Spiegelau/Bayerisch Eisenstein. Der jüngst im Gemeinderat beschlossene Austritt der Grenzkommune Bayerisch Eisenstein aus der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW) hat bei der Mehrheit derjenigen, die unmittelbar mit dem Tourismus im Ort verbandelt sind, für eine Art Schockstarre gesorgt (da Hog’n berichtete). FNBW-Geschäftsführer Robert Kürzinger bezeichnete den Entschluss als „sehr unglücklich“ – und folgert gleichzeitig, dass sie „nichts mit der Ferienregion zu tun hat, sondern vielmehr eine generelle Entscheidung gegen einen Verbund jeglicher Art ist“. Zwei Eisensteiner Hoteliers haben indes ein Bürgerbegehren für den Verbleib ihrer Gemeinde im Tourismusverbund initiiert, wofür nun Unterschriften gesammelt werden.
Fakt ist: Der Gemeinderatsbeschluss wurde bereits fristgerecht umgesetzt und der Vertrag mit der FNBW zum Jahresende gekündigt. Dies bestätigt Bayerisch Eisensteins Bürgermeister Michael Herzog. „Letztendlich verbleibt nun ein halbes Jahr, um die Tourismusarbeit in der Gemeinde neu zu strukturieren“, teilt dieser auf Hog’n-Nachfrage mit und ergänzt: „Einen gewissen Teil der Leistungen wird man über die touristischen Angebote des Landkreises decken können. Zusatzleistungen müssen in Zukunft eingekauft, ggf. neue Verträge abgeschlossen werden.“ Ebenfalls offen gestalte sich die künftige Personal- und Strukturfrage in der örtlichen Tourist-Information, denn das derzeitige Personal sei bei der FNBW angestellt. Welche Kosten aufgrund der Umstrukturierung auf die Gemeinde (Hard- und Software, Einrichtungsgegenstände etc.) zukommen, kann Herzog zufolge zum momentanen Zeitpunkt nicht beziffert werden.
„Der Vorschlag einer Alternativenprüfung zur FNBW als Entscheidungsgrundlage für den Gemeinderat wurde nicht angenommen. Ein konkretes Alternativkonzept wurde im Vorfeld nicht zusammen mit dem Gemeinderat erarbeitet oder vorgelegt, eine Information an die betroffenen Bürger über den beabsichtigen Austritt aus der FNBW erfolgte nicht mehr“, skizziert der Rathaus-Chef, der gleichzeitig stellvertretender FNBW-Aufsichtsratsvorsitzender ist, noch einmal den Ablauf. „Mein Antrag, den Tagesordnungspunkt daher abzusetzen, wurde mehrheitlich abgelehnt.“
Dem Bürgerbegehren als bewährtes Mittel der direkten Demokratie räumt er gute Erfolgschancen ein. „Ich werde ein mögliches Bürgerbegehren unterstützen, weil ich mich in der Art und Weise der erfolgten Antragsstellung und anschließender Beschlussfassung, ohne im Vorfeld fundiert das Für und Wider beleuchtet zu haben, nicht finden kann.“
„Sehr schade, dass die Eisensteiner nicht mehr dabei sind“
Um Einschätzung der aktuellen Entwicklung hat das Onlinemagazin da Hog’n ebenso Alfons Schinabeck, Bürgermeister von Neuschönau und seit wenigen Monaten neuer FNBW-Aufsichtsratsvorsitzender, sowie Fritz Schreder, Gemeindeoberhaupt von Frauenau und Vorsitzender des FNBW-Trägervereins gebeten:
Herr Schinabeck, Herr Schreder: Wie geht es nach dem beschlossenen Austritt Eisensteins weiter für die FNBW? Welche unmittelbaren Auswirkungen hat der Beschluss für den Tourismusverbund?
Schinabeck: Mit der FNBW geht es weiter wie bisher, der Betrieb ist gesichert. Wir verlieren mit der Gemeinde Eisenstein einen wichtigen Partner, der zehn Jahre von unserer gemeinsamen Firma profitiert hat – und wir von Eisenstein. Man braucht sich dazu nur die Steigerungen bei den Übernachtungen und Anreisen anschauen.
Schreder: Die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald wird weitermachen. Die beschlossene Verschmelzung des Vereins in die GmbH wird umgesetzt. In Bayerisch Eisenstein muss man abwarten, was in Sachen Bürgerentscheid passiert. Es ist eine Möglichkeit, dass die Entscheidung evtl. nochmals vom Gemeinderat überdacht wird. Es wäre aus meiner Sicht sehr wünschenswert, dass die seit zehn Jahren bestehende gute Zusammenarbeit fortgesetzt wird.
Betrachten auch Sie den Austritt Eisensteins – wie FNBW-Geschäftsführer Kürzinger – als „sehr unglücklich“?
Schinabeck: Ich würde es nicht als ’sehr unglücklich‘ bezeichnen – diese Entscheidung ist der falsche Weg! Die Kosten für eine eigene touristische Vermarktung sind viel höher. Die gemeinsam geschaffene Struktur funktioniert hervorragend. Warum sollte man ein System, das funktioniert und bei dem man voll integriert ist, verlassen, um es selbst neu aufzubauen?! Es ist eine falsche Entscheidung.
Schreder: Auch für mich war der Ausstritt sehr überraschend, weil wir derzeit dabei sind, die FNBW zu optimieren. Diese Optimierung ist nach zehn Jahren ein ganz normaler Prozess. Hinsichtlich Bayerisch Eisenstein ist es Sache der Gemeinde, welcher touristische Weg eingeschlagen wird. Es ist aber für mich sehr schade, dass die Eisensteiner nicht mehr dabei sind.
„Es ist nicht unsere Aufgabe, Feste zu veranstalten“
Eigentlich wollte man die FNBW-Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren ja kontinuierlich steigern. Nach den Austritten Langdorfs (zu Beginn 2022) und nun Bayerisch Eisensteins (offiziell zu Beginn 2025) ist das Gegenteil der Fall. Die FNBW hat sich verkleinert. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für diese Entwicklung begründet?
Schinabeck: Es liegt am Kirchturmdenken. Der Gast kennt keine Gemeindegrenze, er macht in der Nationalpark-Region Urlaub. Das Angebot vor Ort bestimmt, wo er bucht. Die FNBW vermarktet unsere Gemeinden als Region mit einem großen Angebot. Auch Innenmarketing wird immer genannt, die FNBW vermarktet das Angebot und die Leistungen der Kommunen. Es ist nicht die Aufgabe unsrer Firma, Feste zu veranstalten – wir bewerben sie und bringen diese Angebote in die Sichtbarkeit, weit über die Gemeindegrenzen hinaus.
Schreder: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass der Tourismus in großen Verbünden am effektivsten funktioniert. Als einzelne Gemeinde im Tourismusmarkt die gleiche Präsenz wie die FNBW zu haben, ist meiner Meinung nach nicht möglich bzw. sehr schwierig. Wir wollen uns nach wie vor um mehr Mitglieder bemühen. Die angestrebte und für mich auch notwendige wie sinnvolle Entpolitisierung der Tourismusarbeit konnten wir leider bisher nicht komplett umsetzen. Für Tourismusarbeit gibt es ausgebildete Mitarbeiter, die wir in der FNBW haben – und die ihre Arbeit gut machen.
Und: Wie kann Ihrer Meinung nach erreicht werden, dass die Mitgliederzahl tatsächlich zunimmt/steigt?
Schinabeck: Wir überarbeiten zur Zeit unsere Verträge, um die FNBW noch leistungsstärker zu machen. Es wird buchbare Zusatzmodule geben, um jede Gemeinde optimal zu betreuen.
Schreder: Die FNBW muss bzw. wird sich so optimieren, dass es auch für andere Gemeinden einen großen Mehrwert bringt, dabei zu sein. Wir haben mit dem Nationalpark ein Alleinstellungsmerkmal und eine Bekanntheit wie nur wenige Regionen in Deutschland. Dies müssen und wollen wir nutzen – und ich würde mir wünschen, dass weitere Kommunen diesen Vorteil sehen und sich der FNBW anschließen.
„Nehme wahr, dass es FBNW-Kritiker gibt“
Gerüchten zufolge gilt die Gemeinde Lindberg als nächster „Wackelkandidat“ in Sachen Austritt. Auch Zwiesel, das unter Bürgermeister FX Steininger ja immer wieder für Unruhe in der FNBW sorgte, soll Gerüchten nach nicht sicher im Sattel sitzen, was die FNBW-Mitgliedschaft betrifft. Haben Sie bereits ähnliche Unkenrufe vernommen? Und: Was passiert, sollten sich auch diese Gemeinden aus der FNBW verabschieden?
Schinabeck: Ich habe nichts gehört, dass sich Gemeinden anschließen.
Schreder: Ich nehme wahr, dass es in den angesprochenen Kommunen FBNW-Kritiker gibt. Es ist ein ständiger Prozess, sich mit konstruktiver Kritik zu befassen, sich dieser Kritik zu stellen und dadurch auch Prozesse innerhalb der FNBW zu optimieren.
Ein von Eisensteiner Hoteliers initiiertes Bürgerbegehren soll nun doch noch die Kehrtwende – sprich: den Verbleib in der FNBW – erreichen und die Gemeinderäte dazu bringen, ihren Entschluss zu überdenken. Wie aussichtsreich ist dieses Unterfangen ihrer Meinung nach?
Schinabeck: Ich kann nicht sagen, wie diese Umfrage ausgeht. Es zeigt aber sehr deutlich, wie es die Betriebe in Eisenstein sehen. Wenn die Leistungsträger es so sehen, mit der geleisteten Arbeit zufrieden sind und sich das auch an Hand von Zahlen belegen lässt, versteht man die Entscheidung des Gemeinderats umso weniger.
Schreder: Ich würde mich sehr freuen, wenn die Gemeinde Bayerisch Eisenstein bei der FNBW bleibt, weil die Zusammenarbeit sehr gut war. Letztendlich ist es aber eine Entscheidung innerhalb von Bayerisch Eisenstein.
„Ein erster Schritt wäre, die Entscheidung zu vertagen“
Welchen Einfluss als Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Vereinsvorsitzender können Sie nehmen, um eine mögliche Kehrtwende im Falle Bayerisch Eisensteins zu erreichen?
Schinabeck: Robert Kürzinger und ich sind immer gesprächsbereit. Es würde uns freuen, mit der Gemeinde Eisenstein gemeinsam eine Lösung zu finden. Die Situation gestaltet sich für Verwaltung und Bürgermeister sehr schwierig bis unmöglich, zum Jahresende eine Lösung zu finden, wie es weitergehen soll: hohe Kosten, Personal zu finden, alles zu organisieren, vieles neu zu machen, von Null zu starten.
Ein erster Schritt wäre, die Entscheidung zu vertagen, zumindest bis ein Konzept vorliegt, bei dem alle Leistungsträger und wir eingebunden wurden. Bis eine aussagefähige Kosten-Nutzen-Bewertung vorliegt und die Finanzierung geklärt ist – also genau die Punkte erfüllt sind, die Bürgermeister Herzog in der Sitzung gefordert hat, um eine auf Fakten basierte Entscheidung treffen zu können. Ich bin überzeugt, dass man bei diesem Prozess erkennt, wie wertvoll die Ferienregion für die Gemeinde ist und der Wunsch nach einem Austritt hinfällig wird.
Schreder: Alfons Schinabeck und Geschäftsführer Robert Kürzinger waren kurz vor der Entscheidung in Bayerisch Eisenstein im Tourismusausschuss zugegen. Nach ihrer Auskunft hatten sie ein gutes und konstruktives Gespräch mit den Vertretern der Gemeinde geführt. Der Beschluss, dass die Gemeinde dann doch austreten wird, hat uns deswegen überrascht. Als Vorsitzender des Trägervereins der FNBW kann und sollte ich keinen direkten Einfluss nehmen, weil dies Sache der Gemeinde Eisenstein ist. Ich werde aber bei jedem Gespräch für die FNBW werben.
Böse Zungen behaupten, die FNBW mutiert nach dem Austritt Eisensteins zu einem reinen Verwaltungsapparat ohne Marketing-Budget: Wie sehen Sie das? Ist die FNBW noch handlungsfähig?
Schinabeck: Die FNBW ist handlungsfähig und wir alle sind sehr stolz auf unsere Firma. Im ganzen Bayerischen Wald gibt es keinen vergleichbaren Verbund mit allen Touristinformationen – und das nun schon seit zehn Jahren.
Schreder: Die FNBW ist und bleibt handlungsfähig. Natürlich könnte man mit mehr Budget noch mehr Marketing betreiben. Das Ganze muss aber finanziert werden. Ich denke, dass die FNBW gut aufgestellt ist und im Rahmen der finanziellen Beteiligung der Mitgliedsgemeinden sehr gute Arbeit leistet.
„Generell kann man nicht alles an Zahlen festmachen“
Wie hat sich eigentlich ihre Gemeinde seit der Mitgliedschaft in der FNBW – auch im Vergleich zur vorherigen „Zeit der Nicht-Mitgliedschaft“ – touristisch entwickelt? Eher positiv, eher negativ? Können Sie den jeweiligen Trend anhand von Zahlen belegen?
Schinabeck: Die Gemeinde Neuschönau hat sich sehr positiv entwickelt. Dabei kann man nie nur einen Faktor betrachten – Gemeindeentwicklung hängt von vielen Faktoren ab. Die FNBW ist ein positiver Faktor, um die Gemeinde, die Leistungsträger, Partner und die Region in einem Netzwerk zu vermarkten. Es wird professionell gearbeitet in der FNBW.
Schreder: In Frauenau hat sich der Tourismus sehr gut entwickelt. Wir haben hervorragende touristische Betriebe, die viel investieren und sich enorm engagieren. Wir haben mit der FNBW eine Organisation, die sich vor Ort um den Tourismus kümmert und unsere Nationalparkregion vermarktet. Als einzelne Gemeinde könnten wir dies niemals in diesem Umfang und in diesem Kostenrahmen leisten.
Generell kann man nicht alles an Zahlen festmachen, weil es immer wieder Änderungen im Urlaubsverhalten – sprich: Dauer des Aufenthalts, mehrmalige Kurzurlaube etc. – gibt, die alle Urlaubsregionen betreffen. Hierauf wird reagiert und das Beste daraus gemacht. Die Übernachtungszahlen und vor allem die Gästeankünfte haben sich seit Bestehen der FNBW trotz Bettenrückgang permanent gesteigert.
Abschließend: Wohin geht die Reise der FNBW kurz-, mittel- und langfristig? Welche Prognose haben Sie?
Schinabeck: Ob kurz-, oder langfristig – nur ein Zusammenschluss vieler kann erfolgreich sein. In einer globalen Welt müssen wir unsere Energie bündeln – nur gemeinsam sind wir stark!
Schreder: Ich bin überzeugt, dass die FNBW für unsere Nationalparkregion jetzt schon eine wichtige Einrichtung ist und dies auch bleiben wird.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für die Beantwortung unserer Fragen genommen haben.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer