Neureichenau. Es ist kurz vor sechs Uhr morgens. In der Dämmerung ziehen Nebelschwaden zwischen den Hallen und Holzstapeln langsam durch das Betriebsgelände. Die Geräusche wirken gedämpft, der angenehme Duft von frischem Holz liegt in der Luft. Noch ist alles friedlich und still, doch dann beginnt ein ohrenbetäubendes Surren. Das heißt: Arbeitsbeginn im Sägewerk Resch in Neureichenau.
Bei einem Rundgang über das Werksgelände sieht man neue Hallen mit ansprechenden Holzfassaden, riesige Trockenkammern aus Metall, genauso wie alte Steinmauern und eine schiefe Granitsteintreppe, welche Zeugen der Entstehungsgeschichte des Betriebs sind. Das gleiche Bild findet sich bei den Maschinen: Hier eine hochmoderne Hobelmaschine, dort eine betagte Turbine aus dem Jahr 1938. „Mein Opa hat diese damals gekauft – zu jener Zeit musste er dafür unterschreiben, dass der Stahl nicht für Waffen verwendet wird“, erzählt Unternehmensleiter Baptist Resch. Die Turbine wurde damals mithilfe des Wassers aus dem vorbeilaufenden Michelbach zur Stromerzeugung eingesetzt. Schon weit vor dieser Zeit hat sich hier ein Wasserrad gedreht, um die Säge oder die Mühle im Wechsel zu betreiben.
„Wir betreiben hier noch richtiges Sägewerkshandwerk“
Ohne Gehörschutz ist es in den Hallen nicht lange auszuhalten. Die roten Stapler flitzen durch die Anlagen. Bereits eineinviertel Stunden vor offiziellem Arbeitsbeginn startet der Tag von Baptist Resch. Er plant und organisiert den Ablauf. Vor allem kümmert er sich um die Rundholzversorgung vom Sägewerk bis zur Trockenkammer sowie um 60 Prozent des Versands. Die anderen 40 Prozent inklusive der Organisation der sogenannten Hobelhalle und des Keilzinkwerks übernimmt Maximilian Weidner, Baptist Reschs Neffe, der sich auch um die Disposition und einen Teil des Exports kümmert.
Natürlich dreht sich in einem Sägewerk alles ums Thema Holz. Aber: Wie gestaltet sich eigentlich der Weg von der Anlieferung der gefällten Bäume bis zum Verlassen des Werks? Täglich sieht man riesige Lastwagen, beladen mit großen Holzstämmen die fast schon zu enge Zufahrtsstraße hinauffahren. Sie kommen aus der Gegend zwischen Hochficht und Arber. „Im Prinzip kann man die Donau in Österreich und die Moldau in Tschechien als Grenzen desjenigen Gebietes bezeichnen, aus dem wir unser Holz beziehen“, erklärt Baptist Resch.
Die erste Station der Verarbeitung bildet der sog. Rundholzplatz. Hier stapeln die Greifarme der Lkw die Baumstämme zu großen Haufen. Man will sich nicht vorstellen, was passiert, wenn einer dieser Stämme ins Rollen gerät. Erst einmal abgeladen, wird der für Baubretter nicht brauchbare Teil abgetrennt, der Rest vermessen und entrindet. In der Säge können Stämme bis zu 1,10 Meter Durchmesser geschnitten werden.
Vom Rundholzplatz aus geht es weiter in die Sägerei. Hier zersägen mehrere Mitarbeiter die riesigen Stämme zu Bohlen, Brettern oder Balken. „Wir betreiben hier noch richtiges Sägewerkshandwerk“, beschreibt Baptist Resch die Szenerie. Ganz traditionell stellen er und seine Angestellten etwa sogenannte Schreinerpfosten her. Dazu vermißt der Chef die Bohlen und setzt sie anschließend wieder so aufeinander, wie der Baumstamm ursprünglich einmal ausgesehen hat. Derart wird das Holz dann an spezielle Kunden weiterverkauft.
„Dann heißt es schnell eine gute Lösung finden“
Weiter geht es in die Stapelanlage, in der die Bohlen, Bretter und Balken zu großen Stapeln aufgeschichtet werden. Darauf folgt ein wichtiger Verarbeitungsschritt: die Trocknung in riesigen Trockenkammern. Der richtige Feuchtigkeitsgrad des Holzes richtet sich dabei nach dem Verwendungszweck.
Nach der Trocknung kann der Weg des Holzes ganz unterschiedlich verlaufen: Entweder geht es direkt in den Verkauf oder weiter zur Verarbeitung in einer Kombination aus Keilzinken und Hobeln. Die Keilzinkung ist eine selbsthemmende Längsverbindung von Holz, bei der aus einzelnen kürzeren Teilen sehr lange Balken, Bretter und Bohlen hergestellt werden. Aus diesen Hallen kommt auch das Surren, das einen von morgens bis abends begleitet. Immer wieder poltert es, wenn die Maschine die Holzelemente abwirft. Die Hobelmaschine tut ihren Dienst, das Team muss den Auftrag vom Vortag zuerst noch beenden. In wechselnden Konstellationen schichten die beiden Angestellten die verschiedenen Leisten nach dem Hobelvorgang auf. Sie werden in kleineren Stapeln mit Bindern gebunden und dann gestapelt. In Qualität und Menge genau so, wie der jeweilige Kunde es wünscht.
Nächster Auftrag: ein Fichte-Fußboden. Bereits ein paar Tage zuvor musste Mitarbeiter Hakim das Material Brett für Brett sichten und aussortieren. Dafür standen er und eine Kollegin einige Stunden draußen, um bei eisigen Temperaturen exakt auszuwählen, welche Ware in Frage kommt. Und plötzlich verstummt das Surren der Hobelmaschine, obwohl noch nicht alle Leisten gehobelt sind. Verwirrte Blicke, ein lautes Stöhnen – und dann die ärgerliche Feststellung: die Maschine steht. Der Grund dafür: der Kompressor hat seinen Geist aufgegeben. „Das ist Alltag, bei so vielen Maschinen geht immer wieder mal etwas kaputt. Dann heißt es schnell eine gute Lösung finden oder wie in den meisten Fällen improvisieren – das tun wir ständig, glatt läuft selten etwas“, meint Baptist Resch und zuckt mit den Schultern.
Die Lösung: Bis der Kompressor wieder funktioniert, muss ein Ersatzgerät angeschlossen werden. In der Zwischenzeit hat Said, ein weiterer Mitarbeiter, die Maschine in der Hobelhalle umgestellt, damit der Fußboden gehobelt werden kann. Ebenso wurden die Schneiden gewechselt, die Maße eingestellt und die Fräsen für Nut und Feder eingesetzt. Um 10 Uhr sollte der Boden bereits auf der Baustelle sein. Viereinhalb Stunden später ist es dann soweit, nachdem drei verschiedene Breiten und unterschiedliche Längen gehobelt worden sind. Der Fußboden wird verpackt und in den Transporter verladen.
„Eigentlich hat jeder Sagler Energie im Blut“
Große Lastwagen holen die Waren täglich ab. Oft stehen sie einige Stunden auf dem Betriebsgelände und werden von den Staplern mit Holzpaketen beladen. Verkauft wird vor allem an die Industrie. Keilgezinkte Leisten für Caravans oder Verpackungen stellen die Mitarbeiter direkt im Betrieb her. Hier kommt die moderne Seite der Säge zur Geltung: Durch das Keilzinken des Holzes erzeugen sie lange, nahezu fehlerfreie und langlebige Holzelemente. Dabei werden mittels keilförmiger Zinken zwei Vollhölzer ineinandergreifend miteinander verklebt.
„Die Keilzinke haben wir schon seit 2018“, berichtet Baptist Resch. Das Material wird meist für die Caravan-Herstellung, für Holzfassaden, Parkett, Türen oder auch den Messebau verwendet. Leisten und Bretter, die für den Verkauf nicht brauchbar sind, dürfen aber noch lange nicht als Abfall bezeichnet werden. „Bei uns gibt es keinen Abfall“, erklärt der Chef und ergänzt: „Wichtig ist uns die sogenannte Kaskadennutzung, also Mehrfachnutzung eines Rohstoffs.“ Allem voran steht hierbei die stoffliche Verwertung. Sei es in Form von Rindenmulch oder Einstreu für Tierställe, aber auch für die Herstellung von Papier oder Textilfasern – das Sägewerk Resch verkauft jegliche Holzreste weiter.
Erst danach kommt die energetische Verwertung: Wärme, erzeugt in Heizwerken, die mit Hackschnitzeln betrieben werden. „Eigentlich hat jeder Sagler Energie im Blut“, bekräftigt Geschäftsführer Resch. „Schließlich müssen wir die Trockenkammern auch heizen.“ Durch einen Skiurlaub in Österreich kam der 57-Jährige vor einigen Jahren dann auf folgende Idee: „In jedem Dorf dort hat es geraucht. Es waren Sägewerke mit eigenen Heizwerken. Mein Gedanke: Das kann ich bei uns auch umsetzen.“
Seit 2006 betreibt das Sägewerk nun also auch Heizwerke. Dadurch kann der Betrieb jährlich 750.000 Liter Heizöl einsparen. Mittlerweile ist nicht nur die eigene Firma angeschlossen, sondern auch 40 weitere Abnehmer in der Gemeinde Neureichenau. Baptist Resch versorgt mit seiner Tochterfirma „Wir Wärmen KG“ mitunter viele weitere Kommunen des Landkreises Freyung-Grafenau mit dieser Art von Energie. Hierfür hat er mehrere Heizwerke an verschiedenen Standorten errichten lassen. Diese sind einer von mehreren Punkten, die das Sägewerk Resch vor allem zukunftsorientiert machen. Motto: „Man muss Nischen besetzen und sich auf Produkte fokussieren, die nicht jeder hat.“
Der Blick in die Zukunft
Seit den 1970er Jahren gilt der Betrieb als Vollerwerbssäge. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich der Unternehmer nicht nur auf die umfassende Verarbeitung von nahezu allen regionalen Holzarten wie Kiefer, Lärche, Douglasie, Zirbe, Eiche und vielen weiteren Laubhölzern, sondern vor allem auf die Verarbeitung von Tannen- und Buchenholz spezialisiert. „Tanne verwendet kaum einer – aber man muss auch erst mal die Kunden dafür finden“, weiß der Geschäftsführer zu berichten.
2013 wurde das Starkholzsägewerk erneuert und auch in Zukunft stehen Neuerungen an. Baptist Resch will einen neuen Rundholzplatz bauen, die Trockenkapazität erweitern und auch in der Automatisierung vorankommen. Für ihn ist es von entscheidender Bedeutung kontinuierlich voranzuschreiten, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Katharina Kremsreiter