
Heinz Pollaks Rechtfertigungsversuch – mit dem ironischen Nachtrag: „Das nächste mal hänge ich mir noch einen Monat lang ein Schild mit Piktogrammen um den Hals.“
Waldkirchen. Beinahe täglich grinst Bürgermeister Heinz Pollak in die Kamera: Ein Selfie mit Parteikollegen oder prominenten Gästen auf Veranstaltungen landet zielsicher in den Sozialen Medien. Nicht allen zaubert das als Reaktion ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht: Wichtige Informationen verschwinden zwischen all den Gute-Laune-Posts. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Pollak heiklere Themen einfach weglächeln möchte. Ein Kommentar.
Kritik abgeblockt
In Waldkirchen stößt das Auftreten des „Social-Media-Bürgermeisters“ regelmäßig auf Kritik. Aktueller Anlass: Den Termin einer Sondersitzung des Stadtrates zur Finanzierung der neuen Kläranlage schien er nicht so gern publik machen zu wollen wie all die Veranstaltungstermine, Jubiläen und Feierlichkeiten. Wollte er Diskussionen vermeiden über die Umlage der Kosten für die Kläranlage?
PNP-Lokaljournalist Christoph Seidel kritisierte die Stadt und den Bürgermeister dafür in einem Kommentar. Prompt widersprach Pollak der Kritik und verwies in einem Facebook-Post auf (vermeintliche) Ankündigungen der Stadtratssitzung.
Wer jedoch die Artikel genau liest, erfährt: Der erste Artikel kündigte die reguläre Sitzung an, in der der Tagesordnungspunkt „Kläranlage“ gar nicht behandelt, sondern verschoben wurde auf einen gesonderten Termin. Im zweiten Artikel steht, was Seidel in seinem Kommentar wiederholte: dass die Stadt den Termin für diese Sondersitzung erst auf mehrfache Nachfrage der Lokalzeitung hin bekanntgegeben hat.
Ganz ähnlich wird es wohl bei der Festsetzung der Hebesätze für die Grundsteuer laufen: Während Grafenau bereits angekündigt hat, dass die Stadt eine Mehrbelastung für die Bürger so gering wie möglich halten möchte (sie aber nicht ausschließt), gibt Pollak erneut im Vorfeld keine Auskunft: Weder legte er sich in der Lokalpresse auf eine Tendenz fest, noch teilte er mit, wann eine Entscheidung fallen soll. In einem Facebook-Post (siehe Bild rechts) schreibt er, dass die Fraktionsführer die Angelegenheit besprochen haben. Der Standpunkt seiner Fraktion bleibt aber vorerst sein Geheimnis.
Kommunalpolitiker ohne Kommunikations-Strategie
Dabei wären die Sozialen Medien durchaus geeignet, um die Bürger mit (relevanten) Informationen zu versorgen und sie mitreden zu lassen. Pollak lässt das nicht zu: Die Kommentarfunktion ist auf seiner Facebook-Seite deaktiviert.
Viel besser machen es auch andere nicht: Durch eine ausgefeilte Social-Media-Strategie fällt kein Kommunalpolitiker aus der Region so wirklich auf. Klickt man sich durch die Posts von Landrat Sebastian Gruber, von Bürgermeistern oder von Landtagsabgeordneten, hält Pollak zwar den Selfie-Rekord. Ansonsten sieht man allüberall die immer gleichen Bilder: Aufgereihte, breit lächelnde Menschen, die zu einem Jubiläum oder einer Feierlichkeit zusammengekommen sind. Fröhlichkeit allüberall. Wer den Lokalteil der Zeitung aufschlägt, findet eins zu eins dasselbe vor.
Das Problem: Inhaltlich geht das an den Lesern vorbei. Den Bürgern Informationen nicht erst dann zu kommunizieren, wenn Entscheidungen bereits gefallen sind, wäre enorm wichtig: Viele fühlen sich von der Politik nicht gehört, nicht beachtet. Und das beginnt im Lokalen: Wenn die Bürger für die neue Kläranlage mitbezahlen müssen. Wenn Grundschulen geschlossen werden. Wenn viel Geld in Straßenprojekte fließen soll.
Den Entscheidungsprozess offenzulegen, sollte für Politiker gang und gäbe sein. Diese Informationen kritisch einordnen sollten wiederum die Medien. Kritik und Kontrolle sind wichtige Funktionen des Lokaljournalismus.
Journalisten sind keine „Steigbügelhalter der Bösartigkeit“
Wenn sich Journalisten allerdings „erlauben“, in den Medien über Inhalte einer Stadtratssitzung zu berichten, die den betroffenen Politikern nicht gefallen, laufen sie Gefahr, dafür öffentlich angeklagt zu werden: So hat der CSU-Politiker Andreas Scheuer kürzlich Journalistinnen und Journalisten des BR und der Lokalzeitung namentlich als „Steigbügelhalter der Bösartigkeit“ beschuldigt.

Andreas Scheuer sieht sich in seinem Social-Media-Post unter dem Motto „Es reicht!“ u.a. als Opfer der Medien. Screenshot: da Hog’n
In einem Post nahm Scheuer Stellung zu seinem Rücktritt als Stadtrat in Passau („Es reicht“). Dass in der Sitzung seine Vergangenheit als Bundesverkehrsminister und die Maut-Panne mit der Kommunalpolitik in Verbindung gebracht wurde, passte ihm nicht. Und dass Journalisten des BR und der PNP darüber berichteten, noch weniger. Er strafte sie in seinem Post namentlich dafür ab. Motivation dahinter war sicherlich, die Deutungshoheit über alles zu behalten, was Medien über ihn berichten.
Genau das will auch Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak: Am liebsten wäre ihm, wenn Vorhaben der Stadt erst dann publik gemacht werden, wenn alles in trockenen Tüchern ist, wenn er Mehrheiten im Stadtrat bereits gefunden hat.
Kritik als Anregung nehmen
Bürger möchten aber nicht nur über Ergebnisse, sondern bereits über die Entscheidungsprozesse informiert werden – vor allem bei schwierigen Themen. Wenn Journalisten die Lokalpolitik während dieser Prozesse kritisieren, sollten Politiker nicht sofort eingeschnappt reagieren, sondern Kritik zum Anlass nehmen, das eigene Handeln zu reflektieren.
Unangenehmes zu kommunizieren, erhöht die Glaubwürdigkeit enorm, stärkt das Vertrauen der Bürger in die Politik, zeigt ihnen, dass sie informiert und eingebunden werden, dass nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Am Ende sind es trotzdem die gewählten Vertreter im Stadtrat, die die Entscheidungen treffen.
Sabine Simon