Freyung. Nur ein kleines Zwischentief? Eine größere Delle, die bleibt – aber mit der man leben kann? Oder doch der komplette und dauerhafte Einbruch? Die deutsche Wirtschaft hat, wie überall zu lesen ist, schon bessere Zeiten erlebt. Wir wirkt sich das auf die Unternehmen im Bayerischen Wald aus? Das Onlinemagazin da Hog’n fragt im Rahmen der Serie „Woid-Wirtschaft“ direkt bei den „Betroffenen“ nach. Teil 1: Christoph Maier, CEO der Thomas-Krenn.AG in Freyung.
Bitte beschreiben Sie zunächst ihren Betrieb.
Thomas-Krenn ist ein Server- und Storage-Hersteller. Wir bieten IT-Systeme für Unternehmen und Rechenzentren an. Von großen Industrieunternehmen bis hin zur Metzgerei, die damit ihr Kassen- und Bestellsystem betreibt. Unser Unternehmen wurde 2002 gegründet und zählt derzeit rund 230 Mitarbeiter. Die Fertigung baut die Systeme vor Ort gemäß individueller Bestellungen zusammen. Es gibt eine Niederlassung in Tübingen, deutschlandweit verschiedene Außendienstniederlassungen und mit der EXTRA Computer GmbH eine Tochtergesellschaft, die ebenfalls Hardware in Deutschland fertigt.
2021 betrug der Umsatz der Thomas-Krenn.AG mit über 18.000 gebauten Servern ca. 51 Millionen Euro. Wir haben einen aktiven Stamm von 18.000 Kunden: kleine, mittlere sowie große Unternehmen, Systemhäuser, öffentliche Einrichtungen und eben Betreiber von Rechenzentren.
„Wir konnten zuletzt wachsen und erfolgreich wirtschaften“
Am Anfang, im Jahr 2002, stand die Idee eines einfach zu nutzenden Onlineshops für individuelle Serversysteme – ein Novum. Es folgten rasch mehrere Wachstumsschritte: von der Gründer-Garage über das Innovations- & Gründerzentrum Waldkirchen und Mietflächen in Röhrnbach bis zum ersten Standort in Freyung mit eigenen 1.250 Quadratmeter Betriebsfläche. 2007 erfolgte der Umzug zum jetzigen Standort Freyung-Speltenbach. 2012 wurde das zunächst 2.500 Quadratmeter große Firmengebäude auf die beinahe doppelte Fläche erweitert. Dank kluger Vorausplanung bietet der Standort Freyung genug Platz für aktuell laufende Erweiterungen, die nach derzeitiger Planung im Jahr 2025 fertiggestellt sein sollen.
Wie hat sich ihr Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren entwickelt?
Wir konnten in den vergangenen Jahren wachsen und erfolgreich wirtschaften. Viele unserer Kunden schätzen die Möglichkeit, Systeme so punktgenau konfigurieren zu können wie kaum anderswo. Die Fertigung erfolgt mit hoher Wertschöpfung hier in Deutschland. Der Kundendienst sitzt vollständig vor Ort in Freyung.
„Spirit fasziniert mich“
Zudem entwickeln wir bei uns im Haus und können so das Know-how der hiesigen Fachkräfte voll nutzen. Wir haben eine Abteilung namens Systems Engineering, die Sonderlösungen anfertigt, wie beispielsweise die Steuerung für eine Wehranlage. Leute mit dieser Expertise haben natürlich auch die Fähigkeit, extrem leistungsstarke Produkte zu entwerfen. Vor allem aber hilft uns, dass wir ein so tolles Team sind. Der Spirit fasziniert mich immer wieder.
Die deutsche Wirtschaft befindet sich – nach wie vor – in einer konjunkturellen Schwächephase. Es herrscht Stagnation. Können Sie diese Tendenz aus Sicht ihres Unternehmens bestätigen? Und: Was ist nötig für den ersehnten Umschwung?
Leider liegt der konjunkturellen Schwäche auch eine strukturelle zugrunde, was nicht ausschließlich an der jetzigen Regierung festzumachen ist: Zuvor hat sich zu wenig bewegt. Jetzt bewegt sich etwas, aber bei zu viel Uneinigkeit und handwerklichen Fehlern – nicht die besten Voraussetzungen, um international zu bestehen. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die sich wirklich engagieren. Leistung muss sich lohnen, und die Hürden, vor allem bürokratische, müssen niedriger werden.
