit an ihren Krippenfiguren. Es entstanden Tiere aus duftender Zirbelkiefer sowie Köpfe, Hände und Füße aus Lindenholz. In einem nächsten Schritt wurden die geschnitzten Teile mit Kupferdraht verbunden, mit Wollwatteline umwickelt und Temperafarben bemalt. Mit selbst gewebten Wollstoffen, antiken Seidenstoffen oder schwerem Brokat wurden die Figuren dann in der Vorweihnachtzeit eingekleidet.
Traudl Hepfingers Krippe umfasst etwa 90 Figuren. Alle sind um die 30 Zentimeter hoch. Jede einzelne von ihnen hat eine eigene, besonderen Geschichte. Da sind natürlich die Heilige Familie, Könige, Engel und Hirten, aber auch Musikanten, Handwerker, Bettler, Kinder, ein Sternendeuter und eine wunderbare Tierwelt, die sich nicht auf Schafe, Ochs und Esel beschränkt.
Neue Heimat in Kirchl
Auch Elefanten, Dromedare, Papagei, Tiger, Löwe und Krokodil tummeln sich in der weitläufigen Krippenlandschaft aus Moos, Rinden, Wurzeln, Steinen, Sand und Sträuchern. In den kunstvoll geschnitzten Gesichtern porträtierte Traudl Hepfinger viele Freunde, Nachbarn und Verwandte. Auch ihre Nichte Susi wurde zu einer kleinen Hirtin. Sie wurde ihrer Lieblingsfigur, einem Bettler, zur Seite gestellt.
Ab den 1960er Jahren gab es im Chiemgauer Haus einen eigenen Raum für die Krippe. Wie es in Teilen Süddeutschlands und in Tirol Brauch war, stand die Türe zwischen Weihnachten und Lichtmess Besuchern aus Nah und Fern zum „Kripperl-Schau’n“ offen. Ganz besonders neugierig waren die Porträtierten auf „ihre“ Figur.
Die Liebe zum Detail ist regelrecht spürbar
Traudl Hepfinger starb 1976 mit nur 63 Jahren. Auch nach ihrem Tod konnte man die Krippe jedes Jahr bewundern. Ab den 90er Jahren wurde die Krippe zwei Jahrzehnte lang in der Kirche Heilig Blut in Umrathshausen aufgebaut. Sie zog Busladungen voller Besucher an.
Im alten „Holzstock“ des „Vatterl-Hauses“ hat die Krippe von Traudl Hepfinger nun ihre neue Heimat gefunden. Dort darf sie in einer liebevoll gestalteten Landschaft ihre bunte Lebendigkeit entfalten. Es ist Susi Hepfinger wichtig, dieses Lebenswerk der Tante, die für sie ein großes Vorbild war, zu pflegen und anderen Menschen zugänglich zu machen.
So hat sie auch die schöne Tradition des Kripperl-Schauens mit in den Woid gebracht, der ihr längst zur Heimat geworden ist. Jeden Adventssonntag und an Heiligdreikönig öffnet sie von 14 bis 17 ihre Haustüre, um Besucher zu empfangen, die in die faszinierende Krippenwelt ihrer Tante eintauchen wollen. Ganz nebenbei gibt es Geschichten über die einzelnen Figuren zu lauschen sowie die besondere Architektur des Hauses und die Webkunst von Susi Hepfinger zu entdecken.
Regina Kremsreiter
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Die Krippe ist in Kirchl 37 (94545 Hohenau) aufgebaut. Sie kann auch außerhalb der Öffnungszeiten nach telefonischer Vereinbarung (08558/9746347) besichtigt werden.