Bad Griesbach. Es hat zwar etwas gedauert, doch dafür meldet sich Huey Colbinger, in Bad Griesbach im Rottal beheimateter Singer-Songwriter, nun – vier Jahre nach der Veröffentlichung seines Triologie-Erstlings „Sünder“ – umso imposanter zurück. Zwölf Songs hat er auf sein neues Album gepackt, die sich, wie er selbst sagt, „mit wesentlich mehr als mit den Befindlichkeiten des Autors beschäftigen“.
„Jedes einzelne Lied ist ein Moment vom Weg“, beschreibt der 48-Jährige sein künstlerisches Werk, das am 25. Oktober beim Label „DMG Germany“ offiziell an den Start geht. Auf unverwechselbare Weise präsentiert der im sächsischen Mittweida geborene Liedermacher, der mittlerweile seit zehn Jahren auf den Bühnen der Republik sein Publikum begeistert, dabei sein musikalisches Schaffen. Wir haben uns mit ihm über Authentizität, Unabhängigkeit und über das „Warum“ unterhalten…
„Es setzt einen Meilenstein“
Huey: Nach „Sünder“, dem ersten Teil deiner Trilogie namens „Sünder. Pilger & Rebell“, folgt nun mit „Pilger“ der zweite. Zehn eigenständige Songs und zwei Bonusversionen sind darauf verewigt. Berichte uns doch: Worum geht’s bei diesem Album? Worauf darf sich der Hörer kurz zusammengefasst freuen?
Das Album ist das nächste Dokument meines Weges. Es erweitert das inhaltliche Spektrum der Trilogie und des ersten Albums „Sünder“. Der rote Faden wird weitergesponnen, was die Betrachtungen und tieferen Auseinandersetzungen mit dem, was uns umgibt und was man selbst im Ränkespiel des Lebens ist, betrifft. Fragen, Erkenntnisse, Trug, Illusion, Selbstreflexion und Dazulernen.
Welche Unterschiede gibt es zum „Sünder“?
Das Album „Sünder“ ist sehr sparsam, eher rudimentär eingespielt und aufgenommen. Beim neuen Album „Pilger“ habe ich die Lieder umfangreicher arrangiert, eingespielt und produziert. Es setzt einen Meilenstein und definiert meinen persönlichen Stil. Die Alben haben ihre Untertitel bekommen, da jedes von ihnen ein eigenständiges Werk darstellt und für sich steht – zusammen erweitern sie sich ergänzend gegenseitig.
Dein Song „5 Sekunden“ ist eine Abrechnung mit dem Internet bzw. der virtuellen Welt. Was kritisierst du genau?
Das Internet ist ein unfassbares Werkzeug – sowohl in der Kommunikation und dem Lernen als auch generell des Zugangs zu Informationen und Wissen. Leider geht damit auch der Umstand einher, dass es als solches oft nicht erkannt und missbraucht wird – und den unbewussten Nutzer komplett überfordert. Hohle Idole, Fake, Selbstbetrug. Datenschmutz und gewissenlose Manipulationsmechanismen. Nur so viel: Lernen wir damit umzugehen und die Datenfluten auf Relevanz und Sinnhaftigkeit zu prüfen und einzuordnen.
„Fürchte nichts, woran du nicht glaubst“
In „Hab Mut zum eigenen Erleben“ geht’s um Echtheit und Authentizität. Wie sehr ist diese Eigenschaft in der heutigen Welt abhanden gekommen?
Authentizität ist ein Weg, er ist belegbar. Dieser kann nur durch echtes Handeln entstehen und nicht durch die Kreation eines Images. Dort, wo die Leute sich gegenseitig täuschen, wird man nie jemanden finden, der aufrichtig das tut, was er sagt.
Beim „Tanz mit dem Teufel“, inspiriert von Tito & Tarantulas „After Dark“ aus dem Tarantino-Klassiker „From Dusk till Dawn“, geht es im Kern um die Aussage: „Glaube ist Zustand. Erkenntnis ist eine Handlung.“ Bitte erklär uns das etwas genauer.
„Fürchte nichts, woran du nicht glaubst!“ Oder anders gesagt: Wenn uns alte Traditionen davon abhalten zu lernen, zu verstehen und die Selbstbestimmung und Würde nehmen und weiter nur die Angst und Furcht vorm Unbekannten lehren, dann ist es immer an der Zeit, sich vom Wahnsinn dieser und ihrer Verkünder zu verabschieden.
„Leg Deine Hand“, die aktuelle Single: „Das Lied vom metaphysischen Moment“
Auch ein Liebeslied befindet sich unter deinen Songs: „Leg Deine Hand“. Welchen Hintergrund hat das Stück? Eine unerfüllte Liebe?
Das Lied für die Liebe. Ein Lied vom metaphysischen Moment. Der Versuch, das Mysterium zu beschreiben – und ja, ich habe diese Erfahrung gemacht.
In der Folge der nicht ganz so einfachen Corona-Zeit hast du dich viel mit dem Thema (eigene) Song-Produktion auseinandergesetzt und dich in Sachen Sound-Design und -Stil weiterentwickelt. Wie wichtig war diese Phase für dich und dein Dasein als Musiker?
Da ich kein Produkt bin, das nur existiert durch die Addition von Fähigkeiten anderer, ist es die logische Konsequenz, dass ich auf meinem Weg das Rüstzeug erlange, um meinem Werk Ausdruck zu verleihen. Ich schöpfe aus mir und werde nicht von anderen gefüllt, um dann wiederum von anderen ausgeschöpft zu werden. Diese Phase war der Raum, der das erweiternd ermöglichte und das in Beschleunigung.
„Ich weiß ja um mein Warum“
Wo verbringst du eigentlich lieber deine Zeit: Im heimischen Tonstudio oder auf der Konzertbühne?
Alles hängt zusammen und es braucht alle diese Momente. Die Abwechslung macht es spannend. Die Aufnahmen als konserviertes Dokument und die Konzerte als immer wieder lebendige Erfahrung.
Hast du das Gefühl, dass sich nach der einschneidenden Corona-Zeit die Dinge wieder so entwickeln, wie sie zuvor für dich als Solokünstler gelaufen sind? Kannst du nun wieder positiv(er) nach vorne blicken?
Es hat sich einiges geändert, das jedoch auf allen Ebenen in unserer Gesellschaft. Die Frage ist: Erkennen wir das? Und was resümieren wir, gesellschaftlich wie persönlich? Ich kann definitiv sagen, dass die Konzerte vielerorts noch intensiver geworden sind mit meinen Zuhörern. Wer mit dem Gesicht zur Zukunft steht, findet die Möglichkeiten und seinen Weg, wo auch immer er hinführt. Ich weiß ja um mein Warum…
Du beschäftigst dich nebenbei leidenschaftlich gern mit selbst hervorgebrachten Aphorismen und philosophischen Gedankenwelten. Gibt es einen Aphorismus, der dich und dein Schaffen als Musiker am besten beschreiben würde?
Eine der höchsten Künste der Kunst ist es, vom Konsum nicht verbraucht zu werden.
„Lass dich nicht mit einem Major ein“
Abschließend eine hypothetische Frage: Was würdest du machen, wenn du von heute auf morgen von einer namhaften Plattenfirma einen millionenschweren Vertrag angeboten bekämst? Wie lautet deine Antwort: Deal or no Deal?
Zu mir sagte einmal ein ehemaliger großer Plattenboss: „Du bist ein Original, bewahre Dir das und geh deinen unabhängigen Weg.“ Und mit einem Augenzwinkern fügte er noch hinzu: „Lass dich nicht mit einem Major ein.“
Ich bin unabhängig, sowohl in meinem Schaffen als auch in der notwendigen organisatorischen und logistischen Struktur. Einer gedeihlichen Kooperation steht nie etwas im Wege. Meine Originalität ist nicht verhandelbar.
Vielen Dank für Deine Zeit und weiterhin alles Gute.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer