Spiegelau. Auch wenn der Verein „Waidler helfen“ heuer sein zehnjähriges Bestehen feiert – die soziale Erfolgsgeschichte nahm bereits 2013 ihren Lauf. Nämlich im Juni, als das verheerende Jahrhunderthochwasser die Stadt Passau ereilte – und sich kurzerhand eine Gruppe von freiwilligen Unterstützern im Bayerischen Wald zusammenfand, um schnelle und unkomplizierte Hilfe für Menschen in Not in der Dreiflüssestadt zu leisten.
„Es gab damals einen Aufruf von Nicole Hölzl über Facebook“, erinnert sich Adolf „Adi“ Blöchinger an die turbulente Zeit. Der heute 60-Jährige gehört neben der besagten Grafenauerin und weiteren Mitstreitern wie Manuela Blob, Lothar Beckert, Susanne Müller, Monika Sumadi sowie Andrea und Florian Weber zu den Gründervätern der Initiative. „Spendensammlung Grafenau: Freiwillige werden gesucht“ lautete damals die Parole. „Und es waren so einige Leute mit dabei, die Kleidung, Spielzeug, Möbel und vieles mehr eingesammelt, sortiert und im Grafenauer Feuerwehrhaus verpackt haben, um die Sachen dann per Lkw nach Passau zu fahren.“
Wohin mit all den Sachen?
Aufgrund der überwältigenden Hilfsbereitschaft der Menschen aus dem Bayerischen Wald blieb „tonnenweise Zeug“ übrig. Gebrauchsgegenstände, die zum Wegwerfen viel zu schade gewesen wären. Man benötigte daher Lagerräume – und wurde übergangsweise u.a. in der Garage des ehemaligen Grafenauer Bürgermeisters Max Niedermeier fündig. Die zentrale Frage war: Was soll damit passieren? Wohin damit?
Die helfenden Waidler entschieden sich zunächst für die Unterbringung im ehemaligen Beckert-Gebäude in Schönberg, wo die Hilfsgüter fast ein Jahr lang eingelagert wurden. „2014 haben wir dann endgültig beschlossen weiterzumachen und einen Verein zu gründen – auch deshalb, weil die Sache immer umfangreicher wurde.“
Isabella Blöchinger, Adis Tochter, übernahm sogleich das Amt der ersten Vorsitzenden. Tanja Hackl, ebenfalls Gründungsmitglied und heutige Schriftführerin, kam über die Hochwasser-Hilfsaktion für das ebenfalls betroffene Deggendorf dazu, nachdem in Passau keine Hilfsgüter mehr gebraucht wurden. Dass es für den Zusammenschluss keine passendere Bezeichnung als „Waidler helfen“ geben würde, stand von Anfang an fest. „So, wie wir beisammen saßen, war der Name auf einmal da“, erinnert sich Adi Blöchinger. Der gemeinnützig anerkannte Verein zählt derzeit rund 20 Mitglieder, wobei das Kernteam aus dem gesamten Landkreis Freyung-Grafenau stammt.
Nach dem Lager-Zwischenstandort im ehemaligen Norma-Gebäude in Spiegelau hat man sich 2016 schließlich in den einstigen Glasfabrik-Hallen im Ort niedergelassen. Seitdem herrscht dort reges Treiben: Leute bringen ihre Spenden-Sachen ins Lager oder kaufen dort zu günstigen Preisen all das ein, was gerade benötigt wird. Der Erlös kommt dann besonders bedürftigen Waidlern – vor allem notleidenden Kindern – zugute.
„Erreichen Leute, die für andere unerreichbar sind“
Auch da Hog’n und seine Leserinnen und Leser haben in den vergangenen Jahren bei so manchen Spendenaktionen als Kooperationspartner mitgeholfen, das Leid der Betroffenen (auch außerhalb des Bayerwalds) etwas zu lindern: von der kleinen Sarah aus Haidmühle über Familie Oster in Grafenau bis hin zur Lombok-Hilfe, von der Hog’n-Weihnachtsaktion für Nathalie und Laura über ein neues Auto für Familie Müller bis hin zur Delfin-Therapie für Jessica aus Viechtach.
Unbedingt erwähnt werden muss an dieser Stelle auch Waidler-helfen-Ehrenmitglied Alexander Bauer aus Spiegelau, der mit seinen guten Verbindungen in die Promi- und Charity-Szene bereits viele Menschen unterstützen konnte – nicht nur auf finanziellem Wege, sondern vor allem auch auf zwischenmenschliche Weise. Erst vor Kurzem ermöglichte er etwa einem krebskranken Kind aus Schönberg ein Treffen mit einem Mitglied der deutschen Sportschützen-Nationalmannschaft – ein unvergessliches sowie ermutigendes Erlebnis für den Buben. „Über ihn erreichen wir Leute, die für andere unerreichbar sind“, bekräftigt Isabella Blöchinger erfreut.
Denn genau darum geht’s den helfenden Waidlern vordergründig: Den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, sie in großer Not aufzufangen und ihnen solidarisch beizustehen. Im Gegenzug erhalten sie dafür Worte und Gesten der Dankbarkeit und Herzlichkeit. Wir haben gemeinsam mit Isabella (28), Tanja (44) und Adi (60) auf die vergangenen Jahre zurückgeblickt – und auch nach vorne geschaut.
„Wir haben alle ein gewisses Helfer-Gen in uns“
Adi, Tanja und Isabella: Warum habt ihr euch dazu entschieden, bei Waidler helfen mitzumachen, euch in diesem Rahmen für andere zu engagieren?
Adi: Ich bin dabei, weil…
Tanja: … Du so gerne auf Flohmärkte gehst und die Halle in Spiegelau dein Leben ist (lacht)…
Adi: Ja, ich geb’s zu, ich bin schon sehr gerne in unserem Lager (schmunzelt). In erster Linie bin ich dabei, weil es einfach von den Leuten, die dabei sind, sehr gut gepasst hat. Die regelmäßigen Treffen, das gemeinsame Planen und Organisieren, Kaffee trinken, Gaudi machen. Hinzu kommt, dass ich ein alter Händler bin. Und ja, es hat schon sehr viel mit einem Flohmarkt gemein: Wenn etwa einer sympathisch rüberkommt, bezahlt er auch weniger als ein anderer, der recht grantig schaut…
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Isabella: Ich engagiere mich, weil… (überlegt)… ich da einfach so reingerutscht bin durch meinen Vater. Frei nach dem Motto: Mitgehangen, mitgefangen (lacht).
Tanja: Ich bin dabei, weil wir uns von Anfang an alle super verstanden haben. Nach den ersten Kennenlern-Treffen wurde auch schon ein Transporter benötigt, um Waren zu befördern. Ich hab mich sogleich gemeldet, weil unsere Firma ja über entsprechende Fahrzeuge verfügt – und schon war ich mit an Bord (lacht). Obendrein haben wir alle ein gewisses Helfer-Gen in uns – das musst du auch haben, wenn du solange mitmachst. Ich bin jemand, der nur schwer Nein sagen kann, weshalb ich nicht wenig Freizeit für Waidler helfen opfere und somit die Familie häufig etwas zurückstecken muss.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Wie viele ehrenamtliche Stunden habt ihr denn schon geleistet in etwa?
Tanja: (überlegt) … das ist schwer zu sagen. Waidler helfen läuft im Alltag immer so nebenbei mit, also neben dem eigentlichen Job. Da wird vieles parallel dazu organisiert – und auch so manches Nicht-Mitglied mal eingespannt. Emails schreiben, telefonieren, Spendenquittungen ausstellen, WhatsApp-Nachrichten versenden, Sachen transportieren und abholen oder sich mit dem Verein Rengschburger Herzen koordinieren, der von Arno Birkenfellner geleitet wird – irgendwer ist immer im Einsatz. Fünf Stunden pro Woche sind da schnell beisammen. Im Prinzip machen wir fast täglich a bisserl was für Waidler helfen.
„Wir können nur das spenden, was wir haben“
Wenn ihr auf die vergangenen zehn Jahre zurückblickt: Welche Aktionen sind euch besonders in Erinnerung geblieben?
Tanja: Zu erwähnen ist hier definitiv die alljährlich stattfindende Tombola. Waren es bei der ersten in Spiegelau noch rund 20 Besucher, sind es heute zwischen 200 und 300, die in den Pfarrsaal nach Riedlhütte kommen. Die Erlöse werden meist für Einzelpersonen zur Verfügung gestellt, so wie etwa Michaela Lex aus Neuschönau, die leider bereits verstorben ist, oder Leon Berndl aus Perlesreut.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Isabella: Unser Hauptaugenmerk liegt in erster Linie auf vom Schicksal gebeutelte Kinder und Jugendliche. Bei der Frage, wer unterstützt werden soll, sammeln wir zunächst Vorschläge und stimmen am Ende demokratisch darüber ab, wer den Zuschlag erhält. Bei einer Summe von bis zu 500 Euro können wir auf kurzem Wege und im engsten Waidler-helfen-Kreis auch mal schneller unterstützend eingreifen.
Adi: Finanziell steht der Verein gut da – aber freilich könnt’s auch immer a bisserl mehr sein. Je mehr Spenden wir bekommen, desto mehr können wir auch helfen. Fest steht: Wir können nur das spenden, was wir haben. Wir müssen ja auch die Miete für unser Lager in Spiegelau Monat für Monat berappen. Unser Verein sammelt auch hierfür Spendengelder ein.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Stichwort: Lagerverkauf. Wie hat sich hier die Situation entwickelt?
Adi: Dieser war immer schon Bestandteil von Waidler helfen und findet zweimal im Monat statt, jeweils samstags von 14 bis 16 Uhr. Der Lagerverkauf wird gut angenommen – zurzeit auch deshalb, weil viele ukrainische Flüchtlinge da sind, die bei unser Waren erwerben. Zu kaufen gibt es so gut wie alles. Jeder kann Sachen, die er nicht mehr benötigt, vorbeibringen. Bei den Möbeln fahren wir derzeit etwas zurück, da der Bedarf nicht mehr so groß ist, wie er schon einmal war. Und wenn Gegenstände zu lange im Lager verbleiben, wird von unseren fleißigen Helferinnen auch schon mal ein Paket für die Rumänien-Hilfe davon geschnürt. Verschwendet wird definitiv nichts.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Tanja: Für die Waren gilt generell – und das teilen wir immer so mit: Gebt das her, was ihr selbst auch noch in der Not hernehmen möchtet, weil a Glump mag und braucht keiner. Es soll nichts Kaputtes sein, es soll funktionieren und soll nicht verdreckt sein. Und ja, wir nehmen auch Kleidung an, die man im Recyclinghof in den Container werfen würde.
„Das Geld sitzt bei vielen nicht mehr so locker“
Lasst uns nach vorne schauen. Wie geht’s weiter in den nächsten Jahren mit Waidler helfen?
Adi: Was wir feststellen: Es wird immer schwieriger, Spenden zu generieren, da nahezu jede Firma und jeder Privathaushalt aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage zunehmend auf den eigenen Geldbeutel schauen muss. Wir versuchen weiterhin da zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird, aber wir werden künftig wohl mehr aussortieren als vorher, da eben weniger Spenden eingehen. Das Geld sitzt bei vielen nicht mehr so locker – und gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die Hilfe benötigen. Das ist grundsätzlich keine gute Entwicklung.
Isabella: Generell war die Spendenbereitschaft der Waidler jedoch stets hoch – vor allem, wenn kranke und notleidende Kinder beteiligt sind. Viele Spender wollen dabei gar nicht öffentlich genannt werden, was wohl an der Wailder-Bescheidenheit liegt. In Zukunft soll es weitergehen wie bisher – solange es passt und finanziell machbar ist. Und solange wir die Miete für die Halle in Spiegelau aufbringen können.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Tanja: Wir sagen nicht oft nein, wenn jemand kommt und uns um Hilfe bittet. Etwa, wenn der Familienvater krank ist, nicht zur Arbeit gehen kann, das Geld knapp ist und wir gefragt werden, ob wir die Kosten für einen Lebensmittel-Einkauf im Supermarkt übernehmen können. Dann machen wir das, da gibt’s kein Nein – freilich solange es eine Ausnahme bleibt.
Wie macht ihr eigentlich auf euch und euer Schaffen öffentlich aufmerksam?
Isabella: Die Sozialen Medien sind hier ein wichtiger Faktor. Vor allem über Facebook und Mundpropaganda werden die Infos darüber, was gerade gebraucht wird – von der Waschmaschine bis zum Fahrrad – nach außen getragen. Die potenziellen Spender melden sich dann bei uns, das klappt meist alles sehr reibungslos.
„Von der Aldi-Ware bis hin zu Marken-Produkten“
Wer gibt denn gerne was her?
Adi: Das ist ganz unterschiedlich: Sowohl Leute, die viel besitzen, als auch diejenigen, die weniger haben, geben etwas. Und da ist alles dabei: von der Aldi-Ware bis hin zu Marken-Produkten. Wir fragen etwa bei einem Umzug oder einer Renovierung auch gerne mal nach, ob etwas nicht gebraucht wird und somit für Waidler helfen abfällt, wie z.B. Klamotten. Denn bevor es in den Altkleider-Container wandert, nehmen wir die Sachen – sofern sie noch in Schuss sind – gerne.
Impressionen aus der zehnjährigen Historie von „Waidler helfen“:
Tanja: Und wenn uns Leute dann Sachen nach Spiegelau ins Lager bringen, geht’s darum, die Waren zu sortieren bzw. auszusortieren. Das wird direkt vor Ort in der Halle gemacht – und zwar ehrenamtlich von unseren netten Damen Christina und Lidia. Letztere leistet auch immer wieder mal Übersetzungsarbeit bei den ukrainischen Bedürftigen. Und ja, zu uns kommen tatsächlich ausschließlich diejenigen, die hilfsbedürftig sind und auch wirklich Hilfe brauchen.
Auch wir vom Hog’n sagen deshalb: Danke und Respekt für euer Engagement, danke für die gute bisherige Zusammenarbeit – und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer
Wer dem gemeinnützigen Verein Waidler helfen e.V. gerne mit einer Spende unter die Arme greifen möchte, hat mit folgenden Kontodaten die Gelegenheit dazu:
Waidler helfen e.V.
Verwendungszweck: Ois Guade!
VR GenoBank DonauWald eG
IBAN: DE53 7419 0000 0002 7250 37
BIC: GENODEF1DGV