Perlesreut. Wie in einer Zeitmaschine ins „alte Perlesreut“ zurückreisen, alte Häuser und Straßen noch einmal vor Augen geführt bekommen und die einstigen Bewohner und deren Lebensumstände noch einmal sehen und nachempfinden. Dies alles ermöglichte Benedikt Binder, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Passau, bei einem mit vielen Anekdoten und interessanten Details unterfütterten Vortrag. Die gezeigten Bilder, die bei der Sanierung des Perlesreuter Archiv-Gebäudes im Frühjahr aufgetaucht sind und aus dem Rathaus bzw. Binders Privatsammlung stammen, stießen dabei auf reges Interesse.

Der Marktplatz auf einer Ansichtskarte im Jahr 1912, damals noch ohne befestigte Straße. Repro: Benedikt Binder
Die um 1900 erstmals erschienenen Ansichtskarten von Perlesreut verdeutlichen, dass auch damals schon Tourismus in der Region vorhanden war. Anhand von Luftaufnahmen erläuterte Benedikt Binder, dass Ende der 1950er Jahre ganz Bayern systematisch überflogen und die dabei entstandenen Bilder an die jeweilige Gemeinde verkauft wurden.
„Gummihandschuhe für Männer“
Schauplatz Oberer Markt: Den jüngeren Perlesreutern dürfte der Begriff „Wilhelm-Parkplatz“ zwar bekannt sein, jedoch nicht dessen Hintergrund. Hier mussten Anfang der 1970er Jahre drei Häuser (in einem wohnte die namensgebende Familie Wilhelm) dem Neubau der Ortsdurchfahrt weichen. Das alte Feuerwehrhaus befand sich zunächst an einem anderen Platz am Oberen Markt und „zog“ in den 1960er Jahren an seinen aktuellen Standort, an dem es 1982 nochmals abgerissen und zwei Jahre später schließlich in der heutigen Form erbaut wurde.

Gut gefüllt war die Perlesreuter „Bauhütte“ beim Vortrag von Benedikt Binder, der das Publikum stets miteinbezog. Fotos: privat
Ein weiters Foto zeigte ein Wirtshaus am Oberen Markt, in dem um 1920 noch Bier der Schlossbrauerei Fürsteneck ausgeschenkt wurde. Die Werbetafel eines Kramerladens, wo es in den 1960er Jahren „Gummihandschuhe für Männer“ zu kaufen gab, wurde damals ebenfalls bildlich festgehalten. Genauso ein Brunnen, der sich mitten in der heute zentralsten Kreuzung des Marktes befand. Vortragsbesucher Georg Dobler erinnerte sich, dass er dort als Bub noch badete.
Das Gasthaus des späteren Bürgermeisters Josef Haller, die Handlung von Josef Stockinger (darin befindet sich noch heute ein Lebensmittelgeschäft) sowie der erste Standort der Perlesreuter Markt-Apotheke Ende der 1970er Jahre waren ebenso Gegenstand von Benedikt Binders „Zeitreise“. In Sachen Familiengeschichte wurde unter anderem davon berichtet, dass der frühere bayerische Umweltminister Alfred Dick als auch der Mitbegründer des Bayerischen Wald-Vereins Anton Niederleuthner Verwandtschaft in Perlesreut hatten.
Vanillepudding mit roter Soße
Die auf einem Bild sichtbare Hinweistafel auf die Arztpraxis des Dr. Anton Lutzenberger rief bei einigen älteren Zuhörern Erinnerungen ins Gedächtnis. Während manche von Lutzenbergers Witwe erzählten, konnte sich Josef Schöffmann an den 1941 verstorbenen Mediziner sogar noch persönlich erinnern.

Die Bilder stammen sowohl aus dem Perlesreuter Rathaus als auch aus der privaten Sammlung des Referenten, der diese mit viel Zeitaufwand gesichtet, geordnet und digitalisiert hat.
Mit dem Zigarrenfabrikanten Hermann Wolf stellte Binder eine weitere Perlesreuter Persönlichkeit vor. Als Arbeitgeber, Erbauer des Kinderheims und Stifter des Bruder-Konrad-Brunnens ist er noch heute bekannt. Laut Anna Nigl wohnte Hermann Wolf nach dem Einmarsch der Amerikaner noch einige Zeit im selben Haus. Er habe ihr einmal einen derart schmackhaften Vanillepudding mit roter Soße zubereitet, wie sie ihn seither nie mehr gegessen hat.
Mit dem Umzug des Rathauses von der heutigen Apotheke zum Unteren Markt erläuterte der Referent die Entwicklung der Schule(n). Denn das heutige Rathaus war ursprünglich 1914 als Mädchenschulhaus gebaut worden, während sich das Knabenschulhaus am Marktplatz befand. Erst Anfang der 1960er wurde das jetzige Schulhaus bezogen und nicht mehr nach Mädchen und Knaben getrennt.
Weitere Schauplätze waren die Kaltenäcker-Siedlung, die VdK-Siedlung, der Bau des „Hochhauses“ am Oberen Markt und das 1974 erbaute Freibad, die heutige „Ilztalperle“.
Der Perlesreuter Bahnhof wurde nie realisiert

Die Perlesreuter Vergangenheit fasziniert ihn seit seiner Jugend: Kurzweilig und fundiert gestaltete Benedikt Binder (links), selbst „a Perlesreida“, seinen Vortrag. Bürgermeister Gerhard Poschinger dankte für das Engagement.
Auch das Thema Geselligkeit stand seit jeher im Fokus der Gemeinde. Präsentiert wurden etwa die Fronleichnamsprozession 1902, die Prinzregentenfeier 1911 und ein Schäfflertanz am alten Sportplatz in den 1930ern. Die Einweihung des Bruder-Konrad-Brunnens 1932 nahm nicht der Passauer Bischof, sondern der damalige Abt von Niederaltaich vor. Fotos vom Faschingsumzug 1965 sorgten für heitere Erinnerungen im Zuhörerkreis. Die Tradition des Peter-und-Paul-Kirta wurde nachgewiesenermaßen erstmals 1805 erwähnt.
Anhand von Luftbildern aus den 1950er Jahren gelang es den Besuchern die umliegenden Dörfer der Gemeinde Perlesreut zu identifizieren. Franz Penzenstadler wusste hierbei von einem lustigen Gelage im heute nicht mehr existenten Mauthäusl bei der Heiblmühle zu berichten. Binder selbst ergänzte noch die ein oder andere Besonderheit, wie etwa den Standort des nie realisierten Perlesreuter Bahnhofs.
da Hog’n