Rimbach. „Seit ich denken kann, bin ich eine Leseratte“, sagt Beate Freitag über ihr liebstes Hobby. Und dass sich das Geschriebene einmal in eigenes Schreiben verwandeln würde, war ein lang gehegter Wunsch von ihr. Da sie schon immer eine Frau der Tat war, sollte es nicht beim Wünschen bleiben – und als Sahnehäubchen obendrauf hat die Autorin auch noch ihren eigenen Verlag gegründet: die WoidGeschichten. Mittlerweile ist sie nicht nur Autorin und Verlegerin, sondern auch die Organisatorin eines Literaturevents.
Dass die Anfang 60-Jährige keine geborene Waidlerin ist, hört man. Warum es sie in unsere Region verschlagen hat? Wie so oft: „der Liebe wegen“. Die gebürtige Fürtherin zog 2007 zu ihrem späteren Ehemann Wolfgang zuerst nach München. Dieser besaß zudem sein Elternhaus in Rimbach und pendelte jedes Wochenende in den Bayerischen Wald – irgendwann auch gemeinsam mit Beate. Und als er schließlich in Pension ging, siedelten beide 2019 ganz in den Landkreis Cham um.
Der Wolf und das Hühnchen alias Wolfgang und Beate
Das Großstadtleben vermisst sie „kein bisschen“, sagt die Autorin, die die Natur und ihren großen Garten liebt. Beruflich ist die Wahl-Rimbacherin noch als Teamassistentin am Gesundheitscampus der TH Deggendorf in Bad Kötzting aktiv. In nicht allzu ferner Zukunft möchte sie allerdings dem Brotjob Adieu sagen und in den (Un-)Ruhestand treten. Die Buchliebhaberin sieht diesem Abschnitt bereits mit Vorfreude entgegen, denn dann bleibt mehr Zeit, ihrer Passion noch intensiver zu frönen.
In ihren Büchern schwingt schon auch ein Stück weit eigenes Leben mit, daher auch die Inspiration zur Geschichte um die Tierfreunde im Wald. Der Wolf wohnt am Fuß seines Berges am Ortsrand eines kleinen Dorfes. Verstohlen beobachtet er ein Bauernhaus und dessen Familie. Zum Haus gehört auch ein Hühnerstall mit einem besonders frechen und kessen Hühnchen, das er nicht mehr aus den Augen lässt. Eines Tages steht das Hühnchen neben ihm und stellt fest, dass der Wolf kein böser, sondern ein zahmer Zeitgenosse ist. So entwickelt sich schließlich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden ungleichen Gefährten, bis das Hühnchen schließlich zum Wolf in den Wald zieht und die beiden viele aufregende Abenteuer gemeinsam mit den anderen Waldbewohnern und den Menschenkindern erleben.
„Mein Mann, der Wolf, beziehungsweise Wolfgang, hat das kesse Hühnchen, mich, auch schon länger aus der Ferne beobachtet, bis wir uns dann näherkamen“, berichtet Beate Freitag, lacht und fügt hinzu: „Ich bin schließlich zu ihm in den Wald gezogen, an den Fuß des Hohen Bogens, wo wir seither viele Abenteuer erleben.“ Zwei Botschaften sind ihr in den Erzählungen wichtig: Man darf auch mal mutig sein und etwas ausprobieren. Vielleicht wird’s ja gut. Und ganz wichtig: Nur durch Zusammenhalt kommt man im Leben weiter und kann Hürden überwinden. Und so ganz nebenbei wartet auch das ein oder andere spannende Erlebnis…
Die „WoidGeschichten“
Auch das Image vom „Bösewicht“ Wolf deutet sie um. Es ist oft ganz anders als man denkt oder es den ersten Anschein erweckt. Die Ideen zu den Geschichten entwickelt sie oft bei der Gartenarbeit, am liebsten beim Unkrautjäten. Da fliegen die Gedanken und die Bruchstücke formieren sich zur Story. Wie gut, dass der Garten der Freitags enorme Ausmaße hat.
Mittlerweile gibt es schon vier Bände vom Wolf und seinem Hühnchen. Ab 2021 brachte die Autorin jährlich einen Band heraus. Nachdem sich Beate Freitag auf die langwierige Suche machte, die nötigen und passenden Komponenten zur Veröffentlichung ihres ersten Buches zu finden, fasste sie recht bald den Entschluss, das Werk im Eigenverlag herauszugeben. Es war die Geburtsstunde der WoidGeschichten. „Ich verlege nur meine eigenen Bücher“, sagt sie. „Ich möchte kein Unternehmen aufbauen, aber für mich als Autorin ist es so einfacher“.
An ihrer Seite steht die Illustratorin Tuula Schneider, eine Schweizerin, die in der Bretagne lebt. Schnell waren sich die beiden einig, wie die Geschichte visuell gestaltet werden sollte. Beide arbeiten optimal aufeinander abgestimmt zusammen. „Wenn ich eine Idee habe, unterbreite ich sie Tuula und sie setzt sie meistens so um, wie ich es mir vorgestellt habe“, freut sich die Rimbacherin.
Mittlerweile gibt es Band eins und vier der Reihe sogar in englischer Version, damit die amerikanische Verwandtschaft auch an den Waldabenteuern teilhaben kann. Bei der Umsetzung waren Beates erwachsene Söhne behilflich, die im Englischen sehr gewandt sind. Und damit nicht genug: Auch zwei Hörbücher wurden schon eingesprochen. Ein gelungenes Rundumpaket über das Duo Wolf-Hühnchen.
Aus Leerständen werden FreiRäume
Wie allgemein bekannt, entwickeln sich die Leerstände in größeren und kleineren Kommunen seit Jahren zu einem Problem, das nicht so einfach zu lösen ist. Auch die Kurstadt Bad Kötzting ist betroffen. Um das Problem aktiv anzugehen und das Stadtzentrum wieder zu beleben, gründete sich 2023 die Initiative „FreiRäume“ auf Anregung des Stadtmarketings Bad Kötzting. Auch Beate Freitag stieß zu der Gruppe, bei der verschiedene Ideen für die leeren Geschäfte vorgestellt wurden. In ihrer Funktion als Autorin und Buchmensch zeichnete die Rimbacherin schließlich für die Literatursparte des Vereins verantwortlich und erarbeitete das Konzept der „Langen Nacht der Lesung„.
Im Oktober 2023 fand dann die erste Lesung mit drei Autoren in einer ehemaligen Metzgerei statt. Der Erfolg gab dem Verein und Beate Freitag recht, diese Veranstaltung fortzusetzen. Im Juni diesen Jahres hatte die Autorin auf der Instagramseite der „Langen Nacht der Lesung“ den Termin gepostet – und nach 24 Stunden war dieser komplett ausgebucht. Zweimal im Jahr (Februar und Oktober) findet die Aktion statt, nun auch mit Vertretern aus der Kunst, die ihre Werke im „FreiRaum“ ausstellen können.
„Die Autoren melden sich bei mir, ich muss gar nicht suchen“, erklärt die Organisatorin. Neben ihrem Instagramkanal verfügt Beate Freitag über ein immenses Netzwerk im deutschsprachigen Raum. „Man darf nicht vergessen, dass die Leute die Kosten komplett selbst tragen, da wir nicht vergüten können – aber das hält sie auch nicht davon ab nach Bad Kötzting zu kommen“, berichtet sie und lacht. Teilweise weite Anfahrten, Übernachtung, Verpflegung – all das müssen die Teilnehmer aus der eigenen Kasse finanzieren.
Die Lese-Community kehrt in Bad Kötzting ein
Inzwischen ist die Lange Nacht der Lesung mit Literatur und Kunst im „FreiRAum“ als reguläre Messe registriert. Das freut die Verantwortliche, zumal sie selbst schon seit langem auf vielen Buchmessen in Bayern vertreten ist. „Ich liebe einfach das Drumherum um die Bücher“, schwärmt sie. Überall trifft man Gleichgesinnte, Freunde und Bekannte – eine große Community im deutschsprachigen Raum. Auch Dank der sozialen Netzwerke.
Am Leseabend lesen dann nicht nur Autoren aus ihren Werken vor, es finden sich auch zahlreiche Vertreter aus der schreibenden Zunft ein, präsentieren ihre Bücher und kommen mit den Besuchern ins Gespräch. Es muss nicht immer Frankfurt oder Leipzig sein, es funktioniert auch im kleinen Rahmen. Beate Freitag zeigt, wie es geht.
Und wahrscheinlich hätte sie sich nie vorstellen können, was aus ihrer einst kleinen Idee vom Wolf und seinem Hühnchen mittlerweile geworden ist. Einer Idee, die 15 Jahre lang in einer Schublade lag. Unterdessen ist sie zu vier Bänden angewachsen – mit eigenem Verlag und einer sehr umtriebige Akteurin in Bücherkreisen. Seien wir gespannt, wie es weitergeht. Wer sie kennt, weiß, dass Band fünf schon längst im Kasten bzw. ihrem Kopf ist…
Melanie Zitzelsberger