Zwiesel. Es gibt Geburtstage, die für eine ganze Region von Bedeutung sind. Einer davon ist das 120. Jubiläum der Glasfachschule Zwiesel, die einst am 18. September 1904 im Rahmen eines großen Festakts eingeweiht wurde und somit als ureigenes Zwieseler Gewächs gilt. Sie ist damit die erste und größte Glasfachschule Deutschlands und genießt als Kompetenzzentrum bis heute internationalen Ruf. Ein Rückblick.
Es kommt nicht von ungefähr, dass man die Stadternennung Zwiesels zusammen mit dem 120-jährigen Geburtstag der Glasfachschule feiern kann. „1904 war die Errichtung der Schule – noch durch den alten Markt – das Herz-As beim anstrengenden Spiel um die Stadterhebung“, schrieb einst Adalbert Pongratz im Buch „100 Jahre Glasfachschule Zwiesel“.
„Glasmacherschule“ für den Bayerwald
Die damalige Zeit war geprägt von großen Umbrüchen in der Glasindustrie – neben die Handfertigung trat immer mehr die maschinelle Produktion. Beide brauchten geschultes Fachpersonal und so waren dringend gut ausgebildete Handwerker mit virtuosem Können und künstlerischem Verständnis gefragt, welche die hohen Anforderungen an manuell gefertigte Produkte erfüllen konnten. Daneben wurde auch der zeichnerisch ausgebildete Gestalter als Vorläufer des Designers immer wichtiger, erwuchs doch gerade in dieser Zeit die Erkenntnis, dass industrielle Glasproduktion und gezielte gestalterische Ausbildung zusammengehören.
Schon 1856 war zu diesem Zweck im böhmischen Steinschönau (Kamenický Šenov) eine erste Glasfachschule entstanden. 1869 folgte eine weitere in Haida (Nový Bor). Auch auf bayerischer Seite wurde der Bedarf über längere Zeit immer deutlicher. Im Mai 1894 wurden die Rufe schließlich so laut, dass der Magistrat von Zwiesel aktiv wurde und ein erstes Gesuch an die niederbayerische Regierung richtete, eine „Glasmacherschule“ zu gründen, um die fachlich unterlegenen bayerischen Fachkräfte besser ausbilden zu können.
Diese und die darauffolgenden gemeinsamen Anstrengungen von Politik und Industrie führten schließlich zum Erfolg. „Am Sonntag, den 18. September 1904 versammelte sich um 10 Uhr die auserlesene hohe Gesellschaft und trat den Gang durch die beflaggten Straßen zum dekorierten Fachschulbau an“, führte Christiane Sellner aus.
Schule als wichtiger Kulturträger der Region
Als maßgebliche Akteure in Bezug auf die Gründung der Glasfachschule Zwiesel sind u.a. der damalige Zwieseler Bürgermeister Josef Andreas Röck, dessen Bruder Kommerzienrat Anton Röck, zu der Zeit Generaldirektor der Krystallglasfabriken Ludwigsthal-Regenhütte-Schliersee sowie der innovative Glashüttenherr Ferdinand Ritter von Poschinger aus Buchenau zu nennen. Auch ängstliche Stimmen gab es damals, welche durch die Schule Konkurrenz für die örtlichen Glashütten befürchteten.
Diese Stimmen sind mittlerweile verstummt. Die Glasfachschule Zwiesel genießt als größtes Kompetenzzentrum für Glas in Deutschland mit weltweitem Einzug einen hervorragenden Ruf und bietet neben 14 verschiedenen Ausbildungsrichtungen auch drei Weiterbildungen an. Allgemein wird an der Schule durch einen modernen Maschinenpark und praxisnahen Unterricht für eine umfassende, zukunftsorientiere Ausbildung gesorgt.
Über die 1957 in Betrieb genommene Lehr- und Versuchsglashütte mit angeschlossener Manufaktur erfolgt die Sicherung und Weiterentwicklung traditioneller glasmacherischer Techniken. Hochkarätige Fachkonferenzen führen zudem die Glasszene des deutschsprachigen Raumes in der Glasstadt zusammen. Daneben sieht sich die Schule als ein wichtiger Kulturträger der Region und macht dies durch eine Vielzahl an Projekten, Ausstellungen und Messeauftritte sichtbar.
Groß gefeiert wird erst in fünf Jahren
In dankbarem Rückblick auf die bemerkenswerte und spannende Geschichte einer der überregionalen Bildungseinrichtungen in der Glasregion Bayern-Böhmen geht der Weg der Schule auch in diesem Jubiläumsjahr – wie schon zu ihrer Gründung 1904 – herausfordernden Zeiten entgegen. Mit großem Engagement wird man auch diese meistern und neue Meilensteine setzen. Groß gefeiert werden sollen erst die 125 Jahre, informiert die Schulleitung.
Iris Haschek
Wer sich selbst ein Bild von der Vielfalt des Glases machen möchte, hat dazu am Sonntag, den 6. Oktober, Gelegenheit. Gleichzeitig mit dem Tag der offenen Ateliers in Niederbayern findet dann an der Glasfachschule Zwiesel von 13 bis 18 Uhr der Tag der offenen Tür statt, in dessen Rahmen Einblick in Fachwerkstätten, Labore und Ateliers gegeben wird.