Strakonice. Dinge für die Zukunft konservieren, damit sie auch den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Darin sieht der Böhmerwäldler Stanislav „Stan“ Schneedorf seinen Lebenssinn. Vielen Wegkreuzen, Stelen, Gedenksteinen und Ehrenmalen hat er im Laufe seines Daseins bereits zu altem Glanz verholfen – und ist dankbar und stolz zugleich, diese Aufgabe erfüllen zu dürfen.

„Ich brauche einfach einen Nachfolger, der weitermacht und sich auch um die aktuell restaurierten Denkmäler kümmert“, blickt Stanislav Schneedorf (88) voraus. Fotos: Stanislav Schneedorf.

Im ersten Teil hat Stanislav Schneedorf u.a. über seinen beruflichen Werdegang berichtet, wie er dazu gekommen ist, sein Leben dem Erhalt von sakralen Denkmälern zu widmen, wie die Erneuerung eines Wegkreuzes im Detail abläuft und welches Sakraldenkmal im Böhmerwald sein liebstes ist. Im zweiten Teil nun blickt er auf die Restaurierung des Schwarzenberger Wappens bei Fürstenhut zurück und verrät, was er als 88-Jähriger jungen Menschen mit auf ihren Weg geben möchte…

„Diese Tätigkeit erfüllt mich mit Zufriedenheit“

Herr Schneedorf: In welcher Verbindung steht Ihr Nachname mit dem nicht mehr existenten Dorf Horní Sněžná?

Werbung
       

Das ist nur ein Zufall. Auf jeden Fall bin ich stolz auf meinen Nachnamen, auch weil tatsächlich drei Dörfer nach mir benannt sind! Oder besser gesagt: Ich nach ihnen – denn sie waren vor mir hier. Es handelt sich um die Orte Horní Sněžná, Sněžná und Dolní Sněžná, die auch in historischen Karten verzeichnet sind. Und wie bereits erwähnt bin ich der einzige Träger dieses Nachnamens in unserer Republik.

Weitere Blutsverwandte leben in Brasilien, wohin der Bruder meines Großvaters nach dem Ersten Weltkrieg segelte. Wir korrespondieren immer noch mit meinem Großcousin José Schneedorf, ein Professor an der Universität von Sao-Paulo, und Großcousine Clarissa-Helena Schneedorf-Novi, einer Rechtsanwältin. Wir werden uns dieses Jahr wahrscheinlich hier in der Tschechischen Republik treffen. Nach den neuesten Informationen meiner Großcousine will sie im November dieses Jahres ihren fünfzigsten Geburtstag mit mir im Böhmerwald feiern.

„Jüngeren Menschen kann ich nur raten, vernünftige, realisierbare Lebensziele zu haben und diese bis zum Ende zu verfolgen.“

„Alles, was wir haben – sei es körperlich, geistig, sozial oder spirituell betrachtet -, haben wir nur für ein paar Jahrzehnte. Wir verwalten es nur vorübergehend. Alles ist uns also nur vorübergehend für unsere Zwecke geliehen.“ Diese Aussagen stammen von Pater Jan Wirth. Wir sind nur kurz hier auf Erden, bevor wir uns wieder in Staub verwandeln. Wir müssen unser Leben demnach sorgfältig, ehrlich und gewissenhaft führen.“ Welche Lebensweisheit würden Sie den Menschen aus der Sicht eines reifen 88-Jährigen mitgeben?

Werbung
       

Weisheit? Ich versuche so zu leben, dass ich immer etwas für die Zukunft erschaffe. In meinem Fall sind es diese kleinen, sakralen Denkmäler mit einem Rückblick auf die Geschichte unseres Böhmerwaldes. Diese Tätigkeit erfüllt mich mit Zufriedenheit. Mein Ziel ist es, für mein eigenes Glück zu leben und alle anderen glücklich zu machen. Ich glaube sogar, dass an jenem Tag im September 1989, als ich auf dem Steinsockel des Kreuzes am Rande von Tetřevská slať (Auerhahnsumpf) stand und es mit einer Drahtbürste reinigte, in meinen Gedanken und in mir ein göttliches Ziel geboren wurde, das mich seither erfüllt.

„Ein Symbol für geistiges und körperliches Wohlbefinden“

Jüngst haben Sie das riesige Wappen von Schwarzenberg auf dem Friedhof von Fürstenhut (Knížeči Pláne) am Eingang der ehemaligen Kirche erneuert. Die meisten Ihrer Aktivitäten finden in der Nähe von Fürstenhut statt. Wie nehmen Sie die Gegend wahr?

Immer wieder hoch hinaus geht es für Stanislav Schneedorf, wenn er sich um die Erneuerung sakraler Denkmäler kümmert.

Fürstenhut und die gesamte umliegende Landschaft faszinieren mich seit meinem ersten Besuch Anfang der Neunzigerjahre. Nicht nur, weil es viele Kreuze dort gibt, die ich im Laufe der Jahre restauriert habe. Ich wünschte, ich wäre jung oder zumindest körperlich noch fit genug, um zu jeder Jahreszeit – selbst bei Schneestürmen – mit einer Kamera durch all diese alten, von Steinverwehungen gesäumten Felder zu laufen und ihre allmählichen Veränderungen zu filmen. Ich denke dabei an die Jahrhunderte alten, vom Absterben bedrohten Bäume, an das Wachstum neuer Bäume und die Veränderung der Landschaft als solche. Ich hoffe, dass mir noch einige solcher Wanderungen gelingen werden…

Sie sind die lebendige Verkörperung unseres Mottos „Der Böhmerwald heilt“ („Šumava uzdravuje„). Was würden Sie jüngeren Menschen empfehlen, um mit 88 Jahren körperlich und geistig noch derart fit zu sein?