„Wir befinden uns in einer relativ guten Situation“
Wir selbst sind zum Glück in einem Umfeld tätig, das in solchen Phasen insgesamt robust ist. Technologie entwickelt sich einfach immer weiter. Gehen Unternehmen nicht mit, verlieren sie eine wichtige Existenzgrundlage. Und mit unseren genannten Stärken haben wir uns auch gut aufgestellt.
Wie hat sich diese „wirtschaftliche Delle“ auf Ihren Betrieb konkret ausgewirkt?
Wir haben niemand entlassen und planen das auch nicht. Wir befinden uns insgesamt in einer relativ guten Situation, wofür auch alle, wirklich alle im Unternehmen hart gearbeitet haben. Ich kann meinem Team gar nicht genug danken. Natürlich fließen auch bei uns nicht Milch und Honig, aber es ist schon ein gutes Jahr.
„Auch weiterhin hohe Nachfrage nach Informationstechnologie“
Es ist schwer zu kalkulieren. Aber wäre jetzt ein Boom, würden wir wohl einfach noch etwas stärker wachsen. Wie sich das in den nächsten Jahren entwickeln wird, wenn die Unternehmen hierzulande schrumpfen, muss man abwarten. Da jedoch zum Beispiel Künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle spielen wird, wird es auch weiterhin eine hohe Nachfrage nach Informationstechnologie geben.
Stichwort: Personal. Der Fachkräftemangel sowie die generell schwierige Suche nach neuen Mitarbeitern ist (und bleibt wohl) ein Dauerthema. Welche Strategie(n) hat Ihr Unternehmen entwickelt, um auch künftig genügend Personal zu generieren?
Wir setzen sehr viel daran, ein guter Arbeitgeber zu sein – und sprechen auch darüber. Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, so dass auch Eltern gut bei uns tätig sein können. Zudem stellen wir Ehrenamtler frei, bei Einsätzen wird einfach ausgerückt – und basta. Bei Nachteinsätzen darf der fehlende Schlaf tagsüber bei voller Bezahlung nachgeholt werden.
„Goldene“ Jubiläen
Wir legen für unsere Ehrenamtler bei Feuerwehr sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sogar zwei Tage Extra-Urlaub drauf und stellen sie für Weiterbildungen frei. Wir achten auf faire Bezahlung, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten Betriebszugehörigkeit sogar vergoldet: fünf Gramm für ein fünf- und zehn für ein zehnjähriges Jubiläum. Zudem legen wir Wert auf entsprechende Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen.
Wie kann man generell dem Fachkräftemangel auf Dauer entgegenwirken? Mit gezielter Anwerbung ausländischer Fachkräfte?
„Anwerbung ausländischer Fachkräfte nicht fair“
Das eine Rezept kann es nicht geben. Es kommt ja auch auf Branche, Ausbildung, Bedeutung der Sprache und die Perspektive in der Branche usw. an. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ist eigentlich nicht so fair, da in dem Fall das Land für die Ausbildungskosten herangezogen wird, das hinterher nichts davon hat.
Es wird auch Branchen geben, in denen neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz Berufsbilder stark ändern werden, so dass vorhandene Arbeitskräfte an dieser Stelle gebraucht werden. Wenn Sie heute 1.000 Programmierer und Buchhalter aus dem Ausland holen, hilft das nichts, wenn 1.000 Fliesenleger und Altenpfleger fehlen. Ein wichtiger Baustein wären strukturelle Verbesserungen: Wenn es attraktiver ist, nicht zu arbeiten, läuft etwas falsch; wenn jemand gerne arbeiten würde und aus bürokratischen Gründen nicht darf, ebenso.
Was, wenn…?
Zuletzt ebenfalls eine Herausforderung: Lieferengpässe/Materialmangel. Wie sehr belastet dieses Problem Ihren betrieblichen Alltag?
Durch gute Lagerhaltung und kluge Einkaufspolitik konnten wir bisher recht gut bestehen. Die Situation hat sich zuletzt auch deutlich entspannt. Jetzt geht es darum, sich weiter zukunftssicher aufzustellen. Was, wenn sich politische Rahmenbedingungen in anderen Ländern ändern? Länder, von denen wir jetzt abhängig sind? Wenn Cyberattacken ein Glied in der Lieferkette lahmlegen? Und: Wie können wir Lieferketten ökologischer und effizienter gestalten? Bei Thomas-Krenn arbeiten wir daran, unsere ohnehin schon hohe lokale Wertschöpfung noch weiter auszubauen. Das gibt uns Sicherheit und ist auch gut für die Umwelt. Und wenn wir es richtig machen, ist es keine Belastung, sondern eine Entlastung bei den Kosten.
„Möglichkeit, eine spezialisierte Unternehmenskultur zu entwickeln“
Was denken Sie: Ist es ein Vor- oder ein Nachteil, im ländlichen Raum unternehmerisch tätig zu sein?
Kein Vorteil ohne Nachteil, und andersrum genauso. Unser Standort bietet uns eine einzigartig attraktive Ausgangslage. Einerseits sind wir hier tief in der Region verwurzelt und profitieren von starken Netzwerken mit lokalen Partnern und Institutionen. Andererseits gibt uns die Distanz zu den großen Tech-Zentren die Möglichkeit, eine spezialisierte, fokussierte Unternehmenskultur zu entwickeln – wer sich für unsere Branche interessiert, hat uns folglich eher auf dem Zettel.
Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schafft das Arbeitsumfeld hier eine hohe Lebensqualität und ein Umfeld, in dem Innovation im Einklang mit der Natur und den regionalen Gegebenheiten gefördert wird. Natürlich birgt der ländliche Raum auch Herausforderungen in Bezug auf Infrastruktur und Logistik. Doch diese lösen wir durch gezielte Investitionen und Kooperationen. Insgesamt sehen wir unseren Standort als klaren Wettbewerbsvorteil: Er erlaubt uns, fokussiert, nachhaltig und mit enger Bindung zur Region zu arbeiten und gleichzeitig wettbewerbsfähig in einem internationalen Markt zu agieren.
Transport via Schiene wäre „charmant“, aber…
Wie zufrieden sind Sie mit der Infrastruktur in unmittelbarer Umgebung Ihres Unternehmens (Straße, Schiene, Internet etc.)? Was müsste aus Ihrer Sicht verbessert werden?
Die Infrastruktur bei Straße und Schiene war ja im Grunde bereits so, als Thomas-Krenn gegründet wurde. Nun ist die Zeit nicht stehengeblieben. Heute werden Bahnstrecken etwa oft erfolgreich reaktiviert. Ich denke schon, dass einige unserer 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei gutem Angebot per Bahn anreisen könnten. An- und Auslieferungen per Schiene wären natürlich auch charmant, doch hier ist das System Bahn in so vieler Hinsicht träge, dass ich nicht daran glaube.
Bei der Straße ließen sich bestimmt bauliche Verbesserungen realisieren. Am schwersten wiegt wohl der zähe Ausbau leistungsstarker Internetverbindungen. Viele unserer Angestellten arbeiten auch mal von zu Hause aus, wenn es denn erträglich ist in Sachen DSL-Geschwindigkeit. Wir brauchen sicher auch einen Ausbau der Stromnetze, für künftige Stabilität und die Nutzung von Elektromobilität.
Abschließend: Wie blicken Sie in die Zukunft? Wo steht Ihr Unternehmen (optimalerweise) in fünf, zehn, zwanzig Jahren?
Ob fünf, zehn oder zwanzig Jahre: Wir werden weiterhin am Standort Freyung unseren Sitz haben. Wir werden größer sein bei Umsatz und Zahl der Angestellten – und noch internationaler sein. Unsere Partnerschaft mit Yorizon, einem Unternehmen, das wir gemeinsam mit der Hochtief AG als Rechenzentrumsanbieter betreiben, wird dafür sorgen, dass wir noch stärker in großen Rechenzentren vorzufinden sein werden.
„Wir werden noch mehr Geschäft machen“
Wir werden weiterhin ein beliebter Arbeitgeber sein. Mit sogenannten Open-Source-Lösungen werden wir noch mehr Geschäft machen. Wir werden unsere Produkte noch nachhaltiger gestalten als jetzt, obwohl wir zum Beispiel ohnehin schon 2022 als erster Anbieter unserer Branche das Prädikat „Blauer Engel“ für einen unserer Server erhalten haben. Wir werden noch bekannter sein als jetzt. Und wir werden bis dahin wohl einen neuen CEO an der Unternehmensspitze sehen oder zumindest vorstellen, weil ich bis dahin bald 70 sein werde (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer