Bad Birnbach. Südamerikanische Klänge dringen an das Ohr des Besuchers beim Betreten des Freiluft-Lokals im Bad Birnbacher Ortsteil Gries. Ein paar Katzen haben es sich auf imposanten Ziersteinen, umgeben von hochgewachsenen Pflanzen, gemütlich gemacht. An der Bar, die in diesem Stil wohl genau so in Kuba, Brasilien oder Puerto Rico zu finden sein könnte, werden gerade kühle Getränke angerichtet. Auf der kleinen Bühne unter dem großen Sonnensegel bereiten sich zwei Musiker auf ihren abendlichen Auftritt vor. Die Stimmung unter den Gästen ist ausgelassen. Es duftet nach Tortillas, Bosna und Currywurst. Mit einem gewöhnlichen bayerischen Biergarten hat die „Oase“ nicht allzu viel gemein. Hier läuft alles etwas entspannter und gelassener ab…
„Die Oase ist ein Ort, der entdeckt werden darf, weil er nicht perfekt ist“, sagt Andreas Triebel und schmunzelt. Der Mann mit den langen Rastazöpfen und den wachen Augen, der hauptberuflich als selbstständiger Landschaftsgärtner in München tätig ist, hatte 2006 den verwaisten Bauernhof bei Bad Birnbach („Stall mit Pferdekoppel“) gekauft und einige Jahre später dort das Biergarten-Projekt gestartet. „Damals hatte ich meinen selbstgebauten Gastrostand vom Tollwood-Festival 2010 übrig“, erinnert sich der 52-Jährige. Dieser wurde kurzerhand in die Grieser Gartenwirtschaft als Bartheke integriert – und bildet seitdem das Herzstück des Freiluft-Lokals.
„Es ist einfach in mir drin und darf raus“
2010 war auch das Jahr, als „Andi“ (wie er von seinen Freunden genannt wird) die gemeinnützige Fairtrade-GmbH „Baobab Social Business“ mit der Marke „BAOLA“ gründete. Dabei entwickelten er und seine Mitstreiter vier Limonadensorten auf Basis von Baobab-Fruchtfleisch, auch bekannt als Affenbrotbaumfrucht. Beim Tollwood diente der besagte Gastrostand als Auslage für seine Fairtrade-Produkte und Esswaren nach afrikanischer Küche. Letzteres geht darauf zurück, dass er mit einer Kenianerin verheiratet ist, die er als Vielreisender Mitte der 90er Jahre in dem Land am indischen Ozean kennen- und liebengelernt hat – und die schließlich mit ihm nach München gekommen ist, wo sie bis heute mit den gemeinsamen Kindern leben.
„Ich lass mich gerne auf Experimente ein“, sagt Andreas Triebel. Denn als solches bezeichnet er sein Baobab-Projekt, das ihm viel Erfahrung und tiefe Einblicke in die Bio- und Fairtrade-Welt gebracht hat, im Rückblick. Doch nun beginnt für ihn wieder etwas Neues. Baobab ist vorbei, die Landschaftsgärtnerei zwar immer noch sein erstes berufliches Standbein, doch der Birnbacher Biergarten rückte im vergangenen Jahr wieder näher an ihn heran. „Ich hab ihn selbst in die Hand genommen. Grund war eine kurzfristige Absage direkt vor Saisonstart meines Pächters im Mai 2023. Da konnte ich nicht anders – einen neuen Pächter zu finden wäre wohl nicht möglich gewesen.“
Und so erfolgte aus dem ursprünglichen Vorhaben, nach etlichen Jahren des kräfte- und energiezehrenden Engagements für Vereine, fairen Handel und soziale Projekte langsam etwas „ruhiger treten“ zu wollen, der Schritt in die Birnbacher Gastrowelt. „Eigentlich wollte ich mich mal nur um meine Familie, Pflanzen und Tiere kümmern, aber: Es ist einfach in mir drin und darf raus. Ich empfinde ganz besondere Freude daran, die Gemeinschaft zu fördern und Menschen zu verbinden.“ Und eben Experimente zu wagen.
„Wieder mehr miteinander, statt übereinander reden“
„Es ist ein Rückgang an Wirtschaften, Biergärten und Kulturräumen zu verzeichnen, doch es braucht gerade diese Orte so sehr“, bekräftigt der Münchener, der sich auf dem Birnbacher Hof hinter dem Biergarten ein kleines Domizil eingerichtet hat, um dort während der Sommer-Saison zu wohnen. „Bei uns in der Oase geht es nicht nur um Musik, sondern wir haben auch Geschichtenerzähler, Programme für Kinder und Jugendliche, wir versuchen Theaterstücke zu zeigen und den Diskurs über gesellschaftliche Themen zu fördern.“ Er spricht vom „neuen Schwung“ und davon, dass die Leute hier „wieder mehr miteinander, statt übereinander reden sollen“. Der finanzielle Aspekt soll nicht im Vordergrund stehen, sondern der Gemeinschaftssinn.
Andreas Triebel zufolge soll die Oase ein Ort der Gemütlichkeit werden, an dem die kulturelle Vielseitigkeit aufblühen darf. „Es ist bekannt, dass es schwierig ist, Mitarbeiter für die Gastronomie zu finden. Viele möchten diese Arbeit nicht mehr verrichten. Ohne meine Mitarbeiter, die aus den verschiedensten Ländern kommen und teilweise kein oder kaum Deutsch sprechen, wäre dieser Ort nicht geöffnet worden“, sagt der 52-Jährige, der einige internationale Studenten vom „European Campus Rottal-Inn“ in Pfarrkirchen für sich gewinnen konnte. Sie sind ein Grund dafür, warum er neuen Mut geschöpft hat, um weiterzumachen. „Mittlerweile ist daraus auch ein integratives Projekt geworden.“
Einen elementaren Bestandteil der kulturellen Vielseitigkeit stellt in der Oase freilich die Musik dar. Afrikanische Bands waren schon da, Mundartpop gab’s schon zu hören genauso wie „Acoustic Reggae-Vibes“, Blues-, Folk-, Elektro- und Salsaklänge. „Ich möchte, dass die Leute sich hier so wohlfühlen, wie ich mich wohlfühlen möchte“, betont Andreas Triebel, der sich selbst als empathischen Menschen bezeichnet, als Autodidakt, Pionier, Idealist und Weltverbesserer. „Und auch a bissl als Träumer“, wie er mit einem Lächeln ergänzt.
„Ein Ort, der nie fertig wird“
Seine persönliche Note konnte er als Landschaftsgärtner in die Gestaltung des Biergartens ebenfalls miteinbringen und diese entfalten. „Das war wie ein weißes Blatt Papier für mich“, erinnert er sich, grinst und blickt dabei auf die liebevoll arrangierten Steinmauern, Pflanzen-Ensembles und sonstigen Natur-Dekorationen, während Hofkatze „Scratch“ sich schnurrend um seine Beine windet. „Die Pflanzen und Tiere liegen mir mindestens genauso am Herzen wie die Menschen“, erklärt der Gastronom, als gerade ein Marienkäfer über seinen Arm krabbelt und er ihn ganz ruhig passieren lässt. Künftig möchte Andreas Triebel auch das Thema Permakultur den Rottalern auf dem rund einen Hektar großen Areal hinter dem Hof näherbringen.
Nach der soeben zu Ende gegangenen Sommersaison blickt der 52-Jährige bereits auf die kältere Jahreszeit, in der die Oase nicht stillstehen muss. Auch im Winter sind Veranstaltungen aus seiner Sicht vorstellbar. Auch dann kommen Konzerte mit nationalen und internationalen Künstlern, mit regionalen Nachwuchsbands sowie weniger bekannten Musikern in Betracht. Die etwas ruhigere Zeit will er jedoch hauptsächlich dafür nutzen, etwaige bauliche Veränderungen im Biergartenbereich anzustoßen: der ehemalige Pferdemisthaufen soll überdacht werden, um dort eine Art Lounge zu installieren. Das alte Feuerwehrauto, das sich ebenfalls auf dem Gelände befindet, soll zu einem Kindermobil umfunktioniert werden. Und auch von einer Beach-Area mit Liegestühlen träumt Andi bereits.
„Es ist ein Ort, der nie fertig wird und sich ständig verändern darf“, fasst er zusammen, was der gängige Biergartenbesucher wohl als „exotisch“ an jener Oase mitten in Niederbayern bezeichnen würde. „Wer aus der Wüste in die Oase kommt, darf gerne die Hektik und Ungeduld draußen lassen“, hat sich Andreas Triebel auf seine Speisen- und Getränkekarten drucken lassen. Und weiter ist darauf zu lesen: „Kehr ein und genieß den Moment. Orte wie dieser wachsen am schönsten, wenn viele mithelfen. Auf dass die Oase noch weiter aufblüht und wundersame Früchte hervorbringt.“ Darum geht es ihm, dem Pionier und Weltverbesser, im Kern. „Einkehren und wohlfühlen.“
Stephan Hörhammer