Ich bin davon überzeugt, dass die Tätigkeit, der ich seit vielen Jahren nachgehe und die mich mit Freude und Zufriedenheit erfüllt, ein Symbol für geistiges und körperliches Wohlbefinden ist. Und das gilt für jeden Menschen, nicht nur für mich. Es stimmt, dass ich vor anderthalb Jahren einen Schlaganfall erlitten habe und dank schneller Hilfe nicht aus dem Leben scheiden musste. Ich wurde wieder lebendig, obwohl einige Gehirnzellen starben. Insbesondere ist die Erinnerung nicht mehr so wie vorher. Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können! Jüngeren Menschen kann ich nur raten, vernünftige, realisierbare Lebensziele zu haben und diese bis zum Ende zu verfolgen.

Stanislav Schneedorf – hier in seinen mittleren Jahren – führte ein bewegtes, ein abwechslungsreiches Leben.

Das Buch „Von unten“, an dem Sie mitgearbeitet haben, wird derzeit veröffentlicht. Es ist sehr rührend und viele werden wohl die ein oder andere Träne beim Lesen vergießen. Was können Sie uns darüber erzählen?

Das Buch mit dem tschechischen Titel Odspodu beinhaltet zwei Lebensschicksale. Das erste endet tragisch, das zweite bleibt offen, wobei ich zugebe, dass es meine Lebensgeschichte ist. Ich gehe davon aus, dass es vor allem Leserinnen interessieren wird, die romantische Geschichten mögen. Ich selbst hatte Tränen in den Augen, als ich beide gelesen habe…

Das Schwarzenberg-Liechtenstein’sche Bündniswappen

Gerne fliegen Sie im November in wärmere Länder. Wohin werden Sie heuer reisen?

Gute Frage. Das hängt wohl von meinem Gesundheitszustand ab, denn der Flug zu meinem Lieblingsziel dauert mehrere Stunden, aber ich freue mich immer noch auf meine Dünen an der Atlantikküste.

Das Allianzwappen, das nun im renovierten Zustand am Eingangsportal der ehemaligen Kirche von Fürstenhut prangt.

Dieses Jahr war ein Jahr mit größeren Herausforderungen, vor allem weil sich die jetzt restaurierten Sakraldenkmäler in einem sehr schlechten Zustand befanden und deshalb mehr Aufwand für ihre Instandsetzung erforderlich war. Insbesondere das aktuelle Schwarzenberg-Liechtenstein’sche Bündniswappen bei Knížeči Pláne hat uns fünf Tage mühevoller und sorgfältiger Arbeit gekostet. Doch es hat funktioniert!

Außerdem werde ich am Steinportal noch eine Informationstafel über die Geschichte dieses Wappens aus dem Jahr 1864 anbringen. Bekanntlich wurde die Kirche ja am 20. August 1956 mitsamt dem Wappen in die Luft gesprengt. Dabei zersprang es in drei Teile. 1992 fanden einstige Bewohner aus Bayern schließlich die Teile in der Kirchenruine, reparierten es und stellten es am linken Portal am Eingang zur ehemaligen Kirche auf. Erst jetzt, nach 32 Jahren, habe ich es wieder in seine ursprüngliche Form gebracht.

100 Denkmäler hat er bereits restauriert

Vladimíra Tippmann und meine langjährige Freundin Pepa Mareček haben mir sehr dabei geholfen. Ihnen allen gilt mein Dank für die erfolgreiche Arbeit. Damit wurde das Allianzwappen zum 99. Sakraldenkmal, das ich im Laufe der Jahre im Gebiet des Nationalparks Böhmerwald zur Freude aller, die den Šumava tief im Herzen tragen, vollständig restauriert habe.

Numero 100: Die 111 Jahre alte Steinstele bei Fürstenhut, die an das einstige Pachtgesetz erinnert.

Mittlerweile haben Sie auf unglaubliche 100 aufgerundet.

Unweit des Fürstenhuter Friedhofs, abseits der Hauptstraße, steht rechts eine unauffällige, alleinstehende Steinsäule aus dem Jahr 1913, die an das Pachtgesetz erinnert. Da es in keinem guten Zustand war, gelang es mir, es im September zu restaurieren. Die Steinsäule mit allen Daten zur Entstehung leuchtet nun wieder in der Landschaft. Ich fühle mich großartig, ich bin zufrieden mit mir.

Was möchten Sie unseren Lesern abschließend mitteilen?

Genießen Sie ihr Leben in vollen Zügen, jagen Sie nicht dem Reichtum hinterher, leben Sie gesund und bleiben Sie ehrlich. Hinterlassen Sie gute Spuren hier auf dieser Welt für all diejenigen, die noch kommen werden.

Interview: Marek Matoušek und Ing. Jitka Řezanková

In Zusammenarbeit mit sumava.eu


Dir hat dieser Artikel gefallen und du möchtest gerne Deine Wertschätzung für unsere journalistische Arbeit in Form einer kleinen Spende ausdrücken? Du möchtest generell unser journalistisches Schaffen sowie die journalistische Unabhängigkeit und Vielfalt unterstützen? Dann dürft ihr das gerne hier machen (einfach auf den Paypal-Button klicken).


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert