Monterey/Freyung. Wo soll ich anfangen? Als ich 2015 das erste Mal vom Onlinemagazin da Hog’n kontaktiert worden bin, habe ich Trump keineswegs ernst genommen – nur um eines Besseren belehrt zu werden, als er dann 2016 tatsächlich zum Präsidenten gewählt worden ist. Diese vier Jahre seiner Präsidentschaft waren genauso chaotisch, wie man es im Fernsehen und in der Presse verfolgen konnte. Das Weiße Haus war zum Zentrum für Unkenntnis, Verschwörungstheorien und Rassismus geworden. Dann kam auch noch Corona dazu, und das Desaster war vollkommen. Ein Gastbeitrag…
Die Biden-Regierung hat ein bisschen mehr Normalität geschaffen. Aber es begann, wie man weiß, bereits noch vor der Amtseinführung zu brodeln. Die rechtsextremen Amerikaner hatten in diesen vier Jahren der Trump-Amtszeit Selbstvertrauen gewonnen, das sie nie hätten gewinnen dürfen, denn die meisten von ihnen sind – um es auf gut Bairisch zu sagen – brunzdumm.
Sie verehren Trump wie einen Gott und meinen, dass er direkt von diesem auf die Erde geschickt wurde, um Amerika wieder zu dem zu machen, was es in den 50er Jahren war, als die Frauen noch hinterm Herd standen und den Männern die Pantoffeln und die Pfeife brachten, wenn sie von der Arbeit nach Hause kamen.
Biden ist einfach zu spät abgetreten
Dann kam es am 6. Januar 2021 zum Sturm auf das Kapitol. Biden ist ein erfahrener Politiker und Staatsmann. Aber er war bereits zu seinem Amtsantritt zu alt, um die jungen Leute zur Beteiligung am politischen Leben zu motivieren. Leider haben sich die Demokraten auf ihren Lorbeeren ausgeruht und bereits an den Midterm-Wahlen gearbeitet, ohne ein wirkliches Programm aufzustellen.
Als Biden dann zur Wiederwahl antrat, waren wir alle ein bisschen überrascht, weil inzwischen klar geworden war, dass er nicht mehr ganz gesund war – und einfach schon zu alt. Aber er bestand darauf, anzutreten. Damit kommen wir zur Krux: Biden ist einfach zu spät abgetreten. Kamala Harris hätte eine Chance gehabt, wenn sie nur ein paar Monate mehr für den Wahlkampf gehabt hätte.
In den dreieinhalb Monaten, die ihr dann noch für die Kampagne übrig blieben, hatte sie keine Chance, ein überzeugendes Wirtschaftsprogramm aufzustellen – vor allem eines, das die amerikanischen Wähler mit ihrem Geldbeutel anspricht. Außerdem hatte sie sich während ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin zu wenig um die Grenzkontrolle zu Mexiko gekümmert, was vor allem in Staaten wie Texas und Arizona ein wichtiges Thema ist.
Am 5. November hatten wir wegen Brandschutzmaßnahmen ein sogenanntes „Public Safety Power Shutoff“, bei dem der Strom abgeschaltet wurde, weil es bei starkem Wind seit den großen Bränden in Kalifornien Sicherheitsvorkehrungen gibt, da noch viele Überlandleitungen bestehen. So hatten wir weder Internet noch Strom. Ich konnte also die Wahlen nur bis 19 Uhr Ortszeit in San Francisco verfolgen…
Ein Student hat sich zu Tode gestürzt
Als ich dann am 6. November aufwachte, sah ich, dass unsere schlimmsten Befürchtungen wahr geworden waren – the shit had hit the fan! Trump wurde nicht knapp, sondern sehr überzeugend (wieder) gewählt. Bei uns allen herrschen Wut, Trauer, Unverständnis und Ungläubigkeit. Aber wir müssen uns damit abfinden.
Meine Töchter (inzwischen 26, 22 und 19 Jahre alt) sind sehr traurig und enttäuscht. An der Universität meiner mittleren Tochter hat sich ein Student wegen der Wahlergebnisse vom 8. Stock der Bibliothek an der UC San Diego in den Tod gestürzt. Kalifornien ist zwar ein Blue State, und hier wird sich so schnell nichts ändern, aber viele sind extrem enttäuscht und haben Angst vor dem, was uns möglicherweise bevorsteht. Es brodelt zurzeit überall, aber ich hoffe, dass letztendlich Vernunft und Solidarität siegen werden.
Andrea Hofmann-Miller
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Gastautorin Andrea Hofmann-Miller ist gebürtige Freyungerin. Ende der 80er ist sie in die Vereinigten Staaten ausgewandert, um zu studieren. Und sie ist geblieben. Die Exil-Waidlerin hat in den USA eine Familie gegründet und fühlt sich wohl in ihrer neuen Heimat.