Begunje. Ja, doch, durchaus: Elvis Presley und Slavko Avsenik lassen sich miteinander vergleichen – auch wenn Erstgenannter doch noch einmal einen klingenderen Namen in der Musikszene hat. Aber sowohl der „King of Rock’n’Roll“ als auch der Gründer der Oberkrainer haben es geschafft, eine Stilrichtung auf den Weg zu bringen und zu etablieren. Und während man sich darüber streiten kann, wer denn der legitime Nachfolger von Elvis Presley ist, scheint die Sache bei Slavko Avsenik ziemlich eindeutig: Denn 2009 ist Enkel Saso in die Fußstapfen seines Großvaters getreten.
Doch ist das überhaupt möglich? Wie ist es, auf eine Legende zu folgen, die auch noch aus der eigenen Familie stammt? Warum sind die Oberkrainer nach wie vor so erfolgreich? Und: Wie war er, der Opa, der gleichzeitig ein Star gewesen ist? Über all diese Fragen hat sich das Onlinemagazin da Hog’n mit Saso Avsenik unterhalten. Übrigens in fast perfektem Deutsch. Dass der 33-jährige Slowene, der mit seiner Familie in Begunje in der Region Oberkrain lebt, diese Sprache so gut beherrscht, hat er seinem Opa zu verdanken. Und nicht nur das…
Oberkrainer-Sound: „Nichts Vergleichbares auf der Welt“
Saso, gleich zum Einstieg eine wohl nicht ganz einfach zu beantwortende Frage: Was ist das Erfolgsgeheimnis der Oberkrainer? Warum werden Lieder wie das „Trompetenecho“ oder „Auf der Autobahn“ seit Jahrzehnten gehört?
Der Sound der Oberkrainer ist etwas ganz Besonderes. Nirgendwo auf der Welt gibt es etwas Vergleichbares. Wir haben durch die Trompete und die Klarinette etwas Jazz und Swing, hinzu kommt ein bisschen Rock’n’Roll. Das Akkordeon gibt die wunderbare Energie, ein schwebendes Gefühl. Der Bariton und der Gesang runden den einmaligen Alpin-Sound ab.
Ein weiterer Grund: Die Lieder sind alle sehr, sehr positiv. Keine schwere Kost. Die Texte und Melodien verbreiten gute Laune. Es wirkt so, als wäre unser Musizieren das Einfachste der Welt. Es soll auch so wirken. Aber es ist deutlich schwieriger als man annehmen mag. Da ist sehr viel Energie und Artikulation drin.
Das „Trompetenecho“ – Ein Lied, das wohl jeder kennt…
Welches ist aus Deiner Sicht das berühmteste Oberkrainer-Stück überhaupt?
(muss nicht lange überlegen) Auf jeden Fall das Trompetenecho. Laut GEMA das meistgespielte Instrumentallied in den vergangenen einhundert Jahren in Deutschland.
Und was ist Dein persönliches Lieblings-Lied?
Da gibt es viele. Aber wohl dann doch „Der Wind bringt dir mein Lied„.
Wann hast Du für Dich selber in Erfahrung gebracht, dass das Oberkrainer-Gen in Dir steckt?
Mein Vater erzählt mir immer, dass ich bereits als Baby im Auto immer unruhig geworden bin, wenn im Radio ein Oberkrainer-Lied gelaufen ist – also im positiven Sinne unruhig. Anscheinend hatte ich diese Lieder schon als kleines Kind sehr gerne. Ich kann mich erinnern, dass ich später dann oft Radio-Sendungen aufgenommen habe und immer wieder die Kassetten zurückgedreht habe, bis ein Oberkrainer-Stück zu hören war. Ich wusste, dass diese Musik von meinem Opa kommt. Und mein Opa war für mich immer ein ganz wichtiger Mensch.
„Opa legte großen Wert darauf, dass wir ein normales Leben führen“
Welche Erinnerungen hast Du an Deinen Großvater? Blieb angesichts seiner vielen Auftritte Zeit für ein ganz normales Opa-Enkel-Verhältnis?
Ich hatte das große Glück, dass ich ihn 25 Jahre erleben durfte. Es gibt viele, viele Erinnerungen an ihn. Zum Beispiel: Als ich ein Kind war, sind wir oft zu zweit im Wohnzimmer gesessen und haben Akkordeon gespielt. Er hat sehr laut gespielt und ich mit einem Spielzeug-Instrument eher leise. Und dann habe ich immer geglaubt, dass wir als Duo einfach super sind (lacht). Natürlich hat man aber nur ihn gehört. (schwelgt in Erinnerungen) War das schön!
Grundsätzlich hatten wir ein ganz normales Opa-Enkel-Verhältnis. Wir sind gemeinsam in den Wald gegangen oder haben Fernsehen geschaut. Vor allem Peter Steiners Theaterstadl hat er sehr geliebt. Natürlich haben wir auf Deutsch geschaut, was heute ein großer Vorteil für mich ist. In dieser Zeit hatte Opa nur noch wenige Auftritte, war oft daheim in Begunje und wir haben viel Zeit zusammen verbracht.
Wann hast Du das erste Mal wahrgenommen, dass Dein Opa berühmt ist?
In der Schule, zweite Klasse ungefähr. Meine Freunde haben mir komische Fragen gestellt: Wo ist euer Hubschrauber? Habt ihr einen großen Swimmingpool? Damals habe ich zu überlegen begonnen und einige Dinge hinterfragt. Wir hatten weder Hubschrauber noch Swimmingpool. Mein Opa legte Wert darauf, dass wir ein ganz normales Leben führen. Natürlich hat er viel Geld verdient, er hat dafür aber auch etwas Geleistet.
„Er war ein unglaublich liebenswerter Mensch“
Wir haben ja ein Wirtshaus. Und da sind immer sehr viele Leute gekommen. Lange dachte ich, das liegt nur an dem guten Essen. Später ist mir aber bewusst geworden, dass viele gekommen sind, weil sie meinen berühmten Opa sehen wollten. Sogar von Japan sind Oberkrainer-Fans gekommen. Alle haben gefragt: Wo ist Slavko? Und Opa hat alle Autogramm- und Fotowünsche geduldig erfüllt.
Hand aufs Herz: Warst Du es in Deiner Kindheit irgendwann einmal leid, dass dein Großvater ein Star ist?
Nein, nie. Mich hätte es genervt, wenn er ein böser Mensch gewesen wäre. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Er war ein unglaublich liebenswerter Mensch! Er war für alle Leute erreichbar. Man konnte einfach nach Begunje kommen und ihn besuchen. Einfach so. Er hat sich für jeden kurz Zeit genommen, jeden herzlich begrüßt. Das hat mich beeindruckt! Er ist ein großes Vorbild für mich.
„Ich war nie Mainstream“
Warst du es mal leid, immer wieder die gleichen Lieder hören zu müssen?
Nein, ich war immer schon etwas anders. Ich kann mich erinnern: In der 5. Klasse hatte ich einen Walkman – wie viele andere auch. Viele haben Hip-Hop und Rap gehört, ich Beatles und Oberkrainer. Ich war nie Mainstream, habe früh meinen eigenen Geschmack entwickelt. Ein bisschen eigenartig war ich wohl schon immer (schmunzelt).
Nachdem es um die Oberkrainer nach der Abschiedstournee 1989 und dem Tod vieler Mitglieder ruhige geworden war, hast Du Dich entschlossen, die Band 2009 wieder aufleben zu lassen. Warum?
Mit 16 Jahren war ich Teil einer Beatles-Cover-Band. Wir haben meist hier in Oberkrain gespielt. Bei den Feuerwehrfesten ist uns dann aufgefallen, dass diese Musik nicht so gut ankommt. Außerdem war es schwierig, gute Rock’n’Roll-Musiker zu finden. Gemeinsam mit befreundeten Musikern habe ich dann begonnen, Oberkrainer-Lieder zu spielen. Und wir haben gemerkt, wie gerne diese Lieder gehört werden. 2009 hat uns dann die Plattenfirma kontaktiert, die auch Opa hatte, und gefragt, ob wir nicht anlässlich seines 80. Geburtstag ein Album aufnehmen möchten. Und das Ganze nahm seinen Lauf.
„Die beste Besetzung, die man zusammenbringen kann“
Avsenik-Schicksal.
Kann man so sagen (schmunzelt). Genau an meinem 18. Geburtstag habe ich den Plattenvertrag unterschrieben. Kurze Zeit später folgte der erste Auftritt im Musikantenstadl. Die Freude innerhalb der Oberkrainer-Szene war enorm! Und auch wenn wir zunächst keine Profimusiker waren, sind wir super angekommen. Wir haben so viele Anfragen daraufhin bekommen, dass wir relativ schnell entschieden haben, hauptberufliche Musiker zu werden.
Wie groß war die Gefahr, dass Du den hohen Ansprüchen nicht genügst – und du daran scheiterst, die Oberkrainer weiterleben zu lassen?
Opa zu kopieren ist der falsche Weg. Das ist unmöglich. Meinem Empfinden zufolge haben wir derzeit die beste Besetzung, die man zusammenbringen kann. Ich merke immer wieder, welch gute Musiker ich momentan in der Gruppe habe. Es sind auf allen Positionen die besten Leute – hört man. Wir treten als Team auf – und spielen aktuell 140 Termine pro Jahr. Das Publikum honoriert unsere Leistung, was uns glaublich freut.
Der neueste Hit der Oberkrainer
Wie schwierig ist es für Dich, neue Lieder zu kreieren, die einerseits den originalen Sound haben, andererseits aber doch etwas anders sind?
Opa hat über 1.000 Lieder geschrieben. Logisch, dass wir uns da gerne bedienen. Die Geschmäcker sind unterschiedlich. Das wird an diesen Stücken deutlich, aber auch an den neuen. Mit „Hallo kleine Maus“, denke ich, haben wir den Nerv der aktuellen Zeit getroffen. Das Lied wird selbst von jungen Leuten gerne gehört.
Manchmal habe ich gehört, dass die Oberkrainer-Musik ins Museum muss. Das sehe ich anders. Zum Beispiel auch die Rock-Musik ist schon über 70 Jahre alt – und trotzdem noch modern. Genauso ist es mit unseren Liedern. Wir tragen nach wie vor die gleiche Tracht wie Opa damals. Der Sound ist immer noch der selbe. Soviel hat sich also nicht verändert. Warum auch?
„Aus einem Satz wird ein Lied gemacht“
Wie viel Slavko Avsenik steckt in den neuen Liedern wie eben „Hallo kleine Maus“?
Ich trau mir zu sagen, dass der Sound der gleiche ist. Auch bei den Tonarten gibt es keine Experimente. Insgesamt bewegen wir uns etwas in die Schlager-Richtung. Aber ich denke mal, das ist nicht verkehrt. Wie schon gesagt: Kopieren ist der falsche Weg. Das Rezept von Opa habe ich aber übernommen…
…und das wäre?
Aus einem Satz wird ein Lied gemacht. In einem Telefongespräch ist der Satz „Hallo kleine Maus“ gefallen. Den habe ich dann, warum auch immer, dauernd gesungen. Und daraus ist die Melodie entstanden.
Ähnlich wie schon Dein Großvater setzt Du auf slowenische Texte, aber auch auf deutsche Übersetzungen: Warum? Warum ausgerechnet Deutsch?
Wir leben direkt an der Grenze zu Österreich. Deswegen waren die Oberkrainer schon immer dort, aber auch in Deutschland und der Schweiz sehr viel unterwegs. Slowenien hat nur drei Millionen Einwohner. Ein begrenztes Potenzial also. Der Hauptmarkt wurde deshalb schnell der deutschsprachige Raum. Unsere Region gehörte auch zum österreich-ungarischen Kaiserreich. Viele Einflüsse von damals sind geblieben. Bei uns gibt es beispielsweise die selben Biergärten wie in Österreich und Deutschland.
Wie und wann hast Du Deutsch gelernt?
Bei Peter Steiners Theater vor dem Fernsehen (lacht). Später habe ich dann eine Tourismusschule besucht. Dort hatte ich Sprachunterricht.
„Der Text ist immer schwieriger als die Melodie“
Slowenisch ist Deine Muttersprache, mit der Du Dich logischerweise am besten artikulieren kannst. Wie viel Gefühl geht bei den deutschen Übersetzungen deshalb verloren?
Das ist ganz interessant. Manche Lieder funktionieren auf Slowenisch besser, andere auf Deutsch. Es ist auch nicht so, dass die Übersetzung 1:1 ist. Das würde mit der Melodie im Zusammenspiel gar nicht klappen. Der Text ist immer schwieriger als die Melodie. Der Refrain muss funktionieren.
Abschließend der Blick in die Zukunft…
Die nächsten drei Jahre sind wir fast ausgebucht. Unser Terminplan ist voll! Deshalb liegt unser Hauptaugenmerk darauf, neue Ideen zu entwickeln. Wir sind dran, neue Konzertkonzepte selbst zu entwickeln und umzusetzen. Projekte mit Streichorchestern sind geplant – genauso mit den Egerländer Musikanten. Wir sind offen für Neues!
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft!
Interview: Helmut Weigerstorfer