Strakonice. Sie stehen am Wegesrand, auf Lichtungen, Anhöhen und Berggipfeln. Manchmal läuft man einfach so an ihnen vorbei, ohne sie zu registrieren. Manchmal bleibt man stehen, hält kurz inne, staunt, begutachtet die Details und freut sich über das Gesehene. Die Rede ist von Wegkreuzen, Stelen, Gedenksteinen und Ehrenmalen. Folgender Artikel, erstmals erschienen auf der Seite unseres tschechischen Partnerportals sumava.eu, handelt von einem, der sich seit Jahrzehnten um deren Erhalt kümmert.
Stanislav „Stan“ Schneedorf wurde am 16. Juli 1936 in Strakonice geboren und feierte heuer seinen 88. Geburtstag. Als eine der bedeutendsten lebenden Persönlichkeiten des Böhmerwalds widmet er sich bis heute der Restaurierung kleiner Sakraldenkmäler, der Amateurfotografie und dem Schreiben über Kreuze, die die Geschichte dieser Region repräsentieren. Kürzlich erreichte er einen wichtigen Meilenstein: die Restaurierung eines Gedenksteins bei Fürstenhut (Knížecí Pláně) aus dem Jahr 1913.
Eigentlich wollte er Fotograf werden…
Herr Schneedorf, Sie hatten viele Berufe in ihrem Leben: Hausmeister, Elektriker, Industriekaufmann, Koch in einem Restaurant, Handlungsreisender. Lange Zeit waren Sie auch als Gewürzhändler tätig. Welcher Beschäftigung hat Ihnen im Laufe der Zeit am meisten Spaß gemacht?
Das Schlimmste von allem, was ich bisher gemacht habe, war der Beruf, den ich einst erlernt habe: Elektromechaniker. Ich wollte eigentlich professioneller Fotograf werden, ein Schaufensterdekorateur. Denn bereits im Mai 1945 lebten zwei amerikanische Offiziere mehrere Monate bei uns und brachten mir bei, wie man mit einer KODAK-Kamera fotografiert. Das hat mich für den Rest meines Lebens interessiert. Allerdings war meine Mutter mit meinen Plänen nicht so ganz einverstanden. Vor allem weil die Schaufensterdekorateure bei ihrer Arbeit im Winter immerzu frieren mussten und nur wenig Gehalt bekamen, sodass ich gezwungen war, den Beruf des Elektrikers zu erlernen. Nach meiner Ausbildung habe ich als Betriebselektriker im Landesbetrieb Fezko Strakonice gearbeitet.
Nach der Rückkehr aus dem Krieg war ich ein Jahr lang in den Bergwerken tätig – und ab September 1958 arbeitete ich sieben Jahre lang im Kraftwerk LIPNO. Darauf folgte die Leitung eines Industriewaren-Ladens in Frymburk, meine liebsten sieben Jahre. Bis 1990 war ich dann als „Mädchen für alles“ im Kinderheim Horní Planá angestellt. Seitdem bin ich selbstständig, arbeite bis heute mit Gewürzen als Handelsvertreter eines tschechischen Unternehmens, das Gewürz-Mischungen herstellt. Da ich schon in jungen Jahren gerne gekocht habe, sind Gewürze die Würze meines Lebens (lacht).
Zu Ihrem 50. Geburtstag hatten Sie ja eine Geschenkpackung mit Gewürzen bekommen. Hatte Ihnen diese denn so gut gefallen, dass Sie zum Telefon gegriffen haben, um bei der Firma anzufragen, ob ein Vertriebsmitarbeiter für Südböhmen gebraucht wird?
Ja – und weil ich ein zuverlässiger und akribischer Perfektionist bin, hat mich das Unternehmen auch mit Begeisterung als Vertriebsmitarbeiter für Südböhmen angenommen. Mit großem Tatendrang bin ich dann zu Werke gegangen und habe mir im Laufe weniger Monate einen Kundenstamm von fast 300 Stammkunden in der Gegend von Železná Ruda bis České Budějovice aufgebaut. Ich habe fast alle Küchen in den besten Hotels und Restaurants beliefert. In einem einzigen Jahr habe ich Gewürze im Wert von 2,5 Millionen Kronen verkauft. Allerdings habe ich auch fast 320 Tage im Jahr gearbeitet! Nach mehreren Jahre übergab ich schließlich mein gesamtes Geschäftsnetzwerk an einen jüngeren Nachfolger. Aktuell habe ich noch ein paar Dutzend Kunden, die „meine“ Gewürze sehr schätzen – ich habe mehrere eigene Gewürzmischungen, die sonst niemand hat.
„Eine Art Inspiration, etwas Außerweltliches“
Sie sagen, Sie seien katholisch – und sagen auch, Sie könnten nicht beten. Wie passt das zusammen?
Ich bin seit meiner Geburt katholisch und auf den zweiten Namen Antonín getauft. Das Gebet ist meine Schwäche. Das Gebet Engel, mein Wächter kenne ich nur aus meiner Kindheit. Als kleiner Junge musste ich es jeden Tag in meinem Kinderbett unter der Aufsicht meiner Mutter, die mir vom Nebenzimmer aus zuhörte, aufsagen. Allerdings besuche ich gerne und oft Kirchen. Sie haben eine besondere Atmosphäre, die sich positiv auf mich auswirkt. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist – aber ich mag alte Friedhöfe, besonders hier an der Grenze. Ich fotografiere gerne dort – und manchmal fotografiere ich Messen oder kulturelle Veranstaltungen in Kirchen. Das ist heutzutage ja sehr beliebt.
Ihr erstes Kreuz befand sich am 5. September 1989 an der Stelle, an der Sie auf dem Weg von Filipova-Hut nach Kvilda ein paar Schwammerl gefunden haben. Und am nächsten Tag, als Sie erneut dorthin gingen, fanden Sie über 500. Nachdem Sie das Kreuz an Ort und Stelle repariert hatten – was hat Sie dazu bewogen, das nächste zu restaurieren?
Im September ’89 fand ich zunächst zwölf Steinpilze am Waldrand – zu einer Zeit, als es nirgendwo Schwammerl gab. Zuhause in Strakonice angekommen, ging ich zu einem Freund und erzählte ihm von meinem Fund. Er war sehr überrascht und wir waren uns einig, am nächsten Tag noch einmal dorthin zu gehen, um nach weiteren Pilzen zu suchen. Wir machten uns früh am Morgen auf den Weg, ausgestattet mit Körben und Taschen, für den Fall, dass wir Erfolg haben. Und den hatten wir! Bei vierstündigen Spaziergängen fanden wir im Wald insgesamt 560 gesunde Pilze unterschiedlicher Größe. Am Ende haben wir unter demjenigen Kreuz gefrühstückt, das sich oberhalb der Straße befindet. Und genau in diesem Moment, als ich zum Kreuz aufsah, hatte ich eine Art Inspiration, etwas Außerweltliches.
Ich blickte auf ein damals recht schäbiges Kreuz ohne Christusstatue über mir und dachte darüber nach, es zu veredeln – und so Gott für all die wunderbaren Pilze zu danken, die er uns geschenkt hat. Da ich ein Mann der Tat bin, habe ich gleich am nächsten Tag Farben gekauft und bin nach Tetřevská slat‘, wie der Ort genannt wird, gefahren. Dann habe ich den Stein und das Kreuz sorgfältig gereinigt und schließlich beides bemalt. Das Kreuz aus weißem Latexstein und schwarzer, synthetischer Emaille. Wenig später bauten mein Freund und ich einen Tisch und eine Bank, um neben dem Kreuz sitzen zu können.
In den folgenden Jahren besuchten wir diesen Ort regelmäßig und fanden immer Schwammerl von hoher Qualität. Seitdem hat sich das Kreuz verändert, weil jemand den fehlenden Christus daran befestigt hat. Darüber hinaus wurde rund um das Kreuz ein Zaun angebracht, vermutlich ein Werk der Forstverwaltung. Seit 1989 habe ich das Kreuz bereits zweimal neu bemalt. Beim Vorbeigehen bleibe ich stets stehen, stecke eine neue Kerze in die Lampe und zünde sie an…
Die Restaurierung eines Kreuzes
Beim Restaurieren eines Kreuzes Sind Sie einmal von der Leiter gefallen und haben sich die Rippe gebrochen. Wie ist das passiert?
Das geschah in der Nähe eines vier Meter hohen Steinkreuzes in einem heute nicht mehr existenten Dorf namens Horní Sněžná, oberhalb von Volary gelegen. Während ich auf der Leiter bis zur Spitze des Kreuzes kletterte, hielt ich in einer Hand einen Eimer mit Reinigungsmittel und griff mit der anderen Hand nach oben. Auf halber Höhe rutschte das Kreuz aus der Verankerung und ich fiel zu Boden.
Der Inhalt des Eimers ergoss sich direkt über mich und ich brach mir nach der Landung auf den Felsen unter mir eine Rippe. Zum Glück fiel die schwere Leiter nicht auf mich, sondern blieb in den Ästen eines Baumes hängen. Der Schmerz war unerträglich und ich hatte etwa einen Monat lang Schwierigkeiten beim Atmen, bis die gebrochene Rippe verheilte. Dennoch ging ich nach etwa zehn Tagen erneut zum Kreuz und vollendete meine Arbeit. Immer, wenn ich diesen Ort besuche, erinnere ich mich an diesen gruseligen Herbst…
Wie verläuft die Restaurierung eines Kreuzes – von der ersten Entdeckung bis zum Abschluss der Renovierung?
Es ist ganz einfach: Zuerst muss man natürlich erstmal ein Kreuz oder eine Kapelle finden – etwa auf alten Karten oder beim Streifzug durch verlassene Siedlungen oder Dörfer. Oder ich hole mir Informationen von einem der Nationalparkwächter. Anschließend fotografiere ich den aktuellen Zustand des Denkmals und überlege das weitere Vorgehen bei der Restaurierung bzw. Komplettsanierung.
Wenn das Denkmal nur wenig lädiert ist, reicht es aus, mit den notwendigen Werkzeugen und Geräten an Ort und Stelle zu kommen, den Steinsockel gründlich zu reinigen, das Kreuz – wenn möglich – zu entfernen, es zu Hause richtig zu reinigen und zu bemalen. Abschließend kehr man zum Standort zurück und befestigt das Kreuz wieder an seinem Platz. Wenn der Grundstein teilweise abgebrochen ist, ist es notwendig, einen präzisen Metallreifen anzufertigen, mit dem der reparierte Steinkopf dann zurückgezogen wird.
Noch schwieriger wird es, wenn das Kreuz zerbrochen ist und dessen Fuß im Kopf des Steins eingeklemmt ist. Es erfordert dann ein sehr sorgfältiges Ausschneiden des Fußes, was normalerweise mehrere Stunden feiner Arbeit benötigt. Wenn der gebrochene gusseiserne Kreuzfuß ohne Beschädigung des Pfostenkopfes gelöst werden kann, wird das neue Kreuz in den Stein eingelassen und gründlich mit einem speziellen, bewährten Fugenmaterial ausgefüllt. Nun bleibt nur noch die Segnung des neuen Kreuzes an der Gedenkstätte durch den Pfarrer.
Die beiden Favoriten
Welches Kreuz oder welche Kapelle bedeutet Ihnen am meisten?
Das ist eine schwierige Frage. Fast alle von mir restaurierten Sakraldenkmäler auf dem Gebiet unseres schönen Böhmerwalds sind für mich von Bedeutung. Vor allem, weil sie in unmittelbarer Nähe der Häuser der alten Bewohner oder entlang der Straßen und Wege am Rande des Böhmerwalds standen. Allerdings gibt es einige, zu denen ich wirklich gerne gehe, dort die Kerzen auffülle, sie anzünde und meditiere.
Mein erster Favorit befindet sich in Horní Sněžná – zu Deutsch: Oberschneedorf. Von diesem Ort leitet sich mein Nachname Schneedorf ab, der der einzige in dieser Republik ist. Darüber hinaus bietet sich in diesem verlassenen Dorf zu jeder Jahreszeit und an jedem Tag eine wunderschöne Aussicht auf den 1.236 Meter hohen Knížecí stolec – zu Deutsch: Fürstenthron -, die umliegenden Weiden und verschiedene Baumarten. Das alles bildet im Herbst eine wunderschöne, farbenfrohe Kulisse dieser Landschaft. Es gab dort sogar ein Gasthaus, in dem der Schriftsteller Eduard Bass zu Gast war und seinen bekannten Roman Circus Humberto schrieb. Auch viele Musiker und Figuren dieses Romans kamen aus Ober- und Unterschneedorf. In den Wintermonaten traten sie in diesem Zirkus auf, um ihre kinderreichen Familien zu unterstützen.
Mein zweitliebstes Denkmal steht in Jodlhäuser, obwohl dort nie ein Jodl gelebt hat. Es ist eine große Kapelle mit einer tiefen Nische und einem Madonnenbild, wo ich mich sehr gerne auf eine Bank setze. Von der Entdeckung der Kapelle bis hin zu ihrer endgültigen Fertigstellung – einschließlich ihrer Segnung – habe ich sie sechzehn Mal mit mehreren Freunden besucht. Es ist ein etwas mystischer Ort am Rande einer einst kleinen, belebten Siedlung. Diese Kapelle wurde auch von Pater Kája Falář mit der musikalischen Begleitung der Flöte und Bratsche meiner Freunde gesegnet, von denen damals mehr als 25 an der Veranstaltung bei Regenwetter teilgenommen haben.
Interview: Marek Matoušek und Ing. Jitka Řezanková
Im zweiten Teil des Interviews mit Stanislav Schneedorf berichtet dieser von der Restaurierung des Schwarzenberger Wappens bei Fürstenhut, seinem einhundertsten von ihm erneuerten Sakraldenkmal und davon, was er als 88-Jähriger jungen Menschen mit auf ihren Weg geben möchte…