Berlin/Bayerischer Wald. 6. November 2024 – ein Tag, der allen voran in politischer Hinsicht in Erinnerung bleiben wird. Erst die US-Präsidentschaftswahlen und die daraus resultierende Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Dann die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner durch Bundeskanzler Olaf Scholz – und das damit einhergehende Aus der Ampel-Regierung. Das Onlinemagazin da Hog’n hat die für den Bayerischen Wald zuständigen Bundestagsabgeordneten gefragt, wie sie die jüngsten Ereignisse in Berlin bewerten…
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Muhanad Al-Halak (FDP): „Aus unserer und auch meiner persönlichen Sicht hat Bundeskanzler Olaf Scholz viel zu lange die Notwendigkeit verkannt, was jetzt am drängendsten ist: Nämlich ein echter wirtschaftlicher Neustart unseres Landes. Wie uns das am besten gelingen kann, dafür haben wir zuletzt wirklich umfassende Vorschläge unterbreitet, die Deutschland wieder auf Erfolgskurs bringen können. Die wirtschaftlichen Sorgen der Menschen in unserem Land hat Olaf Scholz massiv unterschätzt und verharmlost.
„Olaf Scholz hat sich klar gegen Aufschwung entschieden“
Dass unsere Vorschläge von SPD und Grünen nicht ansatzweise als Verhandlungsgrundlage akzeptiert wurden, ist schade und ist enttäuschend. Olaf Scholz hat sich damit klar gegen einen Aufschwung in Deutschland entschieden, was für uns an dieser Stelle einfach nicht mehr tragbar war. Denn wofür wir als Freie Demokraten mit Sicherheit nicht zur Verfügung stehen, sind matte und unambitionierte Gegenvorschläge des Kanzlers, die nur in eine Richtung weisen: ungebremste Wachstumsschwäche.
Anstatt also mit uns als FDP in Richtung echter Wachstumsstärke zu gehen, hat der Bundeskanzler sich am Mittwochabend dazu entschieden, die gemeinsame Arbeit mit uns aufzukündigen. Wobei aufgrund seines sehr genau vorbereitetes Statement deutlich wurde, dass Olaf Scholz längst nicht mehr für eine tragfähige Einigung kämpft, sondern dass der Koalitionsbruch sehr wohl kalkuliert war. Was wir nun davon haben, ist eine Phase der Unsicherheit in Deutschland. Das ist doch gerade mit Blick auf den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl genau das nicht, was wir jetzt brauchen.
„Grenzen des Verantwortbaren überschritten“
Christian Lindners Vorschlag zu Neuwahlen im neuen Jahr hätte geordnet und vor allem würdevoll den Weg zu einer neuen Bundesregierung ermöglicht. Dies wurde jedoch kaltschnäuzig vom Bundeskanzler zurückgewiesen. Als Koalitionspartner in dieser Regierung war es immer unser Anspruch, mit klaren Prinzipien und Überzeugungen Verantwortung für gute Entscheidungen zu übernehmen. Dies gelang uns, bis die Grenze des Sinnvollen und Verantwortbaren schlicht überschritten war.
Nun stehen wir vor einer Richtungsentscheidung in Deutschland. Was jetzt passieren muss, ist der Übergang Deutschlands in eine neue Ära von Wachstum, Wohlstand und Innovation. Nach wie vor sind wir ganz klar dazu bereit, für dieses Land Verantwortung zu tragen. Und unser Ziel ist es, dies in einer neuen Regierung für Deutschland auch zu tun.“
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Rita Hagl-Kehl (SPD): „Der gestrige Tag brachte zwei dramatische Wendungen mit sich: Zunächst die USA-Wahl, die für unser Land auch wirtschaftliche Folgen haben wird. Danach der Bruch der Ampel-Koalition.
„Keine andere Möglichkeit“
Unser Kanzler hat lange versucht Lindner Brücken zu bauen und ihm Möglichkeiten aufgezeigt, die dieser alle ausgeschlagen hat. Christian Lindner hat persönliche Interessen über die Stabilität und Zukunft unseres Landes gestellt – ein untragbares Verhalten. Als Sozialdemokraten können wir nicht hinnehmen, dass der Finanzminister auf Kosten von Rentnerinnen und Rentnern, Familien und Alleinerziehenden die Millionäre dieses Landes steuerlich entlasten möchte. Er hat den bereits geeinten Haushaltsplan wieder verworfen, sodass Olaf Scholz keine andere Möglichkeit hatte, als ihn als Finanzminister zu entlassen.
Mit der Entlassung von Christian Lindner setzt Olaf Scholz ein klares Zeichen: Die Zukunft unseres Landes darf nicht an der Starrheit Einzelner scheitern. Die aktuellen Herausforderungen – von der Unterstützung der Ukraine bis zur Sicherung unserer Energieversorgung – erfordern entschlossenes Handeln und Investitionen, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen.
„Mein Respekt gilt Volker Wissing“
Jetzt ist die Zeit für Zusammenhalt und mutige Schritte. Wir werden nicht zulassen, dass die FDP den dringenden nötigen Fortschritt blockiert. Für ein Deutschland, in dem jede*r eine faire Chance hat, setzen wir uns ein – ohne Angst vor der Zukunft, sondern mit einem klaren Blick nach vorn.
In den kommenden Wochen werden wir versuchen weiterhin gute Politik für dieses Land zu machen. Ob es gelingt, hängt natürlich von der Zustimmung einer Mehrheit des Parlaments ab. Wenn nicht, wird Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen, was im Folgenden zur Auflösung des Parlaments und Neuwahlen führen wird. Mein Respekt gilt Volker Wissing, der genau wie wir das Wohl des Landes als Priorität sieht, dem Egotrip Lindners nicht folgt, deshalb die FDP verlässt und sein Ministeramt weiterhin ausübt.“
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Thomas Erndl (CSU): „Der Bundeskanzler muss umgehend den Weg für Neuwahlen frei machen und die Vertrauensfrage spätestens nächste Woche stellen – taktische Verzögerungen sind eine Respektlosigkeit gegenüber dem Wähler und ein weiterer Schaden für unser Land.
„Unwürdiges Spektakel“
Das gestrige Ende der Ampel war ein unwürdiges Spektakel. Statt Verantwortung für die eigene schlechte Politik und das Scheitern der Ampel zu übernehmen, schieben sich SPD, Grüne und FDP lieber gegenseitig den schwarzen Peter zu.
Angesichts von Wirtschaftskrise, den Herausforderungen durch den neuen US-Präsidenten und Krieg in Europa brauchen wir so schnell wie möglich eine handlungsfähige Regierung, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist.
„Union bestens gerüstet für die Übernahme von Verantwortung“
Vor allem brauchen wir eine politische Führung, die die Anliegen des ländlichen Raums auf die Tagesordnung setzt. Themen im Bayerischen Wald wie wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen im Tourismus, in Handwerk und Mittelstand, eine leistungsfähige Infrastruktur und eine hochwertige flächendeckende Krankenhausversorgung wurden durch die Ampel-Regierung massiv vernachlässigt und müssen jetzt angegangen werden.
Dafür werden wir in der CSU Niederbayern sorgen. Mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat ist die Union bestens gerüstet für die Übernahme von Verantwortung. Mit ihm können wir Deutschland aus der Krise führen.
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Erhard Grundl (Grüne): „Die aktuelle Situation ist ganz schwer einzuschätzen. Wenn man jetzt was sagt, kann es in fünf Stunden schon wieder überholt sein. Minderheitenregierung, Vertrauensfrage, Neuwahl – der Kanzler hat einen klaren Weg aufgezeigt. Natürlich kann man sich die Frage „Warum so lange hinauszögern?“ stellen. Aber letztlich liegt diese Entscheidung in der Hand von Olaf Scholz, der den Auftrag hat, das zu regeln. Was mir als Kulturbeauftragter Sorgen bereitet, ist, dass der Haushalt fehlt. Gewisse Angelegenheiten lassen sich regeln, aber es bleibt auch vieles vorläufig offen.
„Wir gehen auf eine schwierige Zeit zu“
Mindestens seit einem halben Jahr hat man immer mehr gemerkt, dass die Parteien innerhalb der Ampel einfach nicht mehr zusammenkommen. Das Aus war deshalb unvermeidlich. Wichtig wäre in den vergangenen Monaten gewesen, Ergebnisse zu erarbeiten – und nicht immer intern zu streiten. Deshalb ist es schon gewissermaßen eine Erleichterung, dass die Koalition ausgelöst wurde – und es keinen Streit mehr gibt.
Wir gehen auf eine schwierige Zeit zu, das muss allen klar sein. Im demokratischen Spektrum müssen Koalitionen gesucht und gefunden werden. Ich gehe davon aus, dass es wieder ein Dreierbündnis geben wird…“
Helmut Weigerstorfer