Hauzenberg/Waldkirchen. Als Waidler mit sportlichem Allgemeinwissen kennt man natürlich das „Team Telekom“, das zu Glanzzeiten von Erik Zabel und Jan Ullrich in aller Munde war. Einen tiefen Dopingsumpf später arbeitet ein inzwischen oft als „sauber“ proklamierter Radsport an seinem Image. Neue Gesichter tun sich hervor. So wie das „Protective Gravel Team“, das künftig jeder Waidler im Auge haben soll, ist es doch eines „von uns“ – und zudem bereits jetzt ziemlich erfolgreich.
Diese Equipe hat mit „Protective Sports“ einen Hauptsponsor aus Hauzenberg an der Seite. Mit Andreas Schrottenbaum (aus Passau) und Martin Schätzl (aus Waldkirchen) kommen zwei der vier Fahrer der Amateur-Mannschaft aus hiesigen Gefilden. Und mit Markus Ebersberger von „Peer Plan“ gibt es einen Mann im Hintergrund, der aus Haidmühle stammt – und selbst leidenschaftlicher Radfahrer ist. Der selbstständige Webdesigner und eine Art PR-Beauftrager des Teams verbindet somit Hobby und Beruf – und dies nicht nur aus Gründen des Selbstzweckes.
Markus Ebersbergers Aufklärungsarbeit
Sogenannte Gravelbikes liegen derzeit voll im Trend. Galten diese Mischungen aus Mountainbike und Rennrad vor Jahren noch eher als Ladenhüter, haben sie sich inzwischen zum Szene-Renner entwickelt. Ihr Vorteil: Sie sind bestens geeignet für Feld- und Waldwege – und somit optimal im Bayerischen Wald einsetzbar. Mittlerweile sind diese Fahrräder auch in den Wettbewerbsbereich vorgeprescht, fristen dort aber eher noch ein Mauerblümchen-Dasein. „Doch diese Sparte hat Potenzial“, ist Markus Ebersberger überzeugt.
Es ist jedoch noch viel Aufklärungsarbeit nötig, betont der Marketing-Experte und ergänzt: „Viele wissen noch nicht, um was es sich sowohl beim Gravelbike als auch beim Protective-Gravel-Team handelt.“ Während das Hybrid-Gefährt relativ schnell erklärt ist (siehe oben), ist bei der Renn-Mannschaft dann doch etwas ausführlicheres Infomaterial vonnöten. Dies ist aber kein explizites Problem der Hauzenberger Auswahl, sondern ein generelles. „In diesem Bereich sind die Strukturen noch nicht so ausgebaut wie im Radrennbereich. Folglich fehlt auch noch das Geld.“
„Wir sind Einzelkämpfer“
Teamkollegen von Andreas Schrottenbaum und Martin Schätzl sind Tim Wollenberg (aus Sonthofen) und Patrick Haller (aus Ingolstadt). Die beiden Letztgenannten stellen im Gegensatz zu ihren Mitstreitern aus Passau und Waldkirchen (ehemalige) Profis dar. Man kannte und kennt sich in der eher überschaubaren Radsport-Szene – und so tat man sich unter den Fittichen von „Protective Sports“ zusammen. 2024 findet die erste offizielle Saison des Quartetts statt. Freilich treten sie als Team an, „aber im Radsport, gerade im Gravel-Bereich, ist man eher als Einzelkämpfer unterwegs“, erzählt Martin Schätzl.
Impressionen vom Ausdauer-Alltag:
Die Wettbewerbe an sich sind – gerade ob ihrer Jungfräulichkeit – überaus spannend. Amateure können dabei mit Profis mithalten. Man bewegt sich auf einem Niveau. „Tim Wollenberg ist nominell unser bester Fahrer“, berichtet Schätzl – und fügt sogleich hinzu: „Aber es sind nur Nuancen.“ Der Grund für diese Ausgeglichenheit besteht vielleicht darin, dass sowohl der 32-Jährige als auch Andreas Schrottenbaum sich wie Profis verhalten. Sie sind fast jedes Wochenende unterwegs, um in Spanien, Dänemark, Polen, Finnland, Belgien, Italien und in der Bundesrepublik ihre Farben zu vertreten.
Schätzl, hauptberuflich als Versuchsingenieur im Einsatz, glaubt, dass der Sprung ins Profilager gar nicht so groß wäre. Sportlich ohnehin nicht. Und auch nicht, was den Aufwand betrifft. „Organisatorische Dinge würden uns dann abgenommen werden. Wir müssten dann keine Reisen mehr planen oder Hotels buchen“, erläutert er. „Und die daraus gewonnene Zeit könnten wir für mehr Training und Wettbewerbe nutzen.“ Mit etwas Abstand fügt er hinzu: „Klingt eigentlich verlockend. Aber ich würde nur ungern meinen Beruf aufgeben wollen.“
Bei Pannen muss man selber ran
Zuletzt waren Wollenberg, Haller & Co. auf Sardinien im Einsatz. Es mussten 150 Kilometer und 2.000 Höhenmeter über Stock und Stein gemeistert werden. Fährt der innere Schweinehund mit, hat man praktisch schon verloren. Doch genau das ist es, was Martin Schätzl so liebt. „Zur sportlichen Herausforderung kommt noch hinzu, dass man bei Pannen selber ran muss. Es kommt eigentlich regelmäßig vor, dass man einen Reifen zu flicken hat. Ein Service-Team oder sowas haben wir ja nicht.“
Dabei ist einhundert Prozent Konzentration gefordert. Eine Promille weniger auf holprigem Untergrund kann drastische Folgen haben, wie der Waldkirchener eben erst auf Sardinien, wo er zu Sturz kam, selbst leidvoll in Erfahrung bringen musste – Gott sei Dank ohne Brüche oder schlimmere Verletzungen. Aber auch Prellungen und Abschürfungen sind schmerzhaft – und machen mehrere Tage Übungseinheiten unmöglich. „Das Trainingslager am Gardasee musste ich deshalb absagen“, bedauert Martin Schätzl. Sportler-Schicksal – das besonders weh tut, wenn man ohnehin in einer Nische fährt.
„Das macht unsere Ambitionen deutlich“
Obwohl Schätzl also den schmalen Grat zwischen Vollgas und Vorsicht nicht erwischte und „abflog“, fuhr er noch in die TOP15. Genauso zwei weitere Teamkollegen. Auf dem höchsten Niveau, das es im Gravel-Bereich gibt. „Alleine das macht unsere Ambitionen deutlich“, arbeitet Markus Ebersberger heraus. Ziel ist es, für das Image einer ganzen Sparte zu fahren. Aber auch – Sportler können es nicht anders – , um den größtmöglichen Erfolg zu haben. Und wer weiß, vielleicht gehört schon bald auch das „Protective Gravel Team“ zum Radfahrer-Allgemeinwissen…
Helmut Weigerstorfer