Jandelsbrunn. Bei Wacker herrscht derzeit Kurzarbeit. Bei ZF ebenso. Und seit 18. November nun auch offiziell beim Reisemobilhersteller Knaus Tabbert. An den KT-Standorten in Jandelsbrunn (Landkreis Freyung-Grafenau) und dem ungarischen Nagyoroszi stehen bis zum Jahresende die Bänder still. Genauer gesagt, soll erst am Montag, 20. Januar 2025, die Produktion wieder aufgenommen werden, wie Betriebsratsvorsitzender Anton Autengruber auf Hog’n-Nachfrage informiert.
„Die verlängerte Weihnachtspause dient dazu, Lagerbestände auf Händlerebene auf ein wirtschaftlich nachhaltiges Niveau zu bringen und unsere eigenen Bestände abzubauen“, teilt die Presseabteilung des börsennotierten Unternehmens kurz angebunden mit. Die rund 1.700 Beschäftigten am Standort Jandelsbrunn würden nun bis zum Re-Start je nach individueller Situation Überstunden oder Urlaub abbauen. „Sollte dies nicht ausreichen, gehen Mitarbeitende in Kurzarbeit“, so die hauseigene PR-Abteilung weiter. Mehr ist von offizieller Betriebsseite derzeit nicht in Erfahrung zu bringen.
„Ein erprobtes und bewährtes Instrument“
Ganz anders kommuniziert in dieser Angelegenheit Anton Autengruber, seit 2002 Betriebsratsvorsitzender im Knaus-Tabbert-Werk in Jandelsbrunn. Er beantwortet unsere Nachfragen insbesondere zum Thema Kurzarbeit wie folgt:
Stichwort Kurzarbeit: Wie viele Mitarbeiter am Standort Jandelsbrunn befinden sich seit wann genau in Kurzarbeit, Herr Autengruber?
Autengruber: Kurzarbeit ist seit 1. September 2024 für den gesamten Betrieb am Standort Jandelsbrunn beantragt und genehmigt. Je nach Arbeitsvolumen variiert die Zahl von Monat zu Monat.
Ist der Schritt Kurzarbeit aus ihrer Sicht der richtige, um Knaus Tabbert wieder in ruhigere Fahrwasser zu führen?
Autengruber: Kurzarbeit ist ein erprobtes und bewährtes Instrument, um Schwankungen im Auftragsvolumen bzw. wirtschaftliche Schwankungen abzumildern. Mit diesem Instrument lassen sich gewisse Auftragsdellen „überbrücken“, ohne dass Personalmaßnahmen ergriffen werden müssen. Zahlreiche andere Unternehmen aus der Region bedienen sich ebenfalls dieses Instruments.
Generell: War aus ihrer Sicht absehbar, dass es zu solch drastischen Maßnahmen wie dem derzeitigen Produktionsstopp mit Kurzarbeit kommen wird?
Autengruber: Wie bereits erwähnt, greift das Instrument der Kurzarbeit bereits seit 1 September 2024. Wir beobachten die Entwicklungen laufend – und in diesem Zuge haben wir uns entschlossen, die Produktion zu pausieren und uns auf die Fertigstellung von unfertigen Fahrzeugen zu fokussieren.
„Entscheidung kam sicherlich für viele überraschend“
Handelt es sich um Kurzarbeit im Sinne von: Es werden noch Arbeitsstunden auf reduziertem Niveau geleistet? Oder handelt es sich um „Kurzarbeit null“, sprich: die Beschäftigten arbeiten aktuell gar nicht mehr?
Autengruber: Entsprechend der notwendigen anfallenden Arbeiten kann die Stundenanzahl zwischen der tariflichen Arbeitszeit von 35 Stunden bis zu „Kurzarbeit null“ variieren.
Wie ist eigentlich die Stimmung innerhalb der Belegschaft aufgrund des Produktionsstopps? Wie hat die Belegschaft die Entscheidung der Chef-Etage aufgefasst?
Autengruber: Die kurzfristige Entscheidung kam sicherlich für viele überraschend und es ist auch nachvollziehbar, wenn in der ersten Emotion Fragen aufkommen, wie es bezüglich des Arbeitsplatzes weitergeht. An dieser Stelle möchte ich als Betriebsrat ein großes Dankeschön an die Belegschaft aussprechen, dass die Gespräche hierzu jederzeit ein sachliches Niveau hatten.
Was denken Sie: Werden Jobs wegfallen zum neuen Jahr? Sprich: Werden Arbeitnehmer ausgestellt?
Autengruber: Neben der Maßnahme der Produktionsstilllegung sind für das kommende Jahr weitere Maßnahmen vorzubereiten, um das Unternehmen wieder in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Dazu gehört auch, Strukturen anzupassen und Einsparungen vorzunehmen. Das bedeutet einerseits Einsparungen im Personalbereich, sowohl im gewerblichen als auch im Angestellten-Bereich. Andererseits bedeutet es die Reduktion von Kosten. Nach den außergewöhnlich guten Jahren zu Corona-Zeiten wird sich das Auftragsvolumen auf einem „normalen“ Maß einpendeln. Darauf gilt es dann adäquat reagieren.
„Markt ist nach wie vor sehr stabil“
Wie sicher ist der Standort Jandelsbrunn aufgrund der jüngsten Entwicklungen? Und: Wie sehr kann zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden, dass sich ein Schicksalsjahr wie 2008 wiederholt?
Autengruber: Mit den bereits getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen erarbeitet das Management-Team einen Fahrplan, um damit das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Wird Knaus Tabbert die momentane Krise überwinden können und wieder an die Hochphasen des Unternehmens anknüpfen können?
Autengruber: Aus meiner Sicht befinden wir uns aktuell in einer Phase, in der wir wieder in „normale“ Verhältnisse kommen können und ein gesundes Wachstum möglich ist. Unser Markt ist ja nach wie vor ein sehr stabiler Markt.
Was passiert mit den aktuellen Auszubildenden?
Autengruber: Die Ausbildung unserer jungen Fachkräfte läuft wie gehabt und ohne Einschränkungen weiter. Wir haben eigens für unsere Auszubildenden eine Akademie mit Anlernwerkstätten, um sie optimal auf das Berufsleben vorzubereiten. Darüber hinaus sind wir weiterhin auf der Suche nach Auszubildenden für das Jahr 2025.
Die Situation der tschechischen Pendler
Von Kurzarbeit sind freilich auch die tschechischen Knaus-Tabbert-Mitarbeiter betroffen, die regelmäßig zwischen ihrem Heimatland und dem Standort Jandelsbrunn hin- und herpendeln. Unser Partner-Portal sumava.eu hat sich mit einigen Mitarbeitern über die aktuelle Situation unterhalten:
Pendler Pavel, der seit zehn Jahren für das Unternehmen arbeitet, ist der Meinung: „Die Ankündigung über die Einstellung der Produktion erfolgte über das Unternehmensportal. Aber alle meine Kollegen wussten bereits im Voraus aus der Zeitung davon. Ich habe das alles schon einmal erlebt. Dass Entlassungen die Folge sein können, dessen bin ich mir bewusst.“
Pendler Karel kommentiert die momentane Entwicklung wie folgt: „Wir warten nun vor allem auf die Messe im Januar – und alles wird sich dann entsprechend entwickeln. Derzeit weiß aber praktisch niemand, was als nächstes passieren wird.“
Pendler Jan arbeitet seit sechs Jahren bei Knaus Tabbert: „In dieser Situation sieht man, wer Pessimist und wer Optimist ist – und wem das Unternehmen am Herzen liegt. An den Meinungen erkennt man, wer gerne zur Arbeit geht und wer nicht. Die große Veränderung kam im Jahr 2021, als das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und es einen großen Reisemobil-Boom gab – mit hoher Produktionsleistung. Das Management dachte, dass es so weitergehen würde. Dies war jedoch nicht der Fall. Nach zwei Jahren ging die Nachfrage zurück. Knaus ist jedoch ein großes Unternehmen – und ich glaube nicht, dass es zu großen Entlassungen kommen wird.“
Pendler Stanislav: „Die letzten Weihnachtsschichten sollten aufgestockt und die Produktion sollte gesteigert werden, hieß es. Für viel Geld wurde zudem eine neue Halle gebaut. Vor einem Jahr sind große Pläne angekündigt worden – und plötzlich gab es innerhalb von zwei Monaten wieder eine Veränderung, sodass alles um weitere drei Monate verschoben wurde. Was also jetzt gesagt wird, kann in ein paar Monaten schon wieder ganz anders lauten. Generell ist es notwendig, das Problem als Ganzes in Deutschland zu betrachten. Die Automobilindustrie als Ganzes hat Probleme – und die Unternehmen darum herum. Es ist aber unvorstellbar, dass 2.000 Mitarbeiter entlassen werden. Das wird definitiv nicht passieren.“
Großaktionär führt Knaus Tabbert nun selbst
Unterdessen hat das Unternehmen Ende vergangener Woche per Pressemitteilung darüber informiert, dass es eine weitere Veränderung auf Führungsebene gibt. „Wim de Pundert, bedeutender Aktionär und derzeitiges Mitglied des Aufsichtsrates, wurde mit sofortiger Wirkung zum neuen CEO und CFO ernannt“, ist im Schreiben an die Medien zu lesen. Der Großaktionär soll einen strategischen Wandel einleiten.
„Ich bin ein großer Kenner und großer Aktionär der Knaus Tabbert AG und unterstütze das Unternehmen seit über 15 Jahren. Ich fühle mich geehrt, die Doppelrolle als CEO und CFO zu übernehmen, um die Bemühungen um eine nachhaltige und profitable Zukunft zu steuern. Die Knaus Tabbert AG ist von Grund auf ein hochwertiges und nachhaltiges Unternehmen.
Mit Blick auf die Zukunft gehen wir von konservativen Annahmen aus, um ein stabiles Fundament zu schaffen und gleichzeitig von der Dynamik zu profitieren, die wir über die Jahre hinweg aufgebaut haben. Mit der Unterstützung unseres Führungsteams, unserer Mitarbeiter und unserer Stakeholder werden wir Maßnahmen ergreifen, um eine gesunde Profitabilität bei adäquaten Produktionsmengen zu sichern.“ (Wim de Pundert)
Zusätzlich sei Radim Ševčík zum neuen Financial Director, der direkt an den neuen CFO berichtet, ernannt worden. Ševčík verfüge über umfassende Erfahrung im Finanzbereich, nachdem er für Unternehmen wie die Boston Consulting Group (BCG) und Merrill Lynch gearbeitet hat und zuletzt vier Jahre lang als Investment Officer für HTP Investments tätig war. Das derzeitige Führungsteam mit Werner Vaterl als Chief Operating Officer (COO) und Gerd Adamietzki als Chief Sales Officer (CSO) bleibe in seinen Funktionen bestehen.
Stephan Hörhammer, Jitka Řezanková