Egerland. Egal, ob Rock, Pop, Klassik, Techno oder eben Blasmusik – jede Musikrichtung hat ihre Persönlichkeiten, die über die Genre-Grenzen hinaus bekannt sind. Die sogar prominenter sind als das Genre selbst. Die zum Allgemeinwissen gehören. Geht es um die Blasmusik, ist hier zuallererst Ernst Mosch zu nennen. Mit den Egerländer Musikanten, die er einst gegründet hat, drückte der gebürtige Böhme dieser Musikgattung seinen prägenden Stempel auf. Und im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern stellte Mosch sein Ensemble so auf, dass es ab 1999 auch ohne ihn weitergehen konnte.
Sein Nachfolger: Ernst Hutter. Doch auch dessen Ägide neigt sich nun dem Ende zu – 2026 ist Schluss. Dann übernimmt mit Alexander Wurz wieder ein Musiker, der zuvor als Instrumentalist den Egerländern angehörte. Der 39-Jährige ist gebürtiger Baden-Württemberger, hat aber die böhmische Blasmusik im Blut. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n spricht der Tenorhornspieler über die großen Fußstapfen des „ungekrönten Königs der Blasmusik“, in die er tritt, über seinen Weg dahin – und warum ihm Vielseitigkeit so wichtig ist.
____________________
Alexander, was bedeutet Dir Musik?
Sehr viel! Denn seit Kindesalter mache ich Musik. Sie hat deshalb eine ganz bestimmte Rolle in meinem Leben. Die Musik hat mich immer getragen. Mit der Blasmusik bin ich aufgewachsen. Ursprünglich war ich aber Schlagzeuger. In der heimische Blaskapelle haben aber mein Vater und auch mein Bruder Blasinstrumente gespielt. So lagen bei uns zuhause immer Blasinstrumente rum. Und so wurde ich spielerisch auf das vorbereitet, was kommen wird. Deswegen ist die Blasmusik ein fester Bestandteil in meinem Leben. Es ist eine große Freude für mich, dass ich heute als Blasmusiker unterwegs sein darf. Als vielseitiger Blasmusiker – denn das ist mir das Wichtigste.
„Der Schlüssel dazu, dass aus der Leidenschaft keine Last wird“
Besteht als Profimusiker, der täglich mit Musik zu tun hat, nicht die Gefahr, dass man irgendwann abstumpft, dass aus der Leidenschaft eine Last wird?
Ich glaube, dass das passieren kann, ja. Aber nur, wenn man immer das Gleiche macht. Mir ist die Vielseitigkeit enorm wichtig. Das ist das, was diese Leidenschaft so unglaublich frisch hält. Wenn ich im Hinterkopf habe, dass ich eine Woche später wieder etwas komplett Anderes machen kann, freue ich mich. Das hält lebendig! Das ist der Schlüssel dazu, dass aus der Leidenschaft keine Last wird…
1985 geboren, bist Du in einer Zeit aufgewachsen, in der Blasmusik eher als „uncool“ galt. Du warst also gewissermaßen ein Außenseiter in Deiner Kindheit und Jugendzeit…
(lacht) Mein Bruder hat tatsächlich E-Gitarre gespielt damals. Als ich dann 18 Jahre alt geworden bin und meinen Führerschein gemacht habe, hat er immer rumerzählt, ich sei der einzige in diesem Alter, der bei heruntergelassenen Auto-Scheiben Blasmusik hört (macht Marsch-Rhythmus nach). Es war schon so, dass ich ein Freak war (schmunzelt). Für mich war das aber gar nicht so schlimm. Ich habe das gelebt. So musste ich auch nie zum Üben gezwungen werden. Ich habe es gemacht, weil es mich selber interessiert hat.
Alexander Wurz definiert sich nicht nur über die Egerländer, er ist auch gefragter Solist
Als Dorfbub war es dann für Dich dann wohl einfacher, gehört doch Blasmusik eher zum ländlichen Raum…
Genau. Der Musikverein gehörte zum Dorf einfach dazu. Vielleicht in diesem Zusammenhang noch einmal betont: Blasmusik ist unglaublich vielseitig. Das ist nicht nur Marsch, Polka oder Walzer. Heutzutage spielen Blaskapellen auch Rock- und Popmusik. Eigentlich alles, was gerade so angesagt ist. Mit dem Genre Blasmusik ist man in keiner Schublade.
Warum bist Du später, als Du bereits Profimusiker warst, nicht zur klassischen Musik, die ein breiteres Publikum anspricht, gewechselt?
Es gab ja keinen Knopf, den ich gedrückt habe, um Profi zu sein. Sondern man macht so seinen Weg. Man beginnt mit dem Studium, dann lernt man Leute kennen und wird von denen gefragt, ob man da und da aushelfen kann. So ebnet sich dieser Weg weiter. Es baut sich also alles irgendwie aufeinander auf – ganz unbewusst. Große richtungsweisende Entscheidungen gab es nicht.
„Ich war immer an freierer Musik mit gewissem Groove interessiert“
Im Rückblick kann ich sagen, dass ich immer an freierer Musik mit einem gewissen Groove interessiert war. Egerländer Musik gehört ja dazu, aber auch eine Bigband oder ein Musical. Und ja, ich habe auch klassische Musik gemacht. Da bin ich sehr glücklich drüber. Doch: Weil ich immer auf Vielseitigkeit aus war, war mir relativ schnell klar, dass ich keine feste Stelle in einem klassischen Orchester haben möchte…
Welche Rolle spielt oder spielte in Deinem Leben Ernst Mosch?
Er war von Kindheit an – durch meine Familie und durch die heimische Musikkapelle – immer dabei. Seine Musik war dauerpräsent. Mein Vater beispielsweise ist seit jeher großer Mosch-Fan, hat sämtliche Platten von ihm zuhause. Diese musste ich wahrscheinlich mithören, später durfte ich. Ich hab den Weg der Egerländer Musikanten dann auch verfolgt. Bei der Abschiedstournee von Ernst Mosch war ich 13 oder 14 Jahre alt. Das war sehr interessant! Und bereits damals habe ich das Tenorhorn so schön „singen“ hören.
Später habe ich dann gemerkt, dass es Ernst Hutter war. Mit ihm als Chef der Egerländer – das liegt wohl an meinem Alter – habe ich mehr Verbindungen gehabt. Aber: Ernst Mosch ist der ungekrönte König der Blasmusik. Er war ein Fernsehstar, was man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Und er war es, der das erfolgreichste Blasorchester der Welt geprägt hat. Er ist der Übervater – und das wird wohl immer so bleiben.
Nachfolger des großen Ernst Mosch: „Das ist irreal“
Und Du bist jetzt sein Nach-Nachfolger. Klingt irgendwie irreal, oder?
Natürlich, gerade wenn man sich diese Linie bewusst vor Augen führt. Ernst Mosch hat mit den Egerländern damals aber andere Zeiten vorgefunden – ähnlich wie später Ernst Hutter. Deshalb hinkt ein direkter Vergleich ohnehin. Heißt: Wenn ich sehe, wie präsent Ernst Mosch auf den Bildschirmen war, ist das natürlich ein großer Schatten. Ja, dann ist es irreal…
Wie wird man eigentlich Chef der Egerländer Musikanten? Bewirbt man sich? Wird man auserwählt?
Ich spiele ja bereits seit 15 Jahren bei den Egerländern. Ernst Hutter und die Geschäftsleitung haben das entschieden. Und diese beiden Parteien beobachten natürlich ihr Orchester. Man kennt sich. Und dann wird eine Entscheidung getroffen. Ich wusste nicht, dass ich gehandelt werde – bis zu dem Zeitpunkt, als mir mitgeteilt worden ist, dass ich Dirigent werde.
So tickte der „ungekrönte König der Blasmusik“
Also keine Politik?
Natürlich wird Ernst Hutter mit ganz engen Kollegen darüber gesprochen haben. Es war irgendwie auch klar, dass der Nachfolger aus dem Orchester kommen soll. Ein Externer ist wohl nicht infrage gekommen, weil dann die Verbindung nicht so dagewesen wäre. Man sollte sich ja als Chef mit der besonderen Note dieser Musik auskennen. Großartige Politik war diese Entscheidung aber jetzt nicht. Dass ich es werde, weiß ich nun bereits seit knapp zwei Jahren – und es ist ein Geschenk als Musiker.
Sind die Fußstapfen „in Beton gegossen“, will heißen: Wie viel Gestaltungsspielraum hat man als Dirigent einer Kapelle, die eine ganz bestimmte Richtung eingeschlagen hat?
Sowohl unter Ernst Mosch als auch unter Ernst Hutter wurde immer wieder neue Musik geschrieben. Es kommen immer Neuerungen! Aber man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass die alte Tradition Bestand haben muss. Als Beispiel: Wenn die Egerländer Musikanten auftreten, muss ein „Astronautenmarsch“ oder „Auf der Vogelwiese“ einfach kommen. Wenn nicht, sind die Zuschauer enttäuscht. Und für die spielt man schließlich. Also: Die Musik ist nicht in Beton gegossen, eine gewisse Tradition – und dazu gehört auch die Kleidung – schon.
„Zurzeit bin ich viel am Komponieren…“
Welche neue Ideen hast Du?
Grundsätzlich ist es so, dass ich mir jetzt nicht bewusst vornehme, klanglich oder dynamisch etwas zu verändern. Vieles ergibt sich einfach. Was bei mir konkret dazu kommt, ist, dass ich auch singe. Deshalb werde ich mich in das Gesangsduo einbinden. Zudem bin ich derzeit viel am Komponieren… mehr dazu will ich noch nicht verraten…
Wirst Du nur vorne stehen und dirigieren, wie Ernst Mosch? Oder auch mit dem Tenorhorn mitspielen, wie Ernst Hutter?
Es wird eine Mischung aus spielen und dirigieren. Das liegt daran, dass ich aus dem Orchester komme. Aber auch daran, dass man mich außerhalb der Egerländer als Musiker wahrnimmt, nicht als Dirigent. Das Tenorhorn gehört einfach zu mir.
Wirst Du an der Besetzung etwas ändern? Vielleicht wieder mehr Musikanten wie früher? Oder die Rückkehr einiger Instrumente – wie das Waldhorn?
Früher ist ein weites Feld. Zu Beginn der Egerländer waren noch weniger Musikanten auf der Bühne. Zwischendurch wurde das Ganze dann etwas erweitert. Höhepunkt war die Abschiedstour von Ernst Mosch. Da war es aber auch nötig, weil in großen Messehallen gespielt wurde. Eine große Besetzung ist jetzt auch aus logistischen Gründen fast nicht mehr möglich, weil die Bühnen einfach nicht groß genug sind. Ich fände es aber total toll, wenn wir beispielsweise noch zwei Hörner mitnehmen können. Man wird sehen…
„Werde mir meine solistischen Projekte behalten“
Welchen Raum werden die Egerländer künftig einnehmen bei Dir? Bleibt noch Zeit für weitere Projekte?
Natürlich werden sich viele Ressourcen viel mehr auf die Egerländer verlagern. Das ist klar, wenn ich diese Kapelle leite. Was ich mir auf alle Fälle behalten werde, sind meine solistischen Projekte. Das ist mir ein großen Anliegen! Die Vielseitigkeit will ich mir aus genannten Gründen bewahren.
Abschließende Frage: Wohin geht die Reise?
Erst einmal machen wir die 70-Jahre-Tournee der Egerländer. Und natürlich wäre es mein Wunsch, dass das Orchester auch die nächsten 70 Jahre gut aufgestellt bleibt und es erfolgreich weitergeht. Wie lange ich nun Chef bleibe, ist nicht in Stein gemeißelt. Solange es geht natürlich. Es gibt zumindest keinen befristeten Vertrag. Mir ist wichtig, dass ich den Staffelstab irgendwann weitergeben kann – in einer Form, der den Egerländern Musikanten würdig ist…
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer