Passau. Die lockere Stimmung wirkt nicht aufgesetzt, sondern scheint das Ergebnis einer schier unglaublichen (Bühnen-)Erfahrung zu sein. Diese Männer überrascht so leicht nichts mehr. Hinzu kommt das Wissen, dass sie nicht mehr müssen, sondern nur noch können. Und so entwickelt sich im Backstage-Bereich des Eulenspiegel Zeltfestivals 2024 ein Gespräch mit Günther Sigl, dem Frontmann der Spider Murphy Gang (SMG), das authentischer nicht sein könnte. Dazu trägt bei, dass beim Hog’n-Interview auch Gitarrist und SMG-Gründungsmitglied Barny Murphy sowie Saxofonist Otto Staniloi aus dem Hintergrund mitmischen. Live ist live!

Wenn das Licht angeht und die Lautstärke erhöht wird, dann sind die Männer der Spider Murphy Gang um Frontmann Günther Sigl (Mitte) für alle Ewigkeit jung.
Auf der Bühne vor rund 800 Zuschauern gibt es dann die volle Rock’n’Roll-Dröhnung in Verbindung mit bairischen Texten. Eine Kombination, deren Erfindung sich die Spider Murphy Gang wohl auf die Fahnen schreiben darf. Seit 1977 gibt es die Kombo, die mit Liedern wie „Schickeria„, „Skandal im Sperrbezirk“ und „Mir san a bayerische Band“ längst zum musikalischen Allgemeingut gehört. Songs, die trotz ihres Alters rauf und runter gespielt werden. Günther Sigl, heute 77 Jahre alt, über die Vergangenheit, die zur Gegenwart geworden ist – und auch die Zukunft bestimmt…
Völlig losgelöst: „S Lem is wiar a Traum“ in der Allianz Arena
Günther, bist Du in diesen Tagen eigentlich a bissal eifersüchtig auf Deinen langjährigen Kollegen Peter Schilling?
(lacht herzlich) Warum soll ich eifersüchtig sein? (schmunzelt) Mich freut es für ihn, dass ‚Major Tom‘ ein so erfolgreiches Revival erlebt. Peter Schilling ist ein Kollege seit den 80er Jahren. Er war ja auch Gast bei unserem 40-jährigen Jubiläum in der Olympiahalle. Da haben wir gemeinsam ‚Major Tom‘ gemacht. Das war super!
Und ist der wahre Grund für den neuerlichen Hype rund um das Lied?
(lacht) vielleicht…
Wie erklärst Du Dir, dass „Völlig losgelöst“ plötzlich wieder völlig losgelöst ist. Zufall?
Keine Ahnung. Aber es passt doch irgendwie. Oder nicht?

Elvis Presley ist sein großes Vorbild: Günther Sigl, Jahrgang ’47, ist der bayerische „King of Rock’n’Roll“.
Offensichtlich. Gibt es von euch ein Lied, das Stadion-tauglich wäre?
Nein, nicht wirklich. Wobei: Der FC Bayern München hat eine Zeitlang immer bei einem Torerfolg in der Allianz Arena ‚S Lebn is wiar a Traum‚ gespielt (singt das Lied vor sich hin)…
Wie kam das zustande?
Stephan Lehmann, den Stadionsprecher, kennen wir schon lange. Ich denke mal, er kennt unser Repertoire und mag unsere Lieder – deshalb.
(Saxofonist Otto Staniloi zählt, gemütlich in einem Strandstuhl liegend, die Radio-Stationen von Stephan Lehmann auf)
„Diese Songs werden nicht älter, sie sind immer noch frisch“
Hofft man insgeheim auf solche „Treiber“ für ältere Lieder?
Unsere Songs sind sowieso Evergreens. Wir brauchen keine Revival. Viele unserer Lieder laufen seit 40 Jahren – egal wo. Auf diversen Festen und sogar auf der Wiesn. Und wir spielen sie ohnehin noch immer. Das Erstaunliche dabei: Diese Songs werden nicht älter, sie sind immer noch frisch.
Und wenn’s sein muss, peppt eine Coverversion einen Gassenhauser nochmal auf…
Viele Bands haben sich schon an Coverversionen unserer Lieder probiert – der große Erfolg war jedoch noch nicht dabei. Von ‚Skandal‚, ‚Schickeria‚ und ‚Sommer in der Stadt‚ gibt es so einige Varianten…
Impressionen vom SMG-Gig an der Passauer Ortsspitze:
Die Spider Murphy Band gibt es seit 1977, also seit mehr als 45 Jahren. Wie würdest Du den aktuellen Günther Sigl mit dem Günther Sigl aus den Anfängen vergleichen? Wie die heutige Truppe mit der von Ende der 70er?
(fasst sich an den Kopf) Heute habe ich die bessere Frisur (lacht herzlich).
Das lässt sich nicht bestreiten. Und der Rest?
Ich bin immer noch mit Begeisterung Musiker und gehe auch ansonsten gerne auf Konzerte. Ich muss nix mehr, ich kann nur noch. Zurzeit machen wir viele Auftritte mit Status Quo als Special Guests. Das kommt gut an! Die Leute feiern uns. Mir taugt das. Wer hätte das gedacht, dass wir nach so vielen Jahren immer noch erfolgreich auf der Bühne stehen?
„Es gibt fast keinen Ort in Bayern, in dem wir nicht waren“
Du nicht?
(schmunzelt eindeutig) Die Leute kommen und wollen uns hören. Sie wollen die alten Hits hören, die ihr Leben begleitet haben. Viele ältere Semester erzählen mir, dass sie sich auf einem Spiders-Konzert kennengelernt haben. Gerade in Bayern sind wir fast schon überall aufgetreten. Es gibt fast keinen Ort mehr, in dem wir noch nicht waren. In den 90er Jahren haben wir ja die Bierzelte rauf und runter gespielt. In kleinen Orten mit höchstens 1.000 Einwohnern haben wir Zelte mit 3.000 Menschen gefüllt. Da sind ganze Familien gekommen. Und aus dieser Zeit sind viele Erinnerungen an unsere Band geblieben. Deshalb kennen uns in Bayern alle – wir sind praktisch ein Familienmitglied.

Die Zigarette darf nie fehlen: Barny Murphy ist neben Sigl das einzige Bandmitglied, das seit 1977 mit dabei ist.
Eine Erfolgsgeschichte.
Ja. Wir waren irgendwie seit der Neuen Deutschen Welle immer in den Medien vertreten. Stets wurden unsere Platten gekauft. Und dennoch sind wir dieselben geblieben. Wir machen immer noch Live-Musik und eine gute Rock’n’Roll-Show (zustimmendes Brummen von Gitarrist Barny Murphy, der auf einer Bierbank neben der Interview-Couch sitzt).
Wie groß ist die Gefahr, dass man irgendwann abgedroschen wird?
Darauf hat man keinen Einfluss. (überlegt) Ich spüre nicht, dass wir nicht mehr ankommen würden. Irgendwie wundert es uns selber, dass unsere alten Songs immer noch ziehen. Im Radio laufen die Lieder rauf und runter, DJs legen sie auf Partys auf… eigentlich Wahnsinn.
„Wir sind keine Lederhosen-Band, eher großstädtisch“
Gibt’s Gedanken an ein Ende?
Gedanken kann man sich immer machen (schmunzelt, wird dann ernst). Ein Ende ist noch weit weg. Natürlich müssen wir gesund bleiben. Dann machen wir noch lange weiter… zehn, zwanzig Jahre… (lacht) Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen. Und deshalb mache ich bis zum Ende weiter. Barny auch… (Barny Murphy stimmt lachend zu)
Der bairische Dialekt ist wieder modern…
(unterbricht) …eigentlich schon immer. Der beliebteste Dialekt überhaupt auf der ganzen Welt. Dass die Tracht aber wieder aktuell ist, überrascht mich. Wir sind nun keine Lederhosen-Band, eher großstädtisch. Und dennoch hat uns dieser Trend natürlich in die Karten gespielt. Wir wären ja damals in den 60er- und 70er-Jahren nie auf die Idee gekommen, in Tracht auf die Wiesn zu gehen. Das war einfach nicht up to date.
Ein Lied, das wohl bekannter ist als die Band selbst…
(Otto Staniloi mischt sich ein) Wir haben das gemacht! Ganz bewusst!
(Günther Sigl antwortet) Naaaa!
(Otto Staniloi erwidert) Doch, doch. Da gibt’s Fotos!
(Günther Sigl erklärt) Das war doch ein Gag in der Hitparade, als wir dort als bayerische Band aufgetreten sind. Auf dem Oktoberfest warst aber mit einer Lederhose die Ausnahme. Da hatten wir Jeans an…
(Barny Murphy ergänzt) …und Lederjacken.
„Wir waren die Könige der Hitparade!“
(Günther Sigl übernimmt wieder das Ruder) Es ist einfach populär geworden, Tracht zu tragen. Wir haben vor Kurzem in Hannover gespielt, in einem Bierzelt. Und weil wir aus Bayern kommen, sind alle in Lederhosen aufmarschiert. 2.000 Leute – und die Madln im Dirndl. Ähnliches Bild in Saarbrücken.
(Otto Staniloi weiß) Und in Holland!
(Günther Sigl wieder) Auch in Luxemburg.

Nimmt sich wegen seines Alters gern selbst auf die Schippe, gibt aber auf der Bühne Vollgas wie ein Junger: Günther Sigl ist bereits 77 Jahre alt.
Was wohl ZDF-Hitparaden-Legende Dieter-Thomas Heck dazu sagen würde…
(schmunzelt) Bei dem waren wir oft. Aber nicht mit ‚Skandal‘. Dieses Thema war ihm zu heiß (Barny Murphy bricht in Lachen aus). ‚Schickeria‚ hat ihm da schon besser gefallen. Wir waren damals die Könige der Hitparade (wiederholt die damalige Anmoderation:) Spider Murphy Gang, zum dritten Mal dabei. Bitte nicht mehr wählen! (lacht herzlich – Barny Murphy und Otto Staniloi stimmen mit ein).
Es war einmal… inzwischen wirkt die Musikbranche eiskalt und berechnend. Doch auch deutlich mehr Geld ist im Spiel. Möchtest Du jetzt noch einmal mit der Spider Murphy Gang beginnen?
Mit dem aktuellen Musikbusiness haben wir eigentlich gar nichts zu tun. Und das ist wohl gut so… Damals war es interessant, dass wir mit ‚Skandal‘ ein Thema angesprochen haben, das so noch nie gemacht wurde. Wir standen ja beim Bayerischen Rundfunk auf dem Index. Vielleicht war aber genau das das Erfolgsgeheimnis dieses Songs. ‚Skandal‚ war ja auf Hochdeutsch, weil die Plattenfirma meinte, damit deutschlandweit erfolgreich sein zu können. Sie hatte recht. Heute allerdings ist der Inhalt ja fast schon normal…
„Die Leute wollen ja einfach nur die Klassiker hören“
Abschließend der Blick in die Zukunft: Sind neue Produktionen geplant?
Nix Großartiges. Es könnte sich vielleicht mal was ergeben, muss aber nicht. Vielleicht gibt’s nochmal neue Songs. Vielleicht werden ein paar ältere Lieder noch einmal ‚2.0‘ gemacht. Aber vielleicht auch nicht. Die Leute wollen ja einfach nur die Klassiker hören. Genau deshalb sind unsere Konzerte voll. Barny macht den ersten Akkord, den jeder kennt – und dann geht’s ab…!
Wird’s einem nicht auch mal zu blöd, immer dasselbe zu spielen?
(Barny Murphy antwortet stellvertretend) Nein, nein. Wir spielen es ja jedes Mal anders…
In diesem Sinne: Pfüati Gott, Elisabeth! Danke für das Gespräch.
Interview: Helmut Weigerstorfer