Fürsteneck. Spricht Anna Fruth über ihren Mann, dann sagt sie nur „da Fruth“. Mit 31 Jahren hatte sie ihn geheiratet. „Mein Mann“ zu sagen, wäre ihr seltsam vorgekommen. Vielleicht weil er Künstler war. Vielleicht weil es ihr, der selbstbewussten Frau aus Passau, auch ein wenig zu konservativ erschienen wäre. Vielleicht aber auch, weil sie nicht nur seine Frau, sondern ein Stück weit auch seine Managerin war, wie man es heute ausdrücken würde.
Josef Fruth ist am 21. Juli 1994 verstorben. Sein Todestag jährte sich also in diesem Sommer zum 30. Mal. Folgendes Gespräch mit seiner Witwe Anna Fruth, die heute 94 Jahre alt ist (was man ihr weder ansieht, noch in dem angeregten Gespräch vermuten würde), soll an den großen Sohn der Gemeinde Fürsteneck im Landkreis Freyung-Grafenau erinnern.
Die Frau an Fruths Seite: resolut, belesen und kritisch
Nicht nur der Künstler sei wichtig, auch und vor allem der Mensch, betont sie. Denn einem Kunstwerk liegt zuallererst die Gedankenwelt, die eigene Vorstellungswelt zugrunde. „Da Fruth hat sich immer Gedanken gemacht und dann versucht, diese auszudrücken.“ Das geschah auf Papier, Leinwand und Glas. Aber auch in Form vieler Gedichte, die womöglich nicht so bekannt sind, wie die Malerei des Künstlers es ist.
Anna Fruth lernte den Maler kennen, nachdem sie im „Bistumsblatt„, bei dem sie damals arbeitete, einen Hilfeaufruf gelesen hatte, dass Fruth sehr krank sei und Unterstützung brauche. „Ich fuhr hin, lernte ihn kennen – und blieb.“ Sie hatte ihren Platz im Leben gefunden, auch wenn ihr damaliger Chef sie nur ungern ziehen ließ. Denn Anna war für die damalige Zeit eine außergewöhnliche Frau. Sie reiste mit dem Zug mehrmals allein nach Rom und Neapel, interessierte sich für Kunst und Musik, sang in mehreren Chören in Passau. Ein freier Mensch.
Woher kam’s? Weil sie als Mädchen an Kinderlähmung erkrankte und mit dem Gefühl aufwuchs, unter den Nazis wäre sie ohnehin „verräumt“ worden. Und weil ihr auch manche Klassenkameraden das spüren ließen, wurde sie stark und entwickelte seelische Abwehrkräfte. Unter den Buben, wo nur die Leistung zählte, wurde sie anerkannt. Das sollte sie ein Leben lang prägen – und selbst heute noch versteht man die resolute, belesene und kritische Anna Fruth mit ihren 94 Jahren erst, wenn man um diesen Teil ihrer Geschichte weiß.
Er arbeitete stundenlang, ohne Pause
Ihr Leben an der Seite Josef Fruths sah sie als ihren Auftrag an – und wer weiß, ob der Künstler je so erfolgreich geworden wäre, hätte es seine Frau nicht gegeben. Zumindest war sie es, die sich nach neuen Aufträgen umsah. Ebenso bemühte sie sich um private Kredite, damit die kleine Familie mit Sohn Gunther die Räume im Schloss Fürsteneck umbauen und beziehen konnte.
„Die damalige Wohnung, die wir hatten, war viel zu klein und Fruth konnte unter diesen Umständen nicht mehr arbeiten“, erinnert sie sich. Also kontaktierte sie verschiedene Persönlichkeiten, die bereit waren, den Künstler finanziell zu unterstützen. Die Baustelle im Schloss – wobei Anna Fruth meint, die Bezeichnung Burg wäre passender – entpuppte sich schnell als Katastrophe, als etwa das Gewölbe einstürzte, kurz nachdem die Handwerker das Haus verlassen hatten. Schließlich schaffte man es und nach einem Jahr – das konnte damals keiner glauben – waren die Schulden zurückgezahlt. Josef Fruth arbeitete. „Wenn man ein Talent hat, ist das nicht nur ein Geschenk, es ist auch eine Verpflichtung.“
War er in ein Projekt vertieft, dann arbeitete er stundenlang – auch nachts, ohne Pause. Seine ohnehin angeschlagene Gesundheit litt darunter. Diese Passion ist es, die noch heute aus seinen Werken spricht und die „einen Fruth“ schon von weitem unverwechselbar machen. In seiner Heimat Fürsteneck galt der Exot wenig. Als „Bettelmann“ hätten ihn die Bauern bezeichnet. Auch Annas Familie war nicht begeistert von der Wahl ihres 20 Jahre älteren Ehemannes. „Als wir vor einigen Jahren eine Ausstellung in Fürsteneck hatten, kam ein Einheimischer und zeigte mir ganz stolz, dass er ‚einen echten Fruth‘ daheim habe.“ Man merkt es ihr am Lächeln an, wie sehr sie die Anerkennung ihres Mannes im eigenen Dorf heute noch freut.
Doch Josef Fruth wurde weit über die Grenzen seiner Heimat hinweg geachtet, dort – wie es bei Künstlern oft der Fall ist – sogar viel früher als daheim.
Behüter von Bräuchen und Sagen
Als in den 60er Jahren viele Schulen gebaut wurden, gestaltete der Kunstschaffende großformatige Bilder, die das Brauchtum vor Ort im Jahreskreis zeigten. „Es war ihm ein großes Anliegen, dass die Bräuche und Sagen nicht vergessen werden“, erklärt Anna Fruth. Diese Motive finden sich auch in anderen Werken des Künstlers immer wieder.
Mit den Büchern von Hubert Weinzierl, einem Vorreiter der ökologischen Bewegung in Bayern und Deutschland, von denen Fruth aus tiefster ökologischer Überzeugung heraus insgesamt zehn illustrierte, erlangte er auch weit über die Landkreisgrenzen hinaus Ansehen. In seinem Schaffen scheint er unermüdlich. 1966 zählt Josef Fruth zu einem der Gründungsmitglieder des Bayerwald-Kreises. Und auch mit anderen namhaften Künstlern der Region – etwa Heinz Theuerjahr oder Siegfried von Vegesack – verbindet ihn eine kollegiale Freundschaft. Viele Ausstellungen und Auszeichnungen folgen.
An den „runden Tisch“, wie er genannt wurde, und der noch heute in der Alten Wache im Schloss Fürsteneck steht, wurden häufig Freunde und Bekannte eingeladen – darunter auch so hochstehende Persönlichkeiten wie die Wittelsbacher Prinzessin Irmingard von Bayern. Ausgiebig diskutiert wurde hier, etwa im Rahmen der legendären „Dreschersuppen“, stets gut bewirtet von Anna Fruth.
„Das weiß ja keiner mehr“
Seit 30 Jahren nun lebt Anna Fruth schon allein und hütet das Vermächtnis von Josef Fruth in der Künstlerwerkstatt in der Alten Wache. Viel Briefverkehr gelte es noch zu sortieren und zu kommentieren. „Das weiß ja keiner mehr“, sagt die 94-Jährige, die dementsprechend noch so einige Aufgaben vor sich sieht. Sie liest viel, lernt nach wie vor Gedichte auswendig und ist auch über das aktuelle Geschehen bestens informiert.
Was bleibt also vom „Fruth“? Was soll bleiben? „Die literarische Aussage ist gleichbedeutend mit der bildnerischen.“ Das steht für sie im Zentrum. Fruth habe sich selbst nie verbogen. Ebenso wenig wie die Worte in seinen Gedichten, damit sie in ein bestimmtes Reimschema gepasst hätten.
Das ist der Grund, warum „ein Fruth“ – ob nun als Gemälde oder Gedicht – noch Jahrzehnte nach ihm unverkennbar ist. Schließlich war auch die Gedankenwelt, die all dem zugrunde lag, einmalig.
Manuela Lang
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Eine Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Wald-Verein, dem Verein für Heimat- und Volkstumspflege, Kulturarbeit, Natur- und Landschaftsschutz sowie Wandern im Bayerischen Wald, der auch für das Projekt „WanderKultur“ verantwortlich zeichnet.