Hauzenberg. „Dein bester Freund gab Dir sein Herz. Schließ‘ es in deines – für alle Ewigkeit“ – Diese Worte schmücken das Bild einer Hand, die nach einer Hundepfote greift. Das Bild steht im Abschiedsraum von Tierbestatter Sandro Fisch in Wotzdorf bei Hauzenberg (Lkr. Passau). Seit knapp sechs Jahren ist er in dieser besonderen Branche tätig. Er hat in etliche friedliche Tiergesichter geschaut. Hat Hunde, Katzen, Pferde, Hamster, Vögel, Igel und sogar Ratten einäschern lassen, die bei einer anderen Entscheidung ein Fall für die Tierkörperverwertung gewesen wären. „Die, die zu mir kommen, trauern um ein Tier oftmals ebenso wie um einen lieben Mitmenschen“, weiß der junge Mann, der rund um die Uhr erreichbar ist.
Der Tod gehört schon lange zum Leben des dreifachen Familienvaters. Mit seinem Unternehmen ist er im Passauer und Deggendorfer Raum beheimatet. Er hat Kunden im gesamten Bayerischen Wald, aber auch in Österreich. Geprägt von Vater Erwin, der in der Bestattungsbranche tätig ist, begann der gelernte Einzelhandelskaufmann zunächst ebenfalls in einem großen Unternehmen für Humanbestattungen.
Eine Frau, die den Stein ins Rollen brachte…
Eines Tages war er zur Bestattungsvorsorge bei einer älteren Frau. Sie konfrontierte ihn mit der Frage, ob er mal nicht nur sie, sondern auch ihren Hund einäschern würde. Das war der entscheidende Impuls. Nach reiflicher Überlegung beschloss er gemeinsam mit seiner Frau Emily, eine Tierbestattung aufzumachen. Drei Jahre später hat Sandro Fisch die Dame und auch ihren Hund eingeäschert. „Ohne diese Frau hätte ich nie meine Tierbestattung angefangen, dafür werde ich ihr für immer dankbar sein.“
Heute ist er selbstständig. Er bringt die Tiere zur Einzeleinäscherung oder Sammeleinäscherung ins Krematorium. Bis dahin ist einiges zu tun. Er holt die Katzen oder Hunde – sie machen bei dem 26-Jährigen 90 Prozent aller Bestattungen aus – beim Tierarzt oder zuhause bei Herrchen und Frauchen ab. Manche bringen „ihren besten Freund“ auch persönlich zu Fisch, wo im Abschiedsraum alles Weitere besprochen wird, während die Blicke der Angehörigen ins Körbchen wandern, wo das tote Tier liegt.
Grinsen im Gesicht
Friedlich liegen sie da, die allermeisten Hunde, beobachtet Fisch, teilweise hätten sie sogar ein leichtes Grinsen im Gesicht. Dann kommen die Tierkörper in die Kühlkammer. Bis seine Mutter Tanja sie ins Krematorium fährt, wo sie bei circa 850 Grad eingeäschert werden. Auch seine eigene Katze Simba, die tragisch in der Badewanne ertrunken ist, war schon darunter. Heute steht die Urne mit Simbas Asche bei ihm im Wohnzimmer.
Es kommt auch vor, dass Herrchen oder Frauchen zur Kremation fährt und durchs Fenster zuschaut. „Viele verkraften das aber nicht“, weiß Sandro Fisch. „Den allerletzten Schritt wollen viele nicht erleben. Es ist einfach so endgültig, wenn der Kartonsarg in den Ofen einfährt.“ Andere wiederum müssen genau diesen Vorgang sehen, um überhaupt abschließen und mit der Situation klarkommen zu können.
Offen gegenüber den eigenen Kindern
Mit seinem Job geht der Hauzenberger ganz offen um. Auch gegenüber seinen Kindern Michael, Elias und Anna, die ganz stolz sind auf die beiden Hauskatzen Sammy und Nala. „Ich sorge dafür, dass die toten Tiere gut über die Regenbogenbrücke gehen können“, sagt er zu ihnen, wenn sie ihn fragen. Seit Kindesbeinen an ist er mit seinem Vater auf Friedhöfen gewesen und mit dem Tod, egal ob von Menschen oder Tieren, in Berührung gekommen. Er fürchte ihn nicht, aber ständig mitzubekommen, wie schnell es vorbei sein kann, habe ihn schneller erwachsen werden lassen.
Mit 19 Jahren hat er geheiratet und weiß, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und eine wohlbehütete Familie zu haben. Diese arbeitet mittlerweile in der Bestattung mit. Ehefrau Emily genauso wie die Eltern Tanja und Erwin. Sie alle könnten ein Buch darüber schreiben, wie schwer sich Trauernde von ihrem Tier trennen. Sie können es kaum erwarten, bis die Urne wieder nach Hause kommt. Und ihr „Charly“ nun für immer bleibt.
Besondere Leistungen
Für kinderlose Paare ist die Verbindung mit dem Vierbeiner oftmals noch größer und der Verlust umso schlimmer. Viele von ihnen stellen sich die Urne in den eigenen vier Wänden auf. Andere wiederum kommen mit der ständigen Erinnerung überhaupt nicht klar, graben die biologisch abbaubare Urne im eigenen Garten ein und stellen ein kleines Kreuzchen oder einen Gedenkstein auf.
Auch die besonderen Leistungen des Tierbestatters werden zunehmend nachgefragt, etwa ein Asche-Schmuck oder der Pfotenabdruck aus Gips, das virtuelle Live-Dabeisein während der Einäscherung oder alternativ dazu die Videoaufnahme des Kremationsvorgangs, der bei einem 30 Kilogramm schweren Hund immerhin bis zu 45 Minuten dauert. Für die Asche der Sammeleinäscherungen gibt es ein Sammelgrab im Krematorium, das die Tierbesitzer jederzeit besuchen können.
…weil er weiß, dass es schnell vorbei sein kann…
Und freilich gibt es auch allerhand Kurioses. Von der ausgestopften Katze bis hin zum Schäferhund, dem der Vampir-Zahn hätte gezogen werden sollen. „Das habe ich abgelehnt, ich bin kein Zahnarzt und auch kein Chirurg“, erzählt der Bestatter mit einem Schmunzeln. Etwas normaler ist da die Seebestattung in der Ostsee oder das Verstreuen der Asche auf dem Arber, weil das Herrchen halt so gerne mit seinem Labrador auf den höchsten Berg des Bayerischen Waldes gewandert ist.
Wenn Sandro Fisch nicht gerade Angehörige tröstet oder tote Tiere mit seinem VW Caddy abholt, die dann ihre letzte Reise unterm Sternenhimmel antreten, geht er Klettern oder Bergwandern und kommt seiner Leidenschaft, Fußballspiele anzuschauen, nach. Er lebt bewusst und genießt das Leben, wartet nicht auf später, weil er weiß, dass es schnell vorbei sein kann – und das gilt fürs menschliche wie fürs tierische Leben.
Andreas Windpassinger
(Erstveröffentlichung in: Schöner Bayerischer Wald)