Zwiesel. Der Begriff „Kult“ wird heutzutage oft inflationär verwendet. Doch nur wenige Institutionen, Veranstaltungen und Ereignisse haben dieses Prädikat auch tatsächlich verdient. Eine Einrichtung, die definitiv dazu zählt, ist das Jugendcafé Zwiesel, das von seinen Freunden und Förderern nur liebevoll „KAFF“ genannt wird – und in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiert.
Vor ein paar Jahren stand das Jugendcafé fast vor dem Aus. Das „Kaff“ sollte verkauft werden, jahrelange Arbeit und Hingabe wäre zerstört worden. Doch die Jugendlichen protestierten öffentlich – kämpften für ihren Club. Viele namhafte Musiker unterstützten die Aktion, mithilfe vieler Spenden und eines Benefizkonzerts der international bekannten Band „BoySetsFire“ konnte das Jugendcafé gerettet werden.
Einer, der als Jugendlicher selbst oft den in der Region als Anlaufpunkt für junge Menschen bekannten Versammlungsort aufgesucht und mit seiner Band „Bridges left Burning“ die Bühne im KAFF gerockt hat, ist der Frauenauer Christian Schwarz. Der 37-Jährige hat nach Lehre, Zivildienst und Fachabitur Soziale Arbeit in Landshut studiert und lenkt seit zehn Jahren als deren Leiter die Geschicke der Kultstätte in der Glasstadt im Bayerischen Wald. Wir haben uns mit dem 37-jährigen über die Geschichte des KAFFs, über gute und schwierige Zeiten, über kulturelle Veranstaltungen, Jugendarbeit und die Frage, warum es binnen der letzten 15 Jahre nicht mit der Sanierung der Toiletten klappt, unterhalten.
„Das KAFF war die erste richtige Bühne“
Chris: 40 Jahre Zwieseler Jugendcafé, davon zehn unter Deiner Leitung. Wie blickst du, sofern möglich, zurück auf die gesamte Zeit des Bestehens, wie auf deine persönliche Zeit als Leiter des „KAFFs“?
Auf die gesamten 40 Jahre kann ich als Jahrgang 1986 natürlich nicht zurückblicken. Alles vor 2001 kenne ich bestenfalls aus Erzählungen. Ab 2001 war ich als Jugendlicher regelmäßig Gast im Jugendcafé. Hier habe ich meine ersten Erfahrungen mit Live-Musik gemacht. Das KAFF war die erste richtige Bühne, auf der ich mit meiner Band damals spielen durfte. Ich verknüpfe also viele schöne und prägende Erinnerungen mit dem Jugendcafé. Auch damals gab es schon einen kostenlosen Proberaum, den wir ausgiebig genutzt haben.
Das KAFF war damals schon ein Ort, an dem man etwas organisieren und sich ausleben konnte. Auch nach meiner Lehre bei Schott Zwiesel war ich noch regelmäßig auf Konzerten mit Freunden im Jugendcafé vertreten. Irgendwann riss der Kontakt dann a bisserl ab, als ich mein Abitur nachholte und zum Studium nach Landshut ging, das ich 2014 abschloss. Zu dieser Zeit bin ich vom damaligen Fördervereinsvorsitzenden Benedikt Hain mehrmals gefragt worden, ob ich das KAFF nicht leiten wolle. Dies war eigentlich nie meine Absicht, was heute vielleicht etwas absurd klingen mag.
Als sich jedoch abzeichnete, dass der damalige Leiter bereits nach einem Jahr aus dem Kaff ausscheiden würde, signalisierte ich schließlich doch meine Bereitschaft, den Job erstmal für drei Jahre zu machen. Nun sind es zehn geworden. Am 15. März 2014 hatte ich meinen ersten Arbeitstag. Gemeinsam mit den jungen engagierten Besucherinnen und Besuchern erlebte ich viele Highlights und wenige Rückschläge.
Highlights & Rückschläge
Zu den Highlights gehören zum Beispiel die gemeinsame Renovierung des Jugendcafés 2015/16; die Auszeichnung mit dem Bayerischen Rockpreis 2016 durch den damaligen Kultusminister Dr. Ludwig Spänle; die zahlreichen Projekte und Aktionen; die Auszeichnung mit dem Bundeskulturpreis APPLAUS für ein herausragendes Konzertprogramm; die Verleihung des Kulturpreises des Landkreises Regen 2020; der Vortrag des Jugendcafés auf der DIALOG POP 2023; zu beobachten, wie sich die Jugendlichen entwickeln und welche großen Dinge sie mittlerweile im Bereich Kulturveranstaltungen zu leisten im Stande sind – auch dank des Jugendcafé-Konzepts; zu sehen, wie aus Jugendlichen Erwachsene und selbstbestimmte Menschen werden;
In Sachen Rückschläge ist etwa das geplatzte Leader-Förderprogramm 2020 zu erwähnen, mit dessen Hilfe die Toiletten hätten saniert und eine Werkstatt errichtet werden sollen. Das Förderprogramm fiel Corona zum Opfer. Die schwierige Arbeit in Zeiten von Corona war ein genereller, harter Rückschlag.
Warum, wie und von wem wurde das Jugendcafé Zwiesel eigentlich vor 40 Jahren gegründet?
Ganz im Bilde bin ich hierüber freilich nicht, aber von Jugendcafé-Veteranen wie Martin Lippl weiß ich, dass sich Anfang der 80er der ‚Arbeitskreis Jugendcafé Zwiesel‘ gründete, in dem sowohl Zwieseler Jugendliche als auch auswärtige Schüler zum Beispiel vom Mädchenwerk engagiert waren. Prälat Helmut Schuler, der damalige Stadtpfarrer, Frau Sieglinde Schugmann, Pfarrer Heinz Werner und einige andere Zwieseler unterstützten damals die Jugendlichen in der Bauphase intensiv. Der Trägerverein, sprich: Förderverein für offene Jugendarbeit Zwiesel e.V., gründete sich im Jahr 1982. Die Bauphase dauerte zwei Jahre. 1984 eröffnete das Jugendcafé, das zunächst von den Jugendlichen selbst verwaltet wurde, dann mit Gerdi Mörtlbauer als erster Leiterin die Pforten.
So einen Trägerverein findet man nicht alle Tage
Wenn Du in die Jugendcafé-Historie zurückblickst – was waren die sog. Meilensteine, die hier unbedingt erwähnt werden müssen
Natürlich zählen die Vereinsgründung und der Bau zwischen 1982 und 1984 zu den ersten großen Meilensteinen. Aber auch meine Vorgängerinnen und Vorgänger sind allesamt Meilensteine in der KAFF-Geschichte. Vorrangig ist hier Reinhard Spitaler zu nennen, der das Jugendcafé ab 1987 für zwölf Jahre leitete und die Jugendarbeit dort entwickelte; der Förderverein selbst und die zahlreichen ehrenamtlichen Vorstände – allen voran Martin „Faxe“ Lippl -, die über all die Jahre hinweg einen großer Baustein des Jugendcafés bildeten. So einen – vergleichsweise doch recht kleinen – Trägerverein, der so ein Projekt 40 Jahre lang erfolgreich stemmt, findet man nicht alle Tage.
Ein weiterer sehr großer Meilenstein war der Kauf des Gebäudes durch den Förderverein und den damit verbundenen Erhalt des Jugendcafés an seinem Ursprungsort im Jahr 2012. Hierbei hatten sich zahlreiche bekannte Künstlerinnen und Künstler aus aller Herren Länder zu Wort gemeldet und das KAFF unterstützt. Durch zwei exklusive Konzerte der Band ‚Boysetsfire‚ in einer Turnhalle sowie zahlreicher Spenden und zinsloser Darlehen ehemaliger Jugendcafé-Mitstreiter konnte das KAFF erworben und so erhalten werden.
Der Jugendaustausch mit Venezuela 2012, organisiert von Lisa Moser, gilt auch als Meilenstein in der Jugendcafé-Geschichte. Die große Renovierung 2014/15 sowie die bereits erwähnten Auszeichnungen sind für sich betrachtet ebenfalls wichtige Ereignisse. Die bedeutendsten Meilensteine sind für mich persönlich jedoch die großartigen Dinge, die die ehemaligen Besucherinnen und Besucher mittlerweile leisten, und den Weg, den einige eingeschlagen haben, auch wenn ich das nur aus der Ferne betrachten darf.
Was beschäftigt die jungen Leute? Was treibt sie um?
Überregionale Bekanntheit hat das KAFF insbesondere aufgrund seiner Konzertveranstaltungen erlangt: An welche Auftritte gilt es hier nochmals zu erinnern? Welche Bands von Weltrang waren in Zwiesel zu Besuch?
Die bekanntesten Bands waren sicher Jimmy Eat World – 1999 für zehn DM Eintritt; Tomte, Tagtraum, But Alive, H2O, Death by Stereo, Stike Anywhere, Good Riddance, Comeback Kid, Die Kassierer, Jamaram, Full of Hell, Boysetsfire, No Trigger, Ami Warning und viele weitere. Aber auch lokalere Größen wie Live Your Live, Incarrier, Gelb, Static 84 und einige mehr sind hier aufgetreten.
Kerngeschäft des KAFFS war und ist jedoch vor allem die Jugendarbeit. Wie läuft so ein typischer Tag im Jugendcafé Zwiesel ab?
Das ist richtig, auch wenn es oft nach außen hin anders aussieht, besteht meine Arbeit zu 90 Prozent nicht aus Konzerten (schmunzelt). Einen typischen Tag an sich gibt es nicht, da immer irgendetwas anderes ansteht oder zu organisieren ist. Meist bin ich eine Stunde vor der offiziellen Öffnungszeit da, – für Organisatorisches und um auch mal Gespräche unter vier Augen zu führen.
Dann trudeln die Besucherinnen und Besucher nach und nach ein. Wenn kein Projekt, Konzert oder etwas Besonderes ansteht, unterhalte ich mich mit den Leuten und versuche ein Gefühl dafür zu bekommen, wie deren Tag gelaufen ist. Mir ist es wichtig, darauf zu schauen, welche Sorgen die Leute umtreiben oder was sie momentan beschäftigt. Das klingt banal, ist aber extrem wichtig, um die Menschen zu verstehen und bei negativen Erlebnissen oder Problemen gegensteuern zu können. Dann entwickelt sich der Tag je nach dem, was die Besucherinnen und Besucher planen oder machen wollen. Hier gibt es keine feste Schablone.
Was sind Deine Aufgaben? Was ist Dir in Sachen Jugendarbeit besonders wichtig?
Die Aufgaben sind breit gefächert. Mein Job ist es, einen geschützten Raum für die jungen Leute zu schaffen, in dem sie sich so frei wie möglich entfalten und den sie selbst gestalten können. Ich fungiere dabei als neutraler Ansprechpartner abseits von Familie und Schule. Ich helfe und berate bei psychosozialen Problemen und kann bei Bedarf auch externe Angebote von Fachstellen vermitteln. Ich berate bei Fragen, die Ausbildung und Studium betreffen, oder auch – in engem Rahmen -, was rechtliche Themen betrifft. Ich leiste Präventionsarbeit und berate bei Problemen in Familie und Schule.
Darüber hinaus macht das Jugendcafé Veranstaltungen zur Demokratiebildung und zu politischer Bildung. Dann gibt es da natürlich noch die Kulturveranstaltungen, die die Jungen Leute organisieren. Hier schaffe ich die nötigen Rahmenbedingungen, leite an und berate. Besonders wichtig ist mir dabei, ihnen auf Augenhöhe und so authentisch wie möglich zu begegnen – und im Jugendcafé eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der jede und jeder sich wohl und willkommen fühlt.
Open Air zur 40-Jahrfeier
Welche Anschaffungen wären dringend nötig bzw. bereits in Planung?
Die Sanierung der Toiletten ist so ein Punkt – der ist auch seit 15 Jahren in Planung (lacht). Das hätten wir mit einem großen Förderprojekt mit Fördergeldern schon 2019 angepackt, auch mit Hilfe der Stadt – leider ist das Förderprogramm und damit die Sanierung dann Corona zum Opfer gefallen. Die meisten kleineren Renovierungen und Baumaßnahmen können die Besucherinnen und Besucher, Vereinsvorstände und ich selber anpacken – doch das Toiletten-Projekt übersteigt meine Fähigkeiten…
Welche veranstalterischen Höhepunkte stehen im Jubiläumsjahr im KAFF an?
Am 17. und 18. Juni treten Bane und Comeback Kid auf. Das werden die größten Konzerte in meiner bisherigen Amtszeit, beide sind auch schon ausverkauft. Am 30 Juni geben sich Authority Zero aus den USA die Ehre, wofür es noch Karten gibt. Und last but not least findet am 23. und 24. August ein Open Air am Grenzlandfestplatz zur 40-Jahrfeier mit vielen tollen Bands statt.
Was wünschst Du Dir persönlich für die Zukunft des Jugendcafés Zwiesel? Wie soll’s weitergehen?
Ich wünsche mir, dass das Jugendcafé weiterhin so großen Zuspruch findet – bei den Jugendlichen wie auch bei den Vertreterinnen und Vertretern der Stadt. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam auch künftig jede Herausforderung meistern können.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen – und weiterhin alles Gute!
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer