Die einen könnten sich ein Leben ohne gar nicht (mehr) vorstellen. Für die anderen spielt die Vorstellung, Kinder in die Welt zu setzen und Eltern zu sein, so gar keine Rolle. Wobei erstere Gruppe der gesellschaftlichen Norm entspricht, während die andere mit Ressentiments zu kämpfen hat und oft unter diesen zu leiden hat. Und dennoch entscheiden sich mehr und mehr Menschen ganz bewusst dafür, ein Leben ohne Nachwuchs zu führen – glücklich und erfüllt.
So wie Marie und Eyleen, die im ersten Teil von ihrem Wunsch berichteten, kinderfrei zu bleiben und davon, wie sie bereits in jungen Jahren den operativen Eingriff der Sterilisation in Erwägung und in die Realität umgesetzt haben. Im zweiten Teil erzählen Caro und Lima von ihren Erfahrungen mit diesem Thema, das – trotz zunehmender Nachfrage – immer noch als gesellschaftliches Tabu gilt.
Gemeinsam kinderfrei glücklich – Caro
Die 30-jährige Carolin und ihr Mann Robert leben als Paar in einer monogamen Beziehung zusammen und möchten keine Kinder bekommen. Anders als in Eyleens Beziehung hat sich nur Caro für die Sterilisation entschieden. Was ihr Leben ohne Kinder ausmacht und wie Caros Prozess hinter der OP abgelaufen ist, zeigt das folgende Video:
Ein unerfüllter Traum – Lima
Auch die 28-jährige Lima hat sich für ein Leben ohne Kinder entschieden. Schon seit ihrer Kindheit fehlt ihr das Bedürfnis des Mutterseins – und mit Mitte 20 verfestigt sich ihre Entscheidung, keine Kinder zu wollen. Obwohl Lima in ihrem Umfeld viel und gerne mit Kindern zu tun hat, kann sie sich nicht vorstellen, eigene zu bekommen. Die gelernte Storyboard-Künstlerin in Film und Animation hat ein Jahr in Japan als Lehrerin verbracht und dort Buben und Mädchen beim Aufwachsen begleitet. Die Tatsache, dass momentan viele ihrer Freundinnen und Freunde Eltern werden, hat sie noch einmal in ihrem Entschluss bestärkt.
Aufgrund ihrer fürsorglichen Art im Umgang mit Kindern konnten jedoch viele ihre Entscheidung anfangs nicht nachvollziehen. Lima erinnert sich an die Reaktion einer Freundin: „Sie hätte das irgendwie nicht von mir gedacht, weil ich halt so liebevoll mit Kindern umgehe und mich ja auch immer freue, mit ihren Töchtern zu spielen.“
Für Lima gibt es neben dem fehlenden Bedürfnis des eigenen Mutterseins noch viele andere Gründe, kinderfrei zu leben. Auch der finanzielle Aspekt spielt eine große Rolle, da Kinder schlichtweg zu teuer für sie wären. Außerdem sei die wackelige Beziehung zu ihren Eltern für sie ein Beweis, dass nicht jeder Mensch automatisch Elternliebe entwickelt und viele Kinder ohne Zuneigung aufwachsen. Das Generationstrauma, was ihr widerfahren ist, möchte Lima nicht weitergeben.
Das Frauenbild in der Gesellschaft
Mit einer deutschen Mutter und einem marokkanischen Vater ist Lima in zwei verschiedenen Welten aufgewachsen. In der Familie ihres Vaters ist es üblich, früh viele Kinder zu bekommen, was Lima kritisch bewertet: „Sobald du deine Tage kriegst, giltst du als Frau in der Kultur.“ In einem jungen Alter bekommen die Mädchen dementsprechend die „Aufgaben einer Frau“ aufgetragen. „Nach dem Essen müssen die Mädchen den Tisch abräumen, obwohl der Bruder noch daneben sitzt und mithelfen könnte.” Von klein auf werden den Kindern geschlechtsspezifische Aufgaben zugeteilt, welche sich in einer patriarchalen Gesellschaft verfestigen.
Generell findet Lima das Frauenbild sowohl in der deutschen als auch der marokkanischen Kultur einschränkend und limitierend. Frauen würden sich selbst oft an zweiter Stelle setzen und ihre eigene Persönlichkeit untergraben.
„Sobald du schwanger bist, bist du die schwangere Freundin, die schwangere Schwester, die schwangere Tochter. Und nachdem das Kind geboren ist, bist du die Mutti für alle.“
„Aber man muss es halt leider selbst bezahlen“
Lima hat früh von der Möglichkeit einer Sterilisation erfahren, da einige Frauen in ihrer Familie die Operation aus krankheitsbedingten Gründen durchführen mussten. Für Lima ist die Sterilisation ein freiwilliger Eingriff, zu dem sie schon vor Jahren einen festen Entschluss gefasst hat. Im Vergleich zu Caro und Eyleen sind es nicht Hemmungen oder Ängste vor einer Ablehnung, die sie von der Durchführung der Operation abhalten. Stattdessen kann sich Lima die Sterilisation schlichtweg nicht leisten. Einen passenden Arzt hat sie bereits gefunden, doch das Geld fehlt.
Finanzierung einer Sterilisation
„Sobald ich wusste, es ist eine Möglichkeit, dachte ich mir, das mache ich definitiv. Wäre es von der Krankenkasse bezahlt geworden, hätte ich es jetzt schon hinter mir. Aber man muss es halt leider selbst bezahlen.“ 800 Euro wäre der Preis für die Sterilisation – eine Summe, die sich Lima aktuell nicht leisten kann.
Sie hofft, bei ihrem nächsten Job genug Geld sparen zu können, um endlich ihren langjährigen Wunsch umzusetzen. „Ich habe früher immer gesagt: Ich will das machen, bevor ich 28 bin. Jetzt bin ich 28. Also sage ich jetzt: Vor 30, im nächsten Jahr.“
Ob sterilisiert oder nicht, Lima möchte ihr Leben auf jeden Fall kinderfrei verbringen. Ihre Liebe zu Kindern kann sie auch auf anderen Wegen ausdrücken. Sie kann sich vorstellen, in einem Kinderheim auszuhelfen oder an anderen Programmen teilzunehmen, bei denen sie Kinder betreuen würde. Man müsse nicht Mutter sein, um die Entwicklung und andere schöne Momente mitzuerleben. Seitdem sie 17 Jahre alt war, hat Lima durchgehend gearbeitet und studiert und möchte nun endlich ihr Leben in vollen Zügen genießen. „Jetzt bin ich langsam da, wo ich sage, jetzt kann ich Urlaub machen, jetzt kann ich die Welt sehen. Wenn ich ein Kind kriegen würde, wäre das alles weg.“
Der Wunsch nach Enttabuisierung
Die Geschichten von Marie, Eyleen, Carolin und Lima zeigen die unterschiedlichen Gründe, wieso sich Menschen gegen das Kinderkriegen entscheiden. Gemeinsam haben sie jedoch, dass der Wunsch der Kinderlosigkeit bereits in der Kindheit entstand.
Einige werden von ihrem Umfeld und Familien unterstützt, andere werden in ihrem Entschluss belächelt und nicht ernst genommen. Die Sterilisation ist für alle ein weiterer Schritt, sich zukünftig sicher zu fühlen. Bis auf Lima haben alle die Operation hinter sich und sind glücklich mit ihrer Entscheidung.
Kommentarspalten in den sozialen Medien zeigen, mit welchen Vorurteilen sich bewusst kinderfreie Menschen auseinandersetzen müssen. Auch die vier Frauen hören immer wieder abwertende Sprüche. Um sich nicht rechtfertigen zu müssen, wünschen sich alle vier, dass das Thema in Zukunft kein Tabu mehr ist…
Jasmin Andreas & Sarah Holzapfel