Dänemark/ Schweden. Wir hören Stimmen. Angeregte Konversation. Ein vergnügtes Lachen. Prusten. Was ist da draußen los vorm Camper? Das Mini-Rollo einen Spalt nach unten gezogen, erblicken unsere müden Augen nackte Menschenkörper, die sich aus ihren Handtüchern schälen. Peep-Show am frühen dänischen Ostsee-Morgen – und das bei echtem Schmuddelwetter! Muss man mögen. Witzig zum Beobachten ist’s allemal!
Nach einer relativ entspannten Nacht auf unserem Stellplatz am Kobaek-Strand – lediglich von ein, zwei Huptiraden vorbeifahrender Einheimischer, die sich hier wohl des Öfteren auf diese Weise ein kleines Späßchen mit campenden Urlaubern gönnen, unterbrochen – werden wir sogleich Zeugen nordmännischer (und -fraulicher) Badekultur. Ein durchaus mutiges Unterfangen, wie wir finden – weniger aufgrund der Tatsache, seinen Body öffentlich zur Schau zu stellen, sondern vielmehr wegen der zapfig-kühlen Wassertemperatur kurz nach 7 Uhr morgens. Wir bevorzugen es daher nicht, den sich überwiegend im Seniorenalter befindlichen Däninnen und Dänen beherzt in die Fluten zu folgen, sondern noch ein bisschen in unserem „hyggeligen Freddy“, wie wir unseren Off-Campers-Grand-California-600 liebevoll bezeichnen, zu verweilen…
Über die längste Schrägseilbrücke der Welt
Nach einem erfrischenden Spaziergang über den Sandstrand mit dünenähnlichen Hügeln und tollem Blick aufs Meer, vernehmen wir erneut Gelächter und gute Laune. Eine Gruppe Frauen, teils mit bunten Perücken und lustigen Gewändern ausgestattet, wandert stationsweise von A nach B. Ein Junggesellinnen-Abschied? Ein Selbstfindungs-Workshop unter Arbeitskolleginnen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls: Die Dänen scheinen ein lustiges Völkchen zu sein. Wir beobachten die Szenerie noch eine Weile amüsiert – und beschließen dann, unsere Reise Richtung Norwegen (via Schweden) weiter fortzusetzen. Wir, das sind Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer und Fotografin Jennifer Schaller.
Wir kaufen noch ein paar Frische-Vorräte im Supermarkt im Nachbarort Skælskør Sogn ein, fahren Richtung Kopenhagen weiter und durchqueren dabei einmal Seeland (Sjælland), die größte Ostsee-Insel Dänemarks. Das Ziel: die Öresundbrücke, die uns hinüber nach Schweden bringen wird – sofern alles glatt läuft in Sachen Maut-Gebühren. Vor der Überfahrt tanken wir den Camper in Tårnby, einem kleinen Ort südlich der Landeshauptstadt, noch einmal voll. Und wie schon bei der Überfahrt der Storebaelt tags zuvor wächst erneut die Anspannung, je mehr wir uns der „weltweit längsten Schrägseilbrücke für den kombinierten Straßen- und Eisenbahnverkehr“ nähern. Mit einer Gesamtlänge von 7.845 Metern, Baukosten von einer Milliarde Euro und einer Höhe von bis zu 57 Metern ist die Øresundsbron ein durchaus imposantes Bauwerk, das wir alsbald bezwingen wollen…
Bei trockenem Wetter erklimmen wir die Brücke, es herrscht wenig Verkehr – und vor allem weniger Wind als am Vortag. Nachdem wir während der Überfahrt die dänisch-schwedische Grenze passieren, erreichen wir nach wenigen Minuten die Maut-Station, die wiederum verschiedene Durchfahrtsmöglichkeiten bietet. Dank Jennifers vorausgegangenem Organisationsgeschick (Stichwort: ØresundGO) können wir diesmal die vergünstigte Schranke (170 statt 440 Kronen) wählen, die sich ohne Probleme vor unserem Camper emporhebt – und uns nach automatischer Kennzeichen-Erkennung die Einfahrt ins Land der Wikinger gewährt. Ein gutes Gefühl, Erleichterung macht sich breit!
Willkommen im Astrid-Lindgren-Land
Wir umfahren Malmö, die „Spiegelstadt“ Kopenhagens, weiträumig und bewegen uns weiter Richtung Norden. Es mutet sogleich sehr ländlich an, die typisch-schwedischen Häuser grüßen uns links und rechts der Schnellstraße. Wobei das Wörtchen „schnell“ – wie schon in Dänemark – hier wohl (mit deutschen Augen) relativ zu betrachten ist, denn: Im Königreich von Carl Gustaf gelten folgende Geschwindigkeitsbegrenzungen: 110 bis 120 km/h auf Autobahnen und Schnellstraßen, 70 bis 90 km/h auf kleineren Straßen und 50 km/h innerhalb von Ortschaften. Ein Umstand, der das Reisen entschleunigt und entspannter macht – und keinesfalls zuwider läuft.
Wer als Bub oder Mädchen Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga oder die Kinder aus Bullerbü geschaut hat, wird sich angesichts der vorbeihuschenden (und im Küstenbereich recht flach beschaffenen) schwedischen Landstriche angenehm an jene Kult-Serien erinnert fühlen. Uns jedenfalls ergeht es so. Eine Reise durchs Astrid-Lindgren-Land kann durchaus einem Trip in die eigene Kindheit ähneln und so einige Erinnerungen wecken, selbst wenn man – so wie wir – zuvor niemals hier gewesen ist…
Nach wenigen Stunden erreichen wir am Nachmittag schließlich unseren Campingplatz namens „Björkängs Vandrarhem„, der gerade einmal acht schnuckelige Stellplätze vorzuweisen hat und etwa fünf Autominuten von der Küste entfernt liegt. Alles sehr klein, sehr überschaubar und familiär – genau so, wie wir’s haben wollen. Nur ein weiteres Camping-Vehikel ist auf dem Platz abgestellt, wir können uns also frei entfalten, stellen unseren „Freddy“ in der gegenüberliegenden Reihe ab. Ein älteres Pärchen aus Berlin, wie wir der Nummerntafel entnehmen können, hat ebenfalls hierher gefunden. Wir steigen aus, grüßen freundlich rüber zur anderen Seite. Der Gegengruß fällt spärlich aus. Die im Klappstuhl sitzende Dame mit dem Buch in der Hand meint nur: „Können Sie das Licht am Fahrzeug ausmachen, es blendet!“ Ah, okay. Alles klar. Schön, Sie hier zu treffen…
Internationales Abendessen
Egal, Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Wir sind begeistert von unserem Aufenthaltsort und versuchen sogleich die Herbergsmutter ausfindig zu machen. Im gegenüberliegenden Haus scheint jedenfalls niemand dergleichen zu wohnen. Auf einem Aushang lesen wir die Grundinfos in Sachen Anmeldung mitsamt Telefonnummer. Handy gezückt, Tasten gedrückt – eine nette Stimme ertönt am anderen Ende der Leitung. Es wird Englisch gesprochen, wie fast überall in Skandinavien. Die Vermieterin will uns in etwa einer Stunde besuchen kommen, um die Zahlungsmodalitäten zu klären und uns offiziell einzuchecken.
Währenddessen erkunden wir fußläufig das nähere Umfeld inklusive Haupthaus (einer Art Jugendherberge) und gepflegter Toilettenanlagen, schließen den Camper ans Stromnetz an und machen uns Gedanken übers Abendessen. Es beginnt bereits zu dämmern, die Sonne geht langsam unter, die Grillen zirpen, ein Lüftchen weht durch die umliegenden Graswiesen – und wir erfreuen uns des Lebens, der Freiheit und der Gesundheit. Wieder so ein Moment, in dem wir dankbar dafür sind, diesen Roadtrip durchführen und erleben zu dürfen.
Nach einem kurzen Pläuschchen mit der freundlichen Campingplatz-Verwalterin ist diese auch schon wieder weg. Rund 17 Euro kostet die Übernachtung. Ein fairer Preis, den wir sogleich mit Kreditkarte an Ort und Stelle begleichen. Zum Essen zaubert uns Jennifer ein leckeres Gericht: feiner (dänischer) Lachs mit (italienischen) Rigatoni-Nudeln in (deutscher) Sahnesoße und (bayerischem) Salat – alles erstmals selbst an der integrierten Herdstelle des Campers zubereitet. Wow! Was für ein (internationales) Gericht/Gedicht, was für ein krönender Abschluss eines weiteren Reisetags.
Team-Work ist das A und O beim Camping
Aufgrund der umherschwirrenden Mücken gilt es beim Kochen das Innenlicht möglichst gedimmt und das Moskitonetz an der Schiebetür geschlossen zu halten. Die Dachluke muss während des Kochvorgangs geöffnet bleiben – sie dient als zusätzlicher Abzug. Nach der Zubereitung drehen wir die zuvor aufgedrehten Gasflaschen im Rückraum des Campers sogleich per Hand wieder zu – sicher ist sicher. Hungrig lassen wir uns im Anschluss die abendliche Mahlzeit schmecken – ein Feierabend-Bierchen dazu darf freilich nicht fehlen! Gut, dass in unserem Vorratslager noch jeder Menge Getränke und Lebensmittel, die wir von zuhause mitgebracht haben, darauf warten, verzehrt zu werden.
Wir erledigen nach dem vorzüglichen Mahl noch den Abwasch, wofür wir aus Platzgründen auch das kleine „Waschbecken“ im Toiletten-Raum des Campervans in Beschlag nehmen. Der eine wäscht ab, der andere trocknet ab – und räumt die Sachen in die entsprechenden Fächer wieder ein. Eine wohl durchdachte Arbeitsteilung und Team-Work sind das A und O beim Camping, das haben wir bereits nach wenigen Tagen gelernt.
Vor dem Schlafen gehen spielen wir noch eine Runde „Rummikub„, putzen uns die Zähne, bringen an den Seitenscheiben und an der Frontscheibe noch die Verdunkelungen an, schalten das Licht aus – und dann heißt es auch schon wieder: Gute Nacht, John-Boy!
Stephan Hörhammer
Im vierten Teil gelangen die beiden Camping-Helden nun endlich nach Norwegen, dem eigentlichen Ziel ihrer Reise…