Bayerischer Wald. Bereits im ersten Wahlgang konnte sich Ronny Raith im Oktober 2023 bei der Wahl zu Regens neuem Landrat mit 60,4 Prozent der Wählerstimmen durchsetzen. Der Grünen-Kandidat: abgeschlagen auf Rang vier (5,2 Prozent). Die für die FDP-Liste kandidierende Gloria Gray: auf Rang drei mit 11,3 Prozent. Zweiter wurde Johann Müller, AfD-Kreisvorsitzender und mittlerweile Landtagsabgeordneter: 23 Prozent der Wählerinnen und Wähler im Landkreis votierten für ihn. Bei den Europawahlen im Juni dieses Jahres konnten die „Blauen“ dort erneut über 20 Prozent der Stimmen erlangen.
Nachdem wir bei den Bürgermeistern der fünf AfD-Hochburgen im Bayerischen Wald sowie den für die beiden Landkreise Freyung-Grafenau und Regen zuständigen Landtagsabgeordneten zum Thema „AfD-Wählerschaft im Bayerischen Wald“ nachgefragt haben, möchten wir gerne auch die beiden Landräte zu Wort kommen lassen. Der eine wollte sich dazu äußern, der andere nicht.
„Es gibt nicht den einen Grund für diesen Trend“
Herr Raith, was denken Sie persönlich: Warum ist der Anteil der AfD-Wähler in ihrem Landkreis derart hoch? Welche Gründe gibt es hierfür?
Das ist kein singuläres Phänomen im Landkreis Regen, diese Partei ist ja in ganz Ostbayern – und insbesondere in den neuen Bundesländern – erfolgreich. So lagen bei den Wahlen für das Europaparlament die Ergebnisse in Freyung-Grafenau nur 0,5 Prozentpunkte und im Landkreis Cham nur 1,7 Prozentpunkte unter denen im Landkreis Regen. So gesehen müssen wir landkreisübergreifend feststellen, dass dieser Trend zu sehen ist. Es gibt nicht den einen Grund für diesen Trend, vielmehr geht es nach meiner Auffassung auf eine Gemengelage zurück.
Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung: Bereitet es Ihnen eher Sorge? Oder sehen Sie sie eher gelassen?
Ich sehe es eher als Herausforderung, ehrliche und bürgernahe Politik zu machen.
Anders gefragt: Was bringt den Wähler ausm Woid offenbar eher als anderswo dazu, seine Stimme der AfD zu geben? Warum gibt es offenbar diese regionalen Unterschiede?
Regionale Unterschiede gibt es immer. Wenn man auf die Deutschlandkarte schaut, dann sieht man, dass die AfD überall erfolgreich ist. In nahezu ganz Bayern hatte die Partei zuletzt ein zweistelliges Wahlergebnis. Das sind Werte, von denen andere, ehemals etablierte Parteien träumen. Wenn man weiter die Karte betrachtet, dann sieht man auch, dass die AfD im ländlichen Raum eher punktet als im städtischen.
„Die AfD hat Wähler aus allen Parteien bekommen“
Wie stehen Sie generell zur AfD: Betrachten Sie die Partei als demokratische Partei? Oder sehen Sie die AfD als einen in Bayern zurecht vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Verdachtsfall?
Die AfD ist nicht verboten, insofern hat sie aktuell ihren Platz im demokratischen Gefüge. Ich halte es aber für richtig, dass der Verfassungsschutz ein wachendes Auge auf die Partei hat.
Wie wollen Sie als für den Landkreis verantwortlicher Landrat versuchen, die AfD-Wählerschaft nun wieder aktiv auf Ihre Seite zu ziehen? Viele ehemalige Wähler Ihrer Partei gingen ja auch an die AfD verloren.
Die AfD hat Wähler aus allen Parteien bekommen. Ich denke, dies kann nur mit ehrlicher und gut gemachter Politik auf allen Ebenen gelingen. Ich selbst versuche möglichst transparent zu arbeiten. Mir ist es wichtig, die Bürger mitzunehmen und frühzeitig zu informieren. Deswegen plane ich derzeit beispielsweise auch eine Landkreisbürgerversammlung. Sie soll dazu beitragen, dass die Bürger informiert sind und anstehende Entscheidungen auch nachvollziehen können. Mir ist es wichtig, dass wir für die Menschen da sind.
Was denken Sie: Ist der hohe AfD-Wähleranteil allein den Entscheidungen auf überregional-politischer Ebene geschuldet? Oder hat dieser auch regional-lokale Ursachen?
Die Erfolge der AfD sind ganz wesentlich auf die Bundes- oder Landespolitik zurückzuführen. Wenn nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt stehen, sondern ideologiegetriebene Politik, dann sind die Reaktionen der Wähler doch erwartbar. Auf lokaler Ebene haben wir mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen, die wir nicht verschuldet haben. Auch das sorgt natürlich für Frustration und Unverständnis – wir vollziehen aber nur, was von der hohen Politik vorgegeben wird.
„Entscheidend ist das Hier und Jetzt“
Für den hohen AfD-Wähleranteil wird immer wieder das „Protest-Argument“ ins Feld geführt: Protest gegen die Ampel-Koalition, die sich mit ihren Entscheidungen immer mehr von der Bevölkerung entfernt und das Land „gegen die Wand fährt“. Sind Unzufriedenheit und Protest der Hauptgrund? Oder gibt es einen anderen Hauptgrund?
Siehe oben.
Das Erstarken der AfD und deren Zuspruch in der Wählerschaft war bereits deutlich spürbar, als die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD die Bundesregierung stellte. Das Argument, dass unter einer Regierung mit CDU/CSU-Beteiligung die AfD nicht weiter erstarkt wäre, scheint demnach nicht ganz stichhaltig. Wie sehen Sie das?
Ich halte nicht viel von Was-wäre-wenn-Fragen. Diese Gedankenspiele helfen uns nicht weiter, damit möchte ich mich nicht befassen, denn das löst keine Probleme. Entscheidend ist das Hier und Jetzt.
Der Ausländeranteil im Bayerischen Wald ist im Vergleich zu anderen Regionen Bayerns relativ gering. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass gerade hierzulande, wo sich nur ein verschwindend geringer Anteil an Menschen ausländischer Herkunft in der Öffentlichkeit bewegt, die sich klar gegen Zuwanderung positionierende AfD (Stichwort: Remigration) derart großen Zuspruch erfährt?
Ist dies so? Ich denke, die Zuwendung zur AfD kann man nicht an einem Thema festmachen. Wie bereits erklärt, es gibt viele Ursachen für den Aufschwung der AfD.
„Die versprochenen ‚einfachen Lösungen‘ gibt es nicht“
Wenn Sie ein paar Jahre vorausdenken: Was glauben Sie, wohin sich die AfD entwickeln wird? Welche AfD haben wir in fünf, zehn Jahren hier im Bayerischen Wald?
Ich weiß nicht, wohin sich die AfD entwickeln wird. Ich hoffe aber, dass es uns allen gelingt, aufzuzeigen, dass Stimmen für diese Partei verschwendete Stimmen sind. Denn die AfD zeigt keine Lösungen auf – und die versprochenen „einfachen Lösungen“ gibt es nicht.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer