„Humorvoll und verwegen“, so beschreibt der niederbayerische Autor Fred Haller sein neues Buch „Kriminelle Bagage“. Kurzkrimis, Kurioses und Historisches sei darin zu finden. Beim Lesen entdeckt man aber vor allem die Seele des Niederbayern, die in jeder Geschichte wirkt und unterhält…
Bereits vor rund vier Jahren berichtete Haller im Hog’n-Interview von seiner Leidenschaft für die Heimatliteratur. In seinem Roman „Das große Fieber“ thematisierte er damals aber nicht Corona, wie man vielleicht meinen könnte. Vielmehr ging es um die Schrecken der Pest, die über viele Jahrzehnte eine große Gefahr für unsere Welt darstellte.
Aidenbacher Freilichtspiel als Rahmen
Seine Begeisterung für historische Begebenheiten und längst vergangene Tage lebt er nun auch in seinem jüngsten Werk aus. So spielt die erste Krimi-Kurzgeschichte seiner Anthologie über die „kriminelle Bagage“ zwar im Hier und Jetzt, jedoch ereignet sich die Handlung während des Aidenbacher Freilichtspiels.
Das Stück „Lieber bairisch sterben… Aidenbach 1706“ wird in regelmäßigen Abständen auf einer eigens dafür gebauten Freilichtbühne im niederbayerischen Markt aufgeführt. Über 100 Schauspieler sind daran beteiligt, an Effekten wird nicht gegeizt. Nicht nur ein Mal reiten Soldaten auf Pferden über die Bühne, werden Kanonen abgefeuert und Schießereien mit Musketen ausgetragen. Ein großartiges Spektakel. In dieses Setting packt Fred Haller seine erste Geschichte. „Ich hab mir das Schauspiel in Aidenbach angesehen und war krass beeindruckt“, erzählt er. „Ein Krimi in Aidenbach war für mich sofort gesetzt.“ (siehe dazu auch das folgende Interview).
Doch worum geht es in der Geschichte? Während einer Aufführung feuert ein Schuss aus einer historischen Waffe wieder Erwarten eine echte Kugel, der getroffene Schauspieler wird schwer verwundet. Wie so oft ist es auch in Hallers Kurz-Krimi nicht die Polizei, die auf die rechte Spur kommt – nein, erst durch die Neugierde und Recherche eines Journalisten wird der wahre Täter überführt…
Die Seele der Figuren
In Hallers Werken stehen die Menschen im Fokus. Virtuos liefert er den Antrieb für deren Handlungen, die Leidenschaft und Emotionen seiner Protagonisten als ganz eigene Stilmittel ab. Natürlich bieten Romane hier mehr Spielraum, doch auch in seinen nun vorgelegten Kurz-Krimis gelingt die Glaubhaftigkeit seiner Figuren. „Bei den Kurzgeschichten muss man auch ein wenig überzeichnen, um Lebendigkeit zu schaffen“, weiß der Autor.
Beinahe nebenbei lernt man als Leser noch etwas über die Geschichte der Heimat. Vielfach meint man, die Personen in der Handlung wiederzuerkennen. Oder man findet sich gleich selbst in einer Aussage wieder, mit der man sich identifizieren kann. Fazit: Fred Hallers neuestes Werk ist durchaus lesenswert – und bietet einen kurzweiligen Abend für Leseratten.
Andreas Reichelt
Fred Haller: Kriminelle Bagage, 110 Seiten, Books on Demand, 7,90 Euro, ISBN: 978-3-7597-3383-2.
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„Angst, Egoismus, Optimismus und viele andere Eigenschaften“
Krimi-Kurzgeschichten mit historischem Hintergrund: Wie kam es zu dieser Genrewahl?
Es ist tatsächlich in dieser Form der Kurzkrimis etwas ganz Neues. Historische Geschichten sind seit 15 Jahren meine literarische Heimat, aber in Kurz-Krimis habe ich mich das erste Mal versucht. Und das kam so: Ich hatte von einem Wettbewerb gehört, bei dem Krimis aus beziehungsweise über Bayern eingereicht wurden. Da durfte ich doch nicht fehlen – und habe mich an einen befreundeten Künstler erinnert, der unweit von Haidmühle und unmittelbar an der bayerisch-böhmischen Grenze wohnt. Ein wunderbarer Tatort für meinen ersten Krimi. Nun, den Wettbewerb habe ich nicht gewonnen, aber die Geschichte ist cool. Und eines Tages hatte ich die spontane Idee, Kurz-Krimis mit historischem Hintergrund zu schreiben. Das hat mir großen Spaß gemacht.
Du lässt den Leser in die Seelen Deiner Figuren blicken, wie Du in Deiner Kurzbiografie schreibst. Wie gelingt Dir das in Kurzgeschichten?
In meinen Romanen klappt das natürlich noch viel besser, da ausreichend Lebenszeit erzählt wird, um die Personen kennenzulernen. Doch es gelingt auch in kürzeren Texten. Es ist mir wichtig, Charakter darzustellen. Das geht in den Dialogen sehr gut, oder auch in erzählten Gedanken. Jemand hat zum Beispiel eine sehr flapsige Ausdrucksweise und verkörpert dazu in seinen Handlungen Oberflächlichkeit, eine andere Person dagegen agiert sehr bedacht und vorsichtig. Ich denke, dass ich Angst, Egoismus, Optimismus und viele andere Eigenschaften schon sehr gut transportieren kann, weil ich versuche, mich in die jeweilige Person hineinzuversetzen. Bei den Kurzgeschichten muss man auch ein wenig überzeichnen, um Lebendigkeit zu schaffen.
Du schreibst auch über das Freilichtspiel in Aidenbach. Welchen Bezug hast Du dazu?
Die Bauernschlacht von 1706 ist ein wichtiges Ereignis der niederbayerischen Geschichte. Ich hab mir das Schauspiel in Aidenbach angesehen und war krass beeindruckt. Einerseits von der Qualität der schauspielerischen Leistung der Mitwirkenden, aber auch von dem historischen Akt selbst. Wie mutig – oder verzweifelt – muss das Landvolk seiner Zeit gewesen sein, mit Sensen und Heugabeln gegen ein bestens ausgestattetes Heer der Großmacht Österreich ins Feld zu ziehen? Ein Krimi in Aidenbach war für mich sofort gesetzt.
„Botschaften, die ich der Welt hinterlassen möchte“
Woran arbeitest Du zur Zeit?
Es ist etwas total Neues. Ich war im Mai auf einer Pilgerwanderung in Italien. Ja, richtig gehört, nicht auf den ausgetretenen Wegen nach Santiago de Compostela, sondern auf dem Franziskusweg mit Aufenthalt in Assisi. Meine beiden Begleiter – sie sind natürlich auch meine Freunde – und ich vertreten drei verschiedene Ausrichtungen der christlichen Kirche und wir wollen unsere Erfahrungen, die Geschichte um Franz von Assisi und theologische Fragen in einem Buch erörtern. Ein ökumenischer Beitrag zur Verständigung. Natürlich ticken wir nicht ganz gleich und Argumente laufen manchmal ins Leere. Vielleicht trägt das Buch den Titel: ‚Stehenlassen und Weitergehen‘.
Hast Du langfristige Ziele mit Deinem Schreiben?
Oh ja, natürlich. Das Schreiben bekommt einen immer höheren Stellenwert in meinem Leben. Beruflich umzusatteln macht für mich keinen Sinn mehr, denn ich werde mit einem betrieblichen Altersteilzeit-Modell schon in drei Jahren aus meinem Brotberuf ausscheiden können. Aber dann… Ich habe inzwischen sieben Bücher veröffentlicht und es gibt noch Botschaften, die ich der Welt hinterlassen möchte. Das ist ja das Schöne und Wertvolle an der Literatur, dass sie nicht nur unterhält, sondern auch Herzen berührt und mancherorts entscheidenden Einfluss nehmen kann.
Die Fragen stellte: Andreas Reichelt