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Spiegelau. Die Verkündung des Austritts der Gemeinde Bayerisch Eisenstein aus der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (da Hog’n berichtete) hat nicht nur regional für Aufsehen, sondern auch überregional für Schlagzeilen gesorgt, wie etwa in der Süddeutschen Zeitung. Die Entscheidung im Rat der Grenzlandkommune habe bei örtlichen Hoteliers „Entsetzen“ ausgelöst, berichtet die Münchener Tageszeitung. Ebenso verständnislos reagierte etwa Mathias Pfeifer, Inhaber des Waldhotels „Seebachschleife“, der sich per öffentlichem Brandbrief direkt an das Gremium und die Medien wandte.

Robert Kürzinger, mittlerweile fünfter Geschäftsführer des Tourismusverbunds binnen der vergangenen zehn Jahre, betrachtet die Entscheidung für den Austritt als „sehr unglücklich“. Er ist davon überzeugt, dass „dieser Beschluss die gesamte Region Bayerischer Wald, die Firma, aber vor allem den Grenzort Bayerisch Eisenstein schwächt“. Der Gemeinderat habe damit die Tourismusarbeit in Eisenstein zum Jahresbeginn 2025 „auf Null gesetzt“.
Als Kürzinger vor gut zwei Jahren als Geschäftsführer in die Fußstapfen von Daniel Eder trat, blickte er voller Tatendrang optimistisch in die Zukunft der FNBW, insbesondere was die Erweiterung des Verbunds angeht: „Potenzial ist hier auf alle Fälle da, beispielsweise wenn man Richtung erweitertes Nationalparkgebiet schaut oder Richtung Philippsreut“, lautete im damaligen Hog’n-Interview eine seiner Aussagen. Doch nun ist es anders gekommen. Die Mitgliederstärke schrumpft ab 2025 von zwölf auf elf Gemeinden.
Wir haben uns mit dem FNBW-Chef im Folgenden darüber unterhalten, wie es nun nach dem Austritt Bayerisch Eisensteins weitergeht, welche Ursachen dazu geführt haben, welche Auswirkungen der Weggang haben wird, welche Rolle das sog. Kirchturmdenken dabei gespielt hat – und welchen Anteil die FNBW-Verantwortlichen daran haben:
„Austritt kam für mich völlig überraschend“
Nach Langdorf 2022 wird nun, drei Jahre später, Bayerisch Eisenstein die FNBW verlassen. Wie sehr schmerzt dieser Verlust?
Der Austritt schmerzt sehr, da Bayerisch Eisenstein eine Nationalparkgemeinde und wichtiges Mitglied ist. Der Grenzort hat viele touristische Attraktionen wie den Arber, die Naturparkwelten, das Localbahnmuseum, die Kunsträume Grenzenlos und vieles mehr. Diese Highlights haben wir gerne in all unseren Marketingaktivitäten eingebunden. Sie jetzt aus unserer Vermarktung herauszulösen, ist sicherlich auch für die Gäste nicht verständlich.

Haben Sie damit gerechnet, dass Bayerisch Eisenstein den Tourismusverbund verlassen wird? Oder kam der Schritt für Sie völlig überraschend?
Nein, der Austritt und vor allem das wie – gänzlich ohne Diskussion – kam für mich völlig überraschend. Auch die Vermieter in Bayerisch Eisenstein wurden damit offensichtlich überrascht.
„Letztendlich war der Tenor, dass die FNBW zu wenig für den Tourismus in Eisenstein gemacht hat“, meldete Bürgermeister Herzog aus dem Gemeinderat. Wie sehen Sie das? Hat die FNBW zu wenig für den Tourismus in Eisenstein gemacht?
Ganz im Gegenteil. Bayerisch Eisenstein hat vieles zu bieten und großartige Gastgeber. Das wurde von der Ferienregion sehr gerne und vielfältig aufgegriffen und in die Marketingmaßnahmen integriert. Die Ferienregion ist ein Verbund und richtet alle Marketingmaßnahmen auf die Destination in ihrer Gesamtheit aus. Bayerisch Eisenstein ist ein wichtiges Mitglied in der Ferienregion und somit auch in allen Marketingmaßnahmen inkludiert.
„Betriebswirtschaftlich bedenklich“
Kritik kam auch von Seiten eines Hog’n-Leserbriefschreibers, der den FNBW-Austritt begrüßt. Er meint: „Ein weiterer Vorteil des Austritts ist die finanzielle Unabhängigkeit. Die Gelder, die bisher in die Mitgliedschaft bei der FNBW geflossen sind, können nun direkt in lokale Projekte investiert werden. Dies ermöglicht eine effizientere Nutzung unserer Ressourcen und stärkt die lokale Wirtschaft. Unsere Gemeinde kann jetzt gezielter und effektiver in ihre touristische Zukunft investieren.“ Wie bewerten Sie diese Einschätzung?
Diese Einschätzung ist falsch. Die Leistungen, die die Gemeinde für ihren jährlichen Beitrag erhalten hat, sind in punkto Preis/Leistung unschlagbar. In dem Betrag ist neben Marketing und Pressearbeit auch die Verbreitung von Veranstaltungen, das Anbieten von geführten Wanderungen, die Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter, sämtliche Versicherungen, Datenschutz, Cyberschutz, kostenintensive Computerprogramme, die Anschaffung von Hardware, sämtliche Verbrauchsmaterialen, Administration, die gemeinsamen Gästekarte „Nationalpark-Card“ sowie die Nutzung der Marke „Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald“ und viele weitere Komponenten enthalten.

Diese ganzen, derzeit auf alle Mitglieder aufgeteilten Kosten, allein zu tragen, ist betriebswirtschaftlich bedenklich. Nicht zu vergessen sind die hohe Quantität und Qualität an Informationen die wir – dank unseres Netzwerkes dem Gast bieten können. Bei uns arbeiten 30 Kolleginnen und Kollegen, die sich gegenseitig unterstützen und Fachkräfte auf ihrem Gebiet sind.
Ganz direkt gefragt: Haben die Eisensteiner es nicht verstanden, dass man heutzutage – wie von Seiten der FNBW und deren Befürworter immer wieder propagiert – nur im Verbund erfolgreiche Tourismusarbeit leisten kann?
Ich würde das nicht verallgemeinern, es handelt sich hierbei um die Meinung einzelner Personen. Ich glaube aber auch, dass die ganze Bandbreite unserer Leistungen völlig unterschätzt wird. Tourismus in der heutigen Zeit ist weit mehr als Veranstaltungen organisieren und die Öffnungszeiten einer Tourist-Information abzudecken. Besonders die rasante Digitalisierung und die Geschwindigkeit im Onlinemarketing haben großen Einfluss auf die Arbeit im Tourismus und erfordern Personalkapazitäten.
„Es gibt keinen vergleichbaren Verbund“
Würden auch Sie Bayerisch Eisenstein – wie einige andere Stimmen – aufgrund der Austrittsentscheidung das altbekannte „Kirchturmdenken“ vorwerfen?
Vorwürfe bringen uns nicht weiter, vielmehr wünsche ich mir, dass die Gemeinderäte ihre Entscheidung überdenken. In den nächsten Wochen wird man sich dort mit den Konsequenzen auseinander setzen müssen. Bei der Erarbeitung eines neuen Konzeptes wird sicherlich deutlich, dass nur mit Bündelung der finanziellen Ressourcen eine größere Schlagkraft und Wirkung für die Region und somit auch für all ihre Mitgliedsorte erreicht werden kann.

Elf Mitglieder hat die FNBW ab 2025 nur noch. Die selbst auferlegte Zielsetzung lautet seit Jahren: Mitglieder-Erweiterung. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Die FNBW schrumpft. Worin liegt diese negative Entwicklung begründet? Und: Welchen Anteil haben die FNBW-Verantwortlichen daran?
Die Ferienregion ist einzigartig im gesamten Bayerischen Wald. Es gibt keinen vergleichbaren Verbund, der weit über eine Werbegemeinschaft hinausgeht. Darauf sind wir sehr stolz. Dass andere Gemeinden bislang nicht die Potenziale und Möglichkeiten erkannt haben wird sich sicherlich bald ändern. Der Druck zu sparen, wird in den Kommunen immer größer, das Aufgabenfeld verändert sich, Synergien sind gefragt und diese bietet die Ferienregion. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich auch eine Studie von Centouris im Auftrag des Tourismusverbands Ostbayern. Hier ist das klare Ergebnis, sich zu Verbünden zusammenzuschließen, da einzelne Orte die Vielzahl der Aufgaben nur noch schwer stemmen können.
Aus dem Austritt in Bayerisch Eisenstein folgere ich, dass die Entscheidung nichts mit der Ferienregion zu tun hat, sondern vielmehr eine generelle Entscheidung gegen einen Verbund jeglicher Art ist. Auch mit der Konsequenz höherer Kosten.
„Gute Gemeinschaft muss so etwas durchstehen“
Als nächster „Wackelkandidat“ für einen möglichen Austritt gilt Hog’n-Informationen nach die Gemeinde Lindberg. Haben Sie bereits ähnliche Unkenrufe vernommen? Und: Was passiert, sollte sich auch diese Gemeinde aus der FNBW verabschieden?
Da ist mir nichts bekannt von daher beschäftige ich mich mit einem solchen Szenario nicht.
Welche unmittelbaren Auswirkungen – vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht – hat der Austritt Bayerisch Eisensteins auf die FNBW und deren Mitglieder? Schließlich wird ein weiterer Geldgeber verloren gehen, der Etat sich somit weiter verringern. Mutiert die FNBW zum Verwaltungsapparat ohne Marketing-Budget?

Sicherlich nicht, eine gute Gemeinschaft mit nachhaltiger Ausrichtung muss so etwas durchstehen. Wir werden weiterhin zielgerichtet an der Vermarktung der Ferienregion arbeiten.
Abschließend: Wie wollen Sie es künftig schaffen, das „angeschlagene Schiff“ FNBW wieder in ruhigere Fahrwasser zu navigieren?
Warten wir die nächsten Wochen ab. Wie in jeder Firma gibt es auch einmal Turbulenzen. Diese zu überwinden macht uns viel stärker und resilienter. Wir richten den Blick nach vorne, auch wenn gerade die Enttäuschung überwiegt.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für die Beantwortung unserer Fragen genommen haben.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
- „Sehr unglücklich“: Bayerisch Eisenstein tritt aus FNBW aus
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