Im April zieht im Bayerischen Wald der Frühling ein. Lediglich in den hochgelegenen Bergfichtenwäldern ab etwa 1.000 Metern über dem Meeresspiegel bedeckt häufig noch eine geschlossene Schneedecke den Boden. Und hier oben spielt sich jedes Jahr im Verborgenen ein spektakuläres Naturschauspiel ab: die Balz der Auerhähne.
Diese beginnt noch in den Nachtstunden, der Ruf des Waldkauzes ist bereits verstummt. Die Hähne sitzen meist auf starkastigen Bergfichten, der Kopf ist durchgestreckt nach oben gerichtet, der Schwanz steil aufgestellt und aufgefächert. Gegen drei bis vier Uhr morgens beginnt die Balzarie, die sich in vier Teile untergliedert.
Die letzte Phase des Gesangs, das sogenannten „Wetzen“, erinnert an das Wetzen eines Schleifsteins. Der Hahn ist dann fast taub, was früher die Jäger nutzten, um sich möglichst nahe an sie heranzupirschen. Wenn der Morgen naht und sich die Hennen eingefunden haben, verlassen die Hähne den Baum zur Bodenbalz. Dabei flattern sie mit lauten Flügelschlägen bis zu zwei Meter hoch – und plumpsen dann wieder zu Boden.
Manche Balzplätze fast hundert Jahre bekannt
Damit unterstreichen sie ihre Dominanz am Balzplatz, andere Hähne werden aggressiv verjagt. Der ranghöchste Hahn begattet dann meist mehrere Hennen. Diese verlassen den Balzplatz und legen nach wenigen Tagen gut versteckt ein Bodennest an, das nach etwa zehn Tagen mit sechs bis acht Eiern bestückt wird. Die Küken schlüpfen nach fast einem Monat und sind die ersten Wochen auf die Wärme der Henne angewiesen. Es ist eine sehr kritische Phase für den Nachwuchs, da Spätfröste oder lange Regenperioden lebensbedrohlich sein können.
Die Balzplätze werden von den Auerhühnern über viele Jahre beibehalten, manche davon sind fast schon hundert Jahre bekannt. Daher kann man bis heute mit einer Zählung der Hähne am Balzplatz die Größe eines Bestandes abschätzen. Diese Methode ist jedoch nicht exakt und natürlich immer mit Störungen der empfindlichen Vögel verbunden.
Wie zählt man Auerhühner?
Daher wurde im Bayerischen Wald eine vom Nationalpark Bayerischer Wald empfohlene Methode angewendet, die auf der Auswertung von Kotproben der Hühner beruht: Ungefähr siebzig freiwillige Helfer aus der Region machen sich im Frühjahr auf Tourenskiern oder Schneeschuhen auf den Weg und sammeln Kotproben. Im Labor werden mittels DNA-Analysen die gesamte Populationsgröße und das Geschlechterverhältnis ermittelt.
Die Konzentration der Stresshormone im Kot lässt Rückschlüsse auf Störungen durch Wanderer oder Schneeschuhgeher sowie durch Holzeinschlag und -rückung zu. Die freiwilligen Helfer sammelten in den drei bisher durchgeführten Bestandserhebungen der Jahre 2011, 2017 und 2022 eine hohe Anzahl an Proben. Zuletzt waren es an die 1.500. Das Untersuchungsgebiet erstreckte sich auf die Hochlagenbereiche diesseits und jenseits der Grenze – vom Osser über Arber, Falkenstein, Rachel, Lusen bis zum Dreisessel.
Auch dem Hochkamm vorgelagerte Bereiche wie um den Haidel und Oberbreitenau/Rusel wurden mit einbezogen. Das Ergebnis ist erfreulich: 556 Vögel waren es im Jahr 2011 und 605 im Jahr 2017. Die höchste Dichte an Vögeln finden sich in den hochgelegenen Bergfichtenwäldern ab etwa 1.100 Höhenmetern. Auch die noch nicht vollständig ausgewerteten Daten aus dem Jahr 2022 lassen ähnlich positive Ergebnisse erwarten.
Stabiler Bestand
Mit über 600 Vögeln gilt der Auerhuhnbestand im Bayerischen Wald als gesichert. Er stellt das größte Vorkommen in Mitteleuropa außerhalb der Alpen dar. Während in anderen Mittelgebirgen wie Fichtelgebirge oder Schwarzwald die Bestände abnehmen, sind sie im Bayerischem Wald stabil.
Aber auch hier hat die Bestandsentwicklung eine sehr wechselvolle Geschichte: Noch vor 150 Jahren war das Auerhuhn im gesamten Grenzgebirge – bis über die Donau in den östlich von Passau gelegenen Sauwald hinein – weit verbreitet. Grund waren Streunutzung und Waldweide, die lichten Wald und Heidelbeeren förderten. Zwei große Stürme 1868 und 1870 mit anschließendem Borkenkäferbefall begünstigte Auer- und Birkhühner, wie historische Quellen belegen.
Borkenkäfer-Massenvermehrung positiv
Mit der Aufforstung der riesigen Kahlflächen entstanden jedoch dichte, auerhuhnfeindliche Nadelholzmonokulturen. Auch die natürlichen Feinde der Hühner wie Rabenvögel oder zuletzt Wildschweine nahmen immer mehr zu. Vor 50 Jahren war der Bestand dann auf rund 60 Vögel abgesunken, eine Population, die nicht überlebensfähig ist. 1981 gründete sich daher die Schutzgemeinschaft Auerhuhn, die bis zum Jahr 2001 zur Stützung des kleinen Restbestandes an die 1.400 gezüchtete Vögel am Hochkamm zwischen Osser und Dreisessel auswilderte.
Mit diesem Kraftakt gelang es, ein Erlöschen des Auerhuhnbestands zu verhindern. Die Massenvermehrung des Borkenkäfers in den Hochlagen des Nationalparks vor 30 Jahren und später am Dreisessel ist der Hauptgrund für den stabilen Bestand heute. Denn Auerhühner lieben lichte Waldstrukturen. Auch die Wegegebote im Nationalpark wie in den angrenzenden Schutzgebieten am Arber und Dreisessel tragen zum derzeit positiven Trend bei. Die Analyse der Stresshormone im Rahmen des Monitoring 2017 bestätigte eindrucksvoll Erfahrungen aus der Schweiz und dem Schwarzwald: Die Hühner reagieren sehr empfindlich auf Störungen und benötigen große Ruhebereiche.
Tierart steht wie keine zweite für intakte Natur
Dennoch ist die Zukunft des Charaktervogels im Bayerischen Wald ungewiss. Zum einen nimmt die Störung in den Lebensräumen des Auerhuhns im Winter durch Tourengeher und Schneeschuhgeher zu, die in immer höhere, schneesichere Lagen vordringen. Und auch die Zukunft des lichten Bergfichtenwaldes mit ausgedehnten Heidelbeerflächen ist angesichts des Klimawandels mit steigenden Temperaturen und des vermehrten Lufteintrags von Stickstoff nicht absehbar.
Selbst wenn das Spektakel der Auerhuhnbalz den meisten Menschen verborgen bleibt, so ist zu hoffen, dass dieser imposante, für den Bayerischen Wald so typische Vogel noch lange überleben kann. Wie keine zweite Tierart steht er nämlich für eine intakte Natur.
Michael Held
(Erstveröffentlichung in: Schöner Bayerischer Wald